Mehr als 250 Rookies kommen jedes Jahr in die NFL, manche mit viel Hype und hohen Erwartungen, andere eher unter dem Radar und mit nicht mehr als einer Backup-Rolle zum Start. Die Narrative rund um die neuen Talente können sich jedoch schon nach wenigen Wochen verändern. NFL-Experte Adrian Franke hält euch auf dem Laufenden: Ein Mal pro Monat kürt er für sport.de seinen Rookie des Monats und erklärt, welchen Youngster man besonders im Auge haben sollte.
In dieser Ausgabe blicke ich zurück auf die Saison und mache einen Haken an das Rookie-Jahr 2023 - mit meinem All-Rookie-Team für die gesamte Saison.
NFL: Das Adrian Franke All-Rookie-Team 2023
Quarterback: C.J. Stroud, Houston Texans
Die vermutlich einfachste Wahl in dieser gesamten Liste. Stroud hatte eine spektakuläre Rookie-Saison, in der er zeigte, dass Houston seinen nächsten Franchise-Quarterback gefunden hat.
Dabei beantwortete Stroud die größten Fragezeichen, die ihn im Pre-Draft-Prozess begleitet hatten, eindrucksvoll. Mit das größte Thema bei Stroud vor dem Draft war die Frage danach, ob sein letztes College-Spiel - ein sensationelles Playoff-Spiel gegen eine historische Georgia-Defense - ein Ausreißer war, oder ob seine Out-of-Structure-Plays, und die spektakulären Würfe Off-Platform, sich auf die NFL übertragen würden.
Stroud kreierte vom Start weg auch außerhalb der Struktur, vor allem aber bei mir hängen geblieben ist die Aggressivität, mit der er Defenses attackierte. Hier war keine Angst vor dem NFL-Speed oder den komplexeren NFL-Coverages zu sehen. Stroud war spektakulär, aber er war auch in den Nuancen weiter, als das im Konsens vor dem Draft angenommen wurde. Das führte zu einer der besten Rookie-Quarterback-Saisons der letzten zehn Jahre.
Stroud war bereits im November mein Rookie des Monats.
Running Back: De’Von Achane, Miami Dolphins
Bei den Running Backs ist es ein klar definierbarer Dreikampf: Bijan Robinson hatte in Atlanta nicht die Saison, die man sich im Vorfeld erhofft hatte, auch weil er schlicht nicht die Masse an Snaps und Runs bekam, die man in einer Run-heavy-Offense für einen so hoch gepickten Running Back erwarten würde. Mitunter aber war die Kritik auch zu laut: Robinson hatte in der Regular Season 214 Runs und fing zusätzlich 58 Pässe, beides die Topwerte für Rookie-Running-Backs in der vergangenen Saison.
Es war eine “gute” Saison, für mich landet Robinson auf Platz 3. Platz 2 gehört Jahmyr Gibbs, dessen Big-Play-Qualitäten überdeutlich sichtbar waren: Detroit führte ihn langsam heran und gerade in puncto Pass-Blocking hatten die Lions doch lieber David Montgomery auf dem Platz, aber Gibbs fand seine Rolle, lief für 945 Yards und zehn Touchdowns und war ein konstanter Faktor im Passspiel.
Beide aber stürmten nicht mit diesem Knall auf die Bühne, mit dem De’Von Achane die NFL eroberte. Verletzungsbedingt absolvierte er in der Regular Season vier Spiele weniger als Gibbs und hatte exakt 80 Runs weniger - landete aber nur 141 Rushing-Yards hinter Gibbs, weil Achane absurde 7,9 Yards pro Run verzeichnete.
Miamis Drittrunden-Pick legte bei 102 Runs 13 Runs über mindestens 15 Yards auf - das war der sechstbeste Wert in der NFL. Zum Vergleich: Najee Harris hatte 14 solcher Runs - bei über 150 Runs mehr. Achane war der einzige Running Back, der mit weniger als 180 Rushing-Versuchen über 800 Rushing-Yards auflegte; Achane brauchte nur etwas mehr als die Hälfte. Und auch seine 6,9 Yards pro Catch waren einer der besten Werte unter allen Rookie-Running-Backs, bei 28 Catches gelangen ihm drei Touchdowns. Nur Bijan Robinson hatte unter den Rookies noch einen mehr, und Robinson fing 30 Bälle mehr.
