Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft steht vor dem zweiten WM-Gruppenspiel gegen Schweden am Samstag (ab 20:00 Uhr im Liveticker) bereits gehörig unter Druck. Unter ungünstigen Umständen droht dem Weltmeister sogar das Aus. sport.de analysiert die vier größten Baustellen des DFB-Teams.
1. Das System
Bei der 0:1-Niederlage gegen Mexiko funktionierte bei der deutschen Mannschaft gar nichts - weder defensiv noch offensiv. Die riesigen Abstände zwischen Mittelfeld und Viererabwehrkette eröffneten den Mittelamerikanern immer wieder Räume für Konter. Aus einem solchen entstand auch das Siegtor.
Wie beim letztjährigen Confederations Cup oder im EM-Viertelfinale 2016 gegen Italien erfolgreich praktiziert, könnte Bundestrainer Joachim Löw deswegen auf ein System mit Dreierkette umstellen. "Das ist auf jeden Fall eine Option", offenbarte Mats Hummels am Donnerstag in einer Presserunde.
Das Zentrum würde durch die Hereinnahme eines zusätzlichen Innenverteidigers verdichtet, die Stabilität im Rückwärtsgang zumindest auf dem Papier deutlich erhöht - auch wenn die Schweden im Gegensatz zu den forschen Mexikanern eher ultra-defensiv erwartet werden.
Wermutstropfen einer solchen Umstellung: Löw müsste einen zentralen Mittelfeldspieler "opfern". Es gäbe in diesem ohnehin hart umkämpften Mannschaftsteil also noch einen Platz weniger.
2. Das Personal
Abhängig von der Systemfrage dürfte Löw auch das Spielermaterial kräftig rotieren. Entgegen der sonstigen Gewohnheiten des Bundestrainers sind vier oder fünf Personalwechsel durchaus möglich, die fast durchweg schwachen Leistungen aus dem Mexiko-Spiel würden diese auf jeden Fall rechtfertigen.
Sehr wahrscheinlich ist, dass der zum Auftakt grippekranke Jonas Hector wieder in die Startelf zurückkehrt. Sein Vertreter Marvin Plattenhardt, gegen Mexiko kaum ins Spiel seiner Mannschaft eingebunden, würde damit auf der Bank Platz nehmen.
Setzt Löw tatsächlich auf eine Dreierkette, bietet sich die Hereinnahme von Antonio Rüdiger oder Niklas Süle an. Für Rüdiger spricht, dass er das System mit drei Abwehrspielern auf einer Linie im Vereinsdress beim FC Chelsea regelmäßig spielt. Bayern-Verteidiger Süle kennt seine potenziellen Nebenleute Hummels und Jérôme Boateng dafür besser.
In der Offensive dürfte Löw auf Marco Reus setzen, gegen Mexiko nach seiner Einwechslung in der 60. Minute der mit Abstand beste deutsche Feldspieler. Julian Draxler oder Mesut Özil droht die Bank, wobei letzterer unter Löw eigentlich Narrenfreiheit genießt und zuletzt 26 Mal (!) in Folge bei großen Turnieren auf dem Platz stand.

Die Tatsache, dass Mario Gomez am Freitag neben Löw in der letzten Pressekonferenz vor dem Duell mit Schweden spricht, deutet zudem auf einen Wechsel in vorderster Front hin.
Timo Werner konnte gegen Mexiko als alleinige Sturmspitze kaum Argumente für einen weiteren Einsatz von Beginn an sammeln. Gomez brächte eine körperliche Komponente mit, die der DFB-Auswahl gegen die kampfstarken Skandinavier gut zu Gesicht stehen würde.
3. Die Einstellung
Völlig egal, wer gegen Schweden auf dem Platz steht: Die Mannschaft muss eine ganz andere Mentalität an den Tag legen als im ersten Gruppenspiel.
Insbesondere vor der Pause agierten die deutschen Spieler viel zu lässig, ließen sich von den energischen Mexikanern leicht den Schneid abkaufen. Die Zweikampfquote in Halbzeit eins betrug unterirdische 38 Prozent.
Während die Mexikaner von Beginn an brannten und vor allem in der ersten Stunde der Partie um jeden Ball und Meter kämpften, war beim DFB-Team eher Business as usual angesagt - keinesfalls ausreichend für ein WM-Spiel.
Immerhin: Dieses Problem scheint die Mannschaft in all seiner Konsequenz erkannt zu haben. "Wir dürfen uns nicht noch so ein Spiel erlauben, egal wie lange das Turnier geht und egal wann - sonst fahren wir nach Hause", sagte Hummels. Kapitän Manuel Neuer erklärte: "Ich bin überzeugt davon, dass wir ein anderes Gesicht zeigen können und werden."
4. Die Kommunikation
Dass die deutsche Mannschaft gegen Mexiko erst sehr spät (einigermaßen) in die Spur kam, lag auch an der mangelnden Kommunikation. Die Spieler sprachen kaum miteinander, die Energie wurde stattdessen phasenweise für sinnloses Lamentieren in Richtung Schiedsrichter verschwendet.
Vor allem die Führungsspieler versäumten es, auf die vogelwilde Anfangsphase und die überraschende Taktik Mexikos zu reagieren und teamintern eine neue Marschroute vorzugeben. "Wir hatten auf dem Platz nicht die Bereitschaft, das selbst in die Hand zu nehmen, uns selbst zu organisieren", gab Neuer zu.
Prompt kamen in den vergangenen Tagen Gerüchte über eine Grüppchenbildung innerhalb des Kaders auf. "Sport Bild" berichtete vom Konflikt zwischen der "Bling-Bling"-Fraktion um Özil und Draxler sowie den Bayern-Spielern um Neuer, Hummels und Thomas Müller. Zudem soll es Probleme zwischen Weltmeistern und Confed-Cup-Siegern geben.
Müller dementierte die Spekulationen. Bei der Europameisterschaft 2012 sei "diese Grüppchenbildung" ein Thema gewesen, "aber davon ist heute gar nichts zu spüren". Gegen Schweden müssen die DFB-Stars diesen Worten auch Taten folgen lassen.
Tobias Knoop















