Weltmeister Thomas Müller sucht seine gewohnte WM-Form. Mit ihm schwächeln zahlreiche andere Stars aus dem Bayern-Block.
Thomas Müller ist in WM-Form. Darüber gab es bei der ersten Pressekonferenz der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im sonnigen Sotschi keinen Zweifel. Der Weltmeister scherzte und lachte wie zu besten Zeiten. Und doch: Vor dem ersten WM-"Finale" der DFB-Auswahl am Samstag gegen Schweden hapert es bei Müller ausgerechnet da, wo es einer altbekannten Fußball-Weisheit zufolge entscheidend ist: auf dem Platz.
"Es ist ja die Krux, dass man die Leichtigkeit nicht trainieren kann", sagte Müller am Mittwoch über Müller, den verhinderten WM-Torjäger. Dabei schien der Bayer eine eingebaute WM-Garantie zu haben: Torschützenkönig 2010 mit fünf Treffern, 2014 abermals fünf Tore. Vor dem so schwachen Start gegen Mexiko (0:1) schien nur der Zeitpunkt fraglich, wann Müller WM-Rekordtorjäger Miroslav Klose (16 Treffer) einholen würde.
Seither fragen sich viele: Was ist nur los mit dem Münchner? "Das Spiel ist nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe", sagte Müller. Nur "beim Aufwärmen" sei er frei zum Abschluss gekommen, "aber da war leider kein Gegner dabei". Müllers Fazit: "Ich war nicht zufrieden und muss analysieren: Was muss ich ändern?"
Keine Grüppchenbildung im DFB-Team
Müller steht damit an der Spitze einer ganzen Reihe von Bayern-Stars, die seit Wochen nach alter Stärke suchen. Einzig Kapitän Manuel Neuer scheint fündig geworden zu sein. Der Torwart musste wegen seiner Fußverletzung aber auch das bittere Champions-League-Aus gegen Real Madrid nicht hautnah miterleben. Dieses, sagte Müller kürzlich, "hat uns den Stecker gezogen".
Das wird nicht nur bei Müller und den anderen sechs Bayern-Profis im DFB-Team deutlich. Auch Polens Stürmerstar Robert Lewandowski oder James Rodríguez enttäuschten zum Auftakt. Und Thiago spielte beim spektakulären 3:3 der Spanier gegen Portugal nur eine Nebenrolle. Dabei hatte Klubpräsident Uli Hoeneß noch kurz vor der WM getönt: "Ohne die Spieler des FC Bayern wird man nicht Weltmeister. Sie werden entscheidend dazu beitragen, wenn man Erfolg haben will."
Mats Hummels sieht im Bayern-Block "eine gute Basis, ein kleines Korsett, auf das man sich immer verlassen kann". Gegen Mexiko, als fünf Bayern in der Startelf standen, sah das anders aus. Eine Kluft zu den anderen Stars hat Müller nicht ausgemacht. Bei der EM 2012 sei "diese Grüppchenbildung" Thema gewesen, "aber davon ist heute gar nichts zu spüren". Er selbst suche den Austausch mit den Kollegen, sagte er, auch bei der Tischbelegung sei er "variabel einsetzbar".
"Mischung aus Geduld und Zielstrebigkeit" ist gefragt
Diesen Zusammenhalt müsse die Mannschaft nun auf den Platz bringen, forderte er. Gerade gegen die abwehrstarken Schweden sei eine "Mischung aus Geduld und Zielstrebigkeit" gefragt. Diese zu finden sei ein bisschen wie die Suche nach dem "goldenen Kelch", meinte Müller und lachte.
Ernst wurde er, als er über die Kritik sprach. "Ich würde mir wünschen, ein bisschen weniger ins Persönliche zu gehen", sagte er. Doch es sei nun mal ein typisch deutsches Phänomen, die eigenen Helden nicht zu "pushen". Da brauche sich keiner wundern, wenn er mal "nicht so leichtigkeitig" rüberkäme.
So lief die DFB-Pressekonferenz mit Thomas Müller, Marco Reus und Oliver Bierhoff:
+++ Marco Reus über seine Leistung +++
"Ich bekomme die Zustimmung mit. Es liegt aber nicht in meiner Hand. Jedes Spiel ist anders. Ich hoffe, dass ich zum Einsatz komme. Wo ich dann spiele, ist mir eigentlich egal. Es muss für die Mannschaft am besten sein."
+++ Thomas Müller über die jungen Spieler +++
"Egal wer am Samstag spielt. Es ist wichtig, dass jeder seine Aufgaben erfüllt. Wir sind jetzt dabei, die Aufgaben noch klarer zu definieren. Wenn die Offensivspieler diese erfüllen, ist jeder in der Lage Tore zu schießen oder vorzubereiten."