Wide Receiver: Puka Nacua, Los Angeles Rams
Was C.J. Stroud bei den Quarterbacks ist, ist Puka Nacua bei den Receivern. Zwar hatte Nacua mehr hochklassige Konkurrenz, doch auch er war so klar der beste Rookie auf seiner Position, dass sich Diskussionen mehr oder weniger erübrigen.
Der Fünftrunden-Pick übernahm infolge der Verletzung von Cooper Kupp zum Saisonstart direkt die Rolle des Nummer-1-Receivers, und selbst die optimistischsten Rams-Scouts dürften nicht erwartet haben, was dann passierte. Das Route-Running, die Toughness, die Konstanz, das Gefühl für Coverage Zones, die spektakulären Catches - Nacua brachte vom Start weg alles mit und brach diverse Rookie-Receiver-Rekorde.
Würden wir Nacua ausklammern, gäbe es dahinter eine interessante Diskussion. Rashee Rice wurde ein wichtiger Bestandteil der Chiefs-Offense, Tank Dell wurde sehr schnell eine der ligaweit gefährlicheren Big-Play-Waffen, Zay Flowers mauserte sich zum Nummer-1-Receiver in Baltimore und in Minnesota kratzte Jordan Addison an den 1.000 Yards. Es war eine weitere gute Receiver-Klasse mit zehn, zwölf Spielern, die direkt in ihrer ersten Saison einen Impact hatten.
Nacua war bereits im ersten Monat der Saison mein Rookie des Monats.
Tight End: Sam LaPorta, Detroit Lions
Es ist selten, dass ein Tight End direkt in seiner ersten Saison einen großen Impact hat. Die Position ist kompliziert, die Blocking-Aufgaben viel anspruchsvoller als im College, und Linebacker und Safeties viel athletischer, sodass der “natürliche” Mismatch-Faktor nicht automatisch so gegeben ist.
In der vergangenen Saison gab es aber gleich mehrere Tight Ends, die relevante Rollen spielten: Dalton Kincaid in Buffalo, Luke Musgrave und Tucker Kraft in Green Bay - aber Sam LaPorta überragte alle deutlich.
Unter allen Tight Ends hatten nur Evan Engram, T.J. Hockenson und Travis Kelce in der Regular Season mehr Catches. LaPorta führte alle Tight Ends mit zehn Touchdown-Catches an - kein anderer hatte mehr als sechs. In Yards pro gelaufener Route beendete er die Regular Season unter Tight Ends mit mindestens 50 Targets auf Platz 6.
LaPorta spielte über die Hälfte seiner Pass-Snaps im Slot (26,9 Prozent) und Outside (26,3 Prozent), er war nach Amon-Ra St. Brown der zweitwichtigste Passfänger in Detroit.
LaPorta war bereits im Dezember mein Rookie des Monats.
Offensive Line: Dawand Jones, Cleveland Browns
Ähnlich wie bei Tight Ends ist es auch bei Offensive Linemen nicht selten, dass diese Spieler ein, manchmal zwei Jahre brauchen, um in der Liga anzukommen. Natürlich gibt es Ausnahmen wie etwa Tristan Wirfs oder Rashawn Slater, wenn wir auf die letzten Jahre schauen. Aber mindestens genauso häufig sehen wir Spieler wie Andrew Thomas, Bernhard Raimann, Kaleb McGary oder, wenn auch in geringerem Ausmaße, Austin Jackson, die eine gewisse Anlaufphase brauchen.
Den Überflieger, der sofort einschlägt, gab es in der vergangenen Saison nicht. Es gab viele Spieler, die eine sehr solide erste Saison hingelegt haben, auf der man aufbauen kann: Peter Skoronski, Darnell Wright, Broderick Jones und Paris Johnson, um einige Beispiele zu nennen.
Der eine Spieler, der sich am ehesten ein wenig absetzen konnte, ist Dawand Jones. Der Viertrunden-Pick, der verletzungsbedingt früh in die Startformation gespült wurde, fand sich insbesondere als Pass-Blocker überraschend gut zurecht. Jones konnte seinen riesigen Frame schnell gut einsetzen, bei 419 Pass-Blocking-Snaps ließ er nur 21 Pressures zu - acht davon in seinen ersten drei Starts. Die Browns haben hier an Tag 3 des Drafts einen Starter gefunden - das könnte es ihnen erlauben, Jack Conklin via Trade abzugeben.
