Der FC Bayern München hofft auf eine magische Nacht gegen Manchester City, doch die Lage scheint aussichtslos - obwohl zumindest Stürmer Eric Maxim Choupo-Moting vor einem (Startelf)-Comeback steht.
Thomas Tuchel lachte, als er vor der Münchner "Mission Impossible" zum vermeintlichen Heilsbringer hochstilisiert wurde. "Ein Wunder? Ich?", sagte der Bayern-Trainer angesichts der fast hoffnungslosen Situation vor der unmöglich erscheinenden Aufholjagd gegen Manchester City, "wir werden sehen. Ich werden mein Bestes geben." Dass es reichen wird, konnte und wollte der 49-Jährige allerdings nicht versprechen.
Schließlich spricht vor dem Viertelfinal-Rückspiel am Mittwoch (21:00 Uhr/DAZN) scheinbar alles gegen den deutschen Fußball-Rekordmeister - allen Beschwörungen von Oliver Kahn zum Trotz. Die schwere Hinspiel-Hypothek, die an Wundern arme Historie der Königsklasse, der bärenstarke Gegner mit "Tormonster" Erling Haaland und Rückkehrer Pep Guardiola - und erst recht die eigene Krise.
"Wir müssen alles reinhauen, um das scheinbar Unmögliche noch möglich zu machen", forderte Vorstandschef Kahn unverdrossen - wohl wissend, dass ein Scheitern auch auf die ohnehin angeschlagenen Bosse zurück fiele. Tuchel bekräftigte kämpferisch: "Es ist erst vorbei, wenn wir nach dem Rückspiel unter der Dusche stehen." Doch obwohl er den FC Bayern nicht "im Niedergang" sieht, wie ein Reporter ketzerisch unkte - viele Argumente hat er nicht.
Da mag City-Teammanager Guardiola noch so vehement vor dem "top, top, top Team" der Münchner warnen. Aus seinen drei Jahren dort (2013-16) wisse er: "Wenn du auch nur ein bisschen passiv bist, wirst du leiden." Doch sind die Tuchel-Bayern wirklich reif für eine magische Nacht?
Die Zweifel sind riesig, erst recht nach dem bitteren 0:3 auf der Insel und der verpatzten Generalprobe gegen Hoffenheim (1:1). Der erschreckend schwache Auftritt habe "nicht dazu beigetragen, dass alle 100 Prozent daran glauben", gab Tuchel zu. Deutlich wahrscheinlicher als ein sensationeller Halbfinal-Einzug ist das dritte vorzeitige Aus in Serie - das gab es zuletzt 2009.
FC Bayern kann wohl wieder auf Choupo-Moting bauen
Aber aufgeben? Gibt's nicht! "Wir wissen, dass im Fußball schon ganz andere Dinge passiert sind", sagte Kapitän Thomas Müller, der das Abschlusstraining mit einem Lächeln aufnahm. Der FC Bayern hat in seiner über 60-jährigen Europacup-Historie zwar noch nie einen Rückstand von drei oder mehr Toren wettgemacht - vier anderen Klubs ist es in der Champions League aber gelungen.
Kahn glaubt, das Rezept zu kennen. "Dazu braucht es die totale Überzeugung und den Glauben daran", meinte er und ergänzte vermeintlich optimistisch: "Mit der Unterstützung der Fans in der Arena ist alles machbar. Das habe ich selbst oft genug erlebt." Ein Wunder herbeizureden werde jedoch nicht gelingen, betonte Tuchel: "Nur von einem 4:0 oder 5:1 zu sprechen - ich weiß nicht, ob das angebracht ist."
Ein paar wenige Mutmacher gibt es: Sturmspitze Eric Maxim Choupo-Moting ist wieder fit und könnte die Offensivprobleme beheben.
"Wir müssen die Reaktion des Knies nach dem Training abwarten. Heute war die Reaktion gut. Wenn er morgen nach dem Aufwachen Grünes Licht gibt, ist er dabei. Choupo würde uns eine weitere Alternative bieten", sagte Tuchel.