+++ Thomas Müller über Leistung +++
"Wir haben leichtfertig gedacht, dass wenn das Turnier losgeht, dass wir dann mit einer Frische und unsere gewohnten Stärke auf dem Platz stehen. Das haben wir falsch eingeschätzt. Doch wir haben ähnliche Fehler begangen wie in den Testspielen. Das Umschaltspiel der Schweden wird nicht so gut sein wie das der Mexikaner."
+++ Thomas Müller über Hector und Plattenhardt +++
"Unsere linke Seite war im Spielaufbau isoliert, weil die Mexikaner das taktisch so wollten. Wie das gegen Schweden sein wird, wird nicht von der Personalie des Spielers abhängen."
+++ Thomas Müller über Gruppen +++
"Wir haben natürlich mehrere Tische. Da sitzen immer wieder Spieler, die privat was miteinander zu tun haben, zusammen. Auch dort bin ich variabel einsetzbar. Grundsätzlich sind wir da flexibel. 2012 hatten wir nicht die beste Chemie. Aber davon ist heute nichts zu spüren."
+++ Marco Reus über Startelfeinsatz +++
"Natürlich spricht man vorher über die Ziele. Ich war lange verletzt und habe langsam meinen Rhythmus gefunden. Für mich war es kein Problem, dass ich auf der Bank saß. Es stand vorher fest."
+++ Thomas Müller über Ballverluste +++
"Ballverluste entstehen, wenn man zu forsch agiert. Die Ursache kann technischer Natur sein aber kann auch durch Übermotivation entstehen. Die Mischung aus Geduld und Zielstrebigkeit ist extrem spannend. Das liegt ganz nah beieinander."
+++ Marco Reus über Ballverluste +++
"Die gemeinsame Sprache ist, weniger Ballverluste im Spielaufbau zu machen. Je weniger Ballverluste, desto besser sehen wir als Team aus."
+++ Thomas Müller über seine Leichtigkeit +++
"Diese Leichtigkeit wird hinterher attestiert. Den Überraschungsmoment kann man nicht trainieren. Das passiert nur, wenn man den Gegner problemlos bespielen kann. Wir machen auch viele Wege, die nicht zu einem Tor führen."
+++ Thomas Müller über seine Leistung+++
"Aus meiner Sicht ist es nciht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Beim Aufwärmen hatte ich noch einen Super-Abschluss. Die Spielweise der Mexikaner hat uns zu oft in Situationen gebracht, in denen die Schwächen der Spieler aufgezeigt wurden. Ich war nicht zufrieden, dass ich nicht zum Abschluss gekommen bin. Da muss ich mich auch hinterfragen, was ich verändern kann."
+++ Thomas Müller über das Mexiko-Spiel+++
"Grundsätzlich muss man sagen, dass das Spiel in den letzten Tagen sehr stark aufgearbeitet wurde. In Deutschland war es schon immer so, dass man das Gefühl hatte, dass man gepusht wird. Aber wir haben eine Angriffsfläche geliefert. Wir werden nie die richtige Antwort finden, sodass alle glücklich sind. Wir sind selbstkritisch genug, um die Situation zu analysieren. Der Druck ist enorm hoch. Wir werden sicherlich nicht die beiden Spiele gewinnen, wenn wir uns jetzt zu zerfleischen. Es bringt nichts die Fehler beim anderen zu suchen. Heute können wir die Fehleranalyse abschließen. Dann können wir wieder positiv nach vorne blicken."
+++ Bierhoff über Watutinki +++
"Ich traue mir schon zu, Dinge einzuschätzen. Ich kenne mich mit den logistischen Dingen aus. Ich glaube, dass es genau der richtige Weg ist. Ich kann mit der Kritik leben."
+++ Bierhoff über die Offensive +++
"Wir haben viele kreative gute Spieler, die die Fähigkeit haben, Löcher in die Abwehr zu reißen. Wir müssen die Wege in die Tiefe gehen. Das haben wir gegen Mexiko vermissen lassen. Die Schnelligkeit dafür haben wir. Trotzdem müssen wir auf Konter achten.
+++ Bierhoff über Führungsspieler +++
"Ich denke, dass von jedem Spieler eine Reaktion kommen wird und jeder weiß, dass wir nicht dass abgerufen haben, was wir leisten können. Die Spieler müssen Ruhe bewahren und ihre Qualitäten einbringen. Das wird von ihnen im nächsten Spiel erwartet."
+++ Bierhoff über Riss in der Mannschaft +++
"Das kann ich nur dementieren. Wir hatten einen schlechten Start und dann wird nach Ursachen gesucht. Ich sehe keine Konflikte innerhalb der Mannschaft."
+++ Bierhoff über Schweden +++
"Sie werden alles dicht machen. Es wird ein ganz hartes Spiel. Wir müssen gewinnen. Das bringt Schweden in eine andere Position. Wir müssen unser Spiel wieder dem Gegner aufdrängen. Wenn wir das einhalten und unsere Qualitäten zeigen, ist nicht so wichtig wie der Gegner spielt. Es wird mit Sicherheit ein zähes Spiel. Wir müssen Geduld haben."