Defensive Tackle: Jalen Carter, Philadelphia Eagles
Carter legte los wie die Feuerwehr: In seinen ersten sechs NFL-Spielen gelangen ihm herausragende 27 Quarterback-Pressures und vom ersten Spiel weg war der Rookie eine tragende Säule in der Eagles-Front. Das war umso essenzieller, da Philadelphias Pass-Rush um Carter herum nicht die Dominanz vergangener Jahre ausstrahlte, und zusätzlich mit Javon Hargrave eine feste Größe ersetzt werden musste.
Carter hatte einen kleinen Durchhänger in der Saisonmitte, hatte aber auch in der zweiten Saisonhälfte absolut dominante Spiele: Gegen Buffalo etwa, gegen Seattle, oder auch in Woche 18 gegen die Giants. Eventuell wird Snap-Management ein Thema bei ihm bleiben, vielleicht gewöhnt er sich schrittweise aber auch an eine größere Workload. In jedem Fall war er einer der dominantesten Rookie-Verteidiger dieser Saison.
Edge: Will Anderson, Houston Texans
Genau wie Carter war auch Will Anderson einer der besten Spieler auf seiner Position - nicht unter Rookies, sondern ligaweit. Seine Pass-Rush Win Rate war in der Top 20 unter Edge-Rushern, seine True Pass Set Win Rate in der Top 15, und das, obwohl Anderson schon als Rookie sehr häufig gedoppelt wurde.
Vor allem aber war Anderson ein kompletter Edge-Verteidiger, und das war auch seine stärkste College-Trumpfkarte. Anderson war kein Elite-Pass-Rush-Prospect, aber ein guter Pass-Rusher und ein sehr guter Run-Verteidiger. Das übertrug sich nahtlos auf sein Spiel in der NFL.
Linebacker: Ivan Pace, Minnesota Vikings
Der einzige ungedraftete Spieler in meinem All-Rookie Team. Das liegt einerseits daran, dass Linebacker eine Position ist, die sich wahnsinnig schwer vom College auf die NFL projecten lässt und wo auch hoch gepickte Spieler häufig mehrere Jahre brauchen, um so richtig auf dem nächsten Level anzukommen.
Andererseits aber liegt es auch daran, dass Pace in der für ihn perfekten Situation gelandet ist, und deshalb seine Stärken direkt voll ausspielen konnte. In Brian Flores’ aggressiver Blitzing-Defense konnte Pace aggressiv nach vorne verteidigen und seine Explosivität bestmöglich einsetzen. 15 Quarterback-Pressures verzeichnete er, 109-mal (!) ließ Flores ihn auf den Quarterback los.
Pace wäre für sehr viele Defenses kein guter Fit, unter anderem weil er vergleichsweise klein ist, weshalb er im Draft nicht ausgewählt wurde. In Minnesota aber passt er ideal und sollte als klarer Starter in die kommende Saison gehen.

Cornerback: Devon Witherspoon, Seattle Seahawks
Witherspoon war auch in der NFL exakt der Impact-Verteidiger, der er im College bereits war, was ihn zu einem Top-5-Pick gemacht hat: Ein exzellenter Slot-Cover-Corner, der aber mit Physis den Run attackiert und der auch als Blitzer eine echte Bedrohung darstellt.
Seine Antizipation, seine Explosivität, gepaart mit den Instinkten und der permanenten Bereitschaft, mit Physis zu attackieren macht ihn genau zu der Art Slot-Verteidiger, die mehr und mehr der goldene Standard auf der Position und essenziell für moderne NFL-Defenses geworden ist.
Witherspoon war bereits im Oktober mein Rookie des Monats.
Safety: Brian Branch, Detroit Lions
Bis heute ist es für mich schwer nachvollziehbar, warum Branch erst an Pick 45 in der zweiten Runde ausgewählt wurde. Gerade vor dem Hintergrund, dass dieser Spielertyp, dieser Slot-Safety-Hybrid, der innen covern und den Run verteidigen kann, und gute Instinkte sowie ein hohes Maß an Spielverständnis hat, zunehmend heiß begehrt ist.
Branch war genau das in seiner ersten NFL-Saison. Er machte viele Plays am Ball, seine elf Pass-Breakups wurden nur von vier Cornerbacks übertroffen. Drei Interceptions gelangen Branch in seiner ersten Saison, seine 1,04 Yards pro Slot-Coverage-Snap waren Platz 8 unter allen Slot-Verteidigern mit mindestens 300 Coverage Snaps.
Adrian Franke





