In den jüngsten vier Pflichtspielen glückten nur drei Tore, allesamt erzielt von Abwehrspielern. City verlor unter Guardiola (seit 2016) dreimal mit drei oder mehr Toren Differenz, zuletzt 2018 gegen Liverpool - mit Torschütze Sadio Mané.
Der Senegalese, nach seiner Suspendierung wegen des handfesten Kabinenstreits mit Leroy Sané zurück im Kader, traf sieben Mal gegen die "Himmelblauen" und ist ein Wunderspezialist: 2019 kam er mit den Reds gegen Barcelona nach einem 0:3 im Hinspiel noch weiter.
Wie das geht? Das Ziel sei zunächst, "die erste Halbzeit zu gewinnen und den Glauben zu finden", sagte Tuchel, der die letzte Einheit dick eingemummelt mit Mütze und Schaltuch leitete: "Aber glauben bedeutet nicht, zu träumen. Wir haben Zeit und brauchen uns nicht gehetzt fühlen."
City kommt mit dem Selbstvertrauen von zehn Siegen in Serie, Torgarant Haaland traf in den vergangenen sechs Spielen unglaubliche 14-mal. Kapitän Ilkay Gündogan aber sieht bei den Bayern "vor allem zu Hause die Qualität, gegen jeden Gegner mehrere Tore zu erzielen" und mahnte: "Es gab etliche Comebacks, mit denen absolut niemand gerechnet hatte."
Neben Tuchel hat sich auch Verteidiger Benjamin Pavard am frühen Dienstagabend den Fragen der Presse gestellt. Die wichtigsten Aussagen gibt es hier zum Nachlesen:
+++ Tuchel über Man City +++
"Ich bin nicht zu sehr besorgt. Ich weiß, was Man City erreichen will. Das Ding ist: Sie sind in Top-Form. Viele Mannschaften sind in ein Tief gefallen, sie nicht. Sie sind die Benchmark in Europa. Wir wollen aber morgen gewinnen."
+++ Tuchel über sein Erfolgsrezept für Mittwoch +++
"Es ist ein hoher Berg, den wir da erklimmen müssen. Wir glauben an uns, aber wollen nicht träumen. Du darfst keine Sekunde schlafen. Wir haben es in unserer Hand."
+++ Tuchel über Choupo-Moting, Teil II +++
"Wir müssen die Reaktion des Knies nach dem Training abwarten. Heute war die Reaktion gut. Wenn er morgen nach dem Aufwachen Grünes Licht gibt, ist er dabei. Choupo würde uns eine weitere Alternative bieten."
+++ Tuchel über das wankende "Mia san Mia"-Gefühl +++
"Ich glaube nicht, dass wir uns in einem Absturz befinden. Es gab viele Wechsel, wir brauchen etwas Zeit. Wir sind zehnmal in Folge Deutscher Meister geworden und waren dreimal in Folge im Viertelfinale. Ein Absturz ist etwas anderes. Wir müssen morgen an die Grenze gehen, alles ist möglich."
+++ Tuchel über seine taktischen Erwartungen und Thomas Müller +++
"Es kommt darauf an, was für ein Spiel wir trotz der Ausgangslage erwarten. Ich glaube, Manchester City wird sich freimachen und so spielen, als hätte es das Hinspiel nie gegeben. Ich erwarte tiefen Ballbesitz, da müssen wir schlau sein. Wir haben vielleicht keinen, der in der Box so mutig und so schlau ist wie Thomas. Die Frage ist, ob wir ihn von Anfang an bringen oder einwechseln."
+++ Tuchel über Mané und das "Wunder" +++
"Wir werden sehen. Wir brauchen eine gute Mischung aus Realismus und dem Glauben, dass im Maximumlevel im Fußball alles passieren kann. Wir müssen den Funken überspringen lassen. Sadio wird dabei sein. Das andere Thema ist seit Donnerstag abgehakt. Wir brauchen das Momentum in den entscheidenden Situationen, in denen das Spiel auf unsere Seite kippen kann. In Manchester hatten wir das nicht. Ohne das wird es nicht gehen. Uns ist allen klar, was für eine Aufgabe auf uns wartet und dass sie extrem schwer ist. Es geht morgen erstmal um die erste Halbzeit. Wir haben morgen Zeit. Die Inkonstanz, auch in Spielen, ist in dieser Saison das Thema. Es begleitet uns durch Spiele und Trainingswochen, wir wollen das anders haben und sind dran."