+++ Bierhoff über Löws Festhalten an erfahrenen Spielern +++
"Ich bin auf der Seite der Trainer und der Mannschaft. Auch wenn Jogi den Eindruck erweckt hat, er hölt an Spieler fest, dann nur weil er eine Bestätigung der Spieler erhalten hat. Es ist verkehrt, ein oder zwei Spieler herauszunehmen. Jogi weiß, was er an erfahrenen Spielern hat. Einen Impuls wird es geben."
+++ Bierhoff über mögliche Wechsel +++
"Mehrere Punkte spielen eine Rolle. Es war keine Einstellungsfrage aber wir haben natürlich etwas vermissen lassen. Wir müssen aufpassen, dass es keine Kettenreaktion gibt und dürfen unsere Linie nicht verlieren. Das haben wir angesprochen. Die Trainer werden sich Gedanken machen, dass personell und taktisch passiert."
+++ Bierhoff über Mesut Özil +++
"Ich möchte keine Einzelkritik abgeben. Nach dem Spiel müssen wir mit der Kritik rechnen. Damit können wir umgehen. Der größte Teil der Kritik ist gerechtfertigt. Ich finde es aber schade, wenn es unter die Gürtellinie geht. Es sollte keine Häme geben. Das darf uns aber nicht beschäftigen."
+++ Bierhoff über die neue Umgebung +++
"Wir hatten einen großen Erfolg hier. Licht und Wärme spielen eine gewisse Rolle. Es war schön, hierher zu kommen und war in guter Break. Ich bleibe aber dabei, dass Moskau die richtige Wahl ist. Das Wetter darf einfach keine Rolle spielen."
+++ Bierhoff über die Stimmung im Team +++
"Jeder, der mal in einer Mannschaft gespielt hat weiß, wenn es um eine Aussprache geht, wie wichtig das ist. Wir wollten nicht in die Tagesordnung übergehen, sondern tiefer gehen. Die Spieler sollten sich einbringen. Wichtig war, dass wir das mit der gesamten Truppe gemacht haben. Es hat nicht so geknallt wie vielleicht früher. Aber es war sehr offen und ehrlich. Wir müssen einen guten Mix zwischen Fokussierung und Angespanntheit finden. Ruhe heißt aber nicht Gelassenheit, sondern einen Gewissheit in die eigene Stärke."
+++ Rechenspiele +++
Nach dem Sieg von Schweden gegen Südkorea bleibt die Situation für Deutschland in der Gruppe F prekär. Ein Ausscheiden ist bereits am Samstag möglich. Rechenspiele zum möglichen Vorrunden-Aus gibt es hier.
+++ Die Slogans der 32 Teams +++
Apropos #ZSMMN: Wir haben die Slogans aller WM-Teilnehmer zusammengestellt. Eine Übersicht gibt es hier.
+++ Grüppchen-Bildung statt #ZSMMN? +++
Mit dem Hashtag #ZSMMN (zusammen) startete das DFB-Team in die Mission Titelverteidigung. Doch von Teamgeist ist bislang wenig zu spüren. Offenbar sorgt Grüppchen-Bildung in der Mannschaft für Probleme. Mehr dazu hier.
+++ Rippenprobleme bei Boateng +++
Trotz leichter Rippenprobleme trainiert Innenverteidiger Jérôme Baotang normal mit.
+++ Bier-Knappheit in Moskau +++
Während wir auf die Spieler warten, erreicht uns eine traurige Nachricht aus Moskau: Den Bar-Besitzern geht das Bier aus. Sie haben wohl nicht mit dem immensen Bier-Durst der ausländischen Fans gerechnet. Wer nicht auf Wodka umsteigen will, ist aufgeschmissen.
+++ Sotschi? Da war doch was +++
Bundestrainer Joachim Löw startete das heutige Training auf einem Platz gegenüber dem WM-Stadion 'Fischt' in praller Sonne. Während der Übungen wurde der Rasen bei Temperaturen um 30 Grad immer wieder bewässert.
Für Löw und 13 seiner WM-Spieler ist es ein bekannter Ort. Schon beim Confed-Cup-Sieg im Vorjahr hatte das deutsche Team auf dem Übungsplatz mit Blick auf einen großen Vergnügungspark in Sotschi trainiert.
+++ Gute Nachrichten +++
Jonas Hector ist nach überstandenem Infekt ins Training der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zurückgekehrt. Der Kölner Abwehrspieler, der das erste WM-Gruppenspiel verpasst hatte, war heute bei der ersten Übungseinheit des DFB-Teams in Sotschi wie alle anderen 22 WM-Spieler dabei.
Wer sich das Training rückblickend anschauen möchte, kann das hier tun.
+++ Neuers offene Worte +++
Nachdem die DFB-Kicker am Montag einen medienfreien Tag genießen durfte, musste sich Manuel Neuer am Dienstag der Öffentlichkeit stellen. Der Keeper bemängelte unter anderem fehlende Bereitschaft. Mehr dazu hier.