+++ Tuchel über die Abwehrspieler-Tore +++
"Gute Frage. Es lohnt sich, die Spiele einzeln zu betrachten. In Freiburg hatten wir eine Vielzahl von Möglichkeit, gegen Hoffenheim hatten wir ausreichend Chancen, um mehr Tore zu erzielen. Es fehlt uns Leichtigkeit, Selbstvertrauen. Uns fallen die Sachen schwer, wir denken viel nach. Das merkt man uns an. Alles sieht schwerer aus als es im April und Mai sein sollte. Es kann aber auch schnell gehen und der Knoten platzt."
+++ Tuchel über Haaland +++
"Er ist nicht mein Spieler, ich würde mich also ungern äußern. Wenn er alleine spielt, ist er auch einsam."
+++ Tuchel über ein mögliches Viertelfinal-Aus +++
"Ab dem Viertelfinale gehört alles mit dazu, auch die Auslosung oder Pech oder die Frage: 'Hast du gerade Top-Form?'. Es ist eine Herausforderung, gegen Manchester City zu spielen, die seit Wochen eine herausragende Form haben. Das Viertelfinale ist für mich das Mindestziel. Die Top acht gehören für mich zur Spitze Europas."
+++ Tuchel über Choupo-Moting +++
"Ja." - Auf die Frage, ob er ein Kandidat für die Startelf sei
+++ Tuchel über Upamecano +++
"Ich denke nicht, dass das Duell mit Erling Haaland das Problem war, sondern die Entscheidungen, die er getroffen hat. Es macht keinen Sinn, mit dem Finger auf ihn zu zeigen. Auf so einem Niveau sind wir einfach bestraft worden. Wir haben vollstes Vertrauen in ihn, er ist noch jung."
+++ Tuchel, ein "einsamer Rufer im Wald?" +++
"Bei einem 0:3 fühlt man sich wie ein einsamer Rufer im Wald. Wenn wir gegen Hoffenheim 2:1 gewonnen, wäre ich genauso unzufrieden gewesen mit der Leistung."
+++ Tuchel über die Vorbereitung und die Ansprache +++
"Wir können nur kein Wunder herbeireden. Es wäre fast ein Wunder, wenn wir es schaffen. Bei einem 3:0 gehört es dazu, eine realistische Ebene reinzubringen. Ich weiß nicht, ob das Samstagsspiel dazu beigetragen hat, dass wir alle zu 100 Prozent daran glauben. Wenn wir beide Halbzeiten gewinnen und dazu das Quäntchen Glück haben, das wir im Hinspiel nicht hatten, können wir es schaffen. Es geht darum, den Glauben zu haben, aber nicht zu träumen. Wir müssen was dafür zu tun und eine absolute Top-Leistung bringen, Halbzeit für Halbzeit. Wir wollen die erste Halbzeit gewinnen, das ist der erste Schritt. Wir haben morgen Zeit und fühlen uns nicht gehetzt."
+++ Jetzt aber! +++
Tuchel ist da!
+++ Tuchel lässt sich Zeit +++
Der Bayern-Coach ist auf dem Weg zum Presseraum. Gleich sollte es losgehen.
+++ Pavard ist durch - gleich kommt Tuchel! +++
In wenigen Momenten geht es hier weiter.
+++ Pavard über die Rückkehr von Choupo-Moting +++
"Choupo spielt eine gute Saison. Er kommt morgen zurück. Ich weiß aber nicht, ob er morgen spielen wird. Das muss der Trainer entscheiden."
+++ Pavard über die "Frankreich-Connection" und Torwart Sommer +++
Wir haben viele Franzosen im Team, das läuft sehr gut. Auch der Torwart ist sehr gut."
+++ Pavard über Tuchel und Nagelsmann +++
"Mit dem Trainer läuft es sehr gut. Er steht den Spielern sehr nah. Ich möchte nicht unterscheiden zwischen beiden Trainern. Ich lerne jeden Tag dazu."
+++ Pavard über seine Position am Mittwoch +++
"Ich bereite mich für jedes Spiel als Innen- oder Rechtsverteidiger vor. Ich weiß noch nicht, wo ich morgen spielen werde."
+++ Pavard über Mané +++
"Er ist ein großer Spieler und ein Profi. Wir haben ihn natürlich wieder willkommen geheißen. Aber der Trainer entscheidet, wer spielt."
+++ Pavard über seine Goalgetter-Rolle zuletzt +++
"Meine Rolle ist in der Abwehr. Wenn wir Abwehrspieler Tore schießen können, ist das natürlich gut für das Team. Wenn mir der Ball vor die Füße kommt, mache ich ihn gerne rein."
+++ Pavard über die aktuelle Phase des FC Bayern +++
"Wir haben gerade schwierige Momente, das ist richtig. Im DFB-Pokal hatten wir gute Momente, wir haben gerade aber Probleme, den Ball ins Tor zu bringen. Morgen werden wir unser Bestes geben. Wir sind motiviert und in bester Form."
+++ Pavard über Haaland +++
"Er ist ein großer Spieler und zeigt das jedes Wochenende. Er erzielt immer Tore und ist einer der besten Neuner der Welt. Aber wir dürfen uns nicht nur auf ihn konzentrieren. Es gibt auch andere Spieler."
+++ Pavard über ein mögliches Fußballwunder +++
"Warum nicht? Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass sowas möglich ist. Wenn wir Möglichkeiten bekommen, wollen wir sie nutzen."
+++ Bayern-Abwehrstar Pavard auf die Frage, ob er bereit sei +++
"Ja, wir sind bereit. Wir wissen, dass das Hinspiel nicht gut war. Unser Publikum zu Hause wird eine Hilfe sein. Wir werden alles tun, um das Spiel zu gewinnen."
++ Gleich geht's los! +++
Um 17:30 Uhr erwarten wir Thomas Tuchel und Benjamin Pavard auf dem Podium.
+++ Für das Bayern-Wunder müsste ein Novum her +++
Im Viertelfinale feierte der FC Bayern zuletzt am 21. April 2015 vor heimischer Kulisse einen Sieg, der deutlich genug ausfiel, um einen 0:3-Rückstand aufzuholen. Damals hieß der Gegner beim 6:1 allerdings FC Porto und galt ohnehin als klarer Außenseiter.
Gegen ManCity konnte der Bundesligist in bislang sieben Champions-League-Partien dagegen nie mit mehr als zwei Toren Unterschied gewinnen.
+++ Was sagt Pavard zu seiner Zukunft? +++
Mit Benjamin Pavard wird ein Bayern-Spieler heute auf der PK sprechen, der seit Monaten immer wieder mit einem Abschied aus München in Verbindung gebracht wird. Zuletzt wurde berichtet, dass aktuell Funkstille zwischen dem FC Bayern und dem Franzosen, dessen Vertrag 2024 endet, herrscht.
Ab 17:30 Uhr dürfte Pavard mit Fragen nach seiner Zukunft konfrontiert werden.
+++ Viele Nebenkriegsschauplätze nach Pleite des FC Bayern +++
Tore von Rodri, Bernardo Silva und Erling Haaland besiegelten die klare 0:3-Pleite des FC Bayern im Hinspiel des Viertelfinales der Champions League gegen Manchester City.
Auch abseits des Rasens bot die Partie einigen Zündstoff: Zwischen den Bayern-Stars Sadio Mané und Leroy Sané kam es im Nachgang zu Handgreiflichkeiten, die UEFA entließ einen Mitarbeiter, der den deutschen Rekordmeister im Ticker des europäischen Dachverbandes mit Häme bedacht hatte und die Münchner Dayot Upamecano und Yann Sommer sahen sich teils heftiger Kritik ausgesetzt. Wie beurteilt Tuchel seinen stürmischen Start an der Isar?
