Nach dem Gold-Märchen von Innsbruck reichten Markus Eisenbichlers Kräfte nicht einmal mehr für seinen geliebten Schuhplattler. "Naaa, heute gehts nicht mehr. Meine Oberschenkel sind blau, ich bin fix und fertig, habe ziemlich Klötze an den Beinen", sagte der frischgebackene Skisprung-Weltmeister mit Bedauern in der Stimme: "Aber ich habe meine Lederhosen dabei, irgendwann die Woche wird es noch einen geben - auf alle Fälle!"
Die Siegerehrung auf der Seefelder Medal Plaza war knapp zwei Stunden nach dem Wettkampf seines Lebens noch einmal mächtig in die Beine gegangen: "Eisei" hüpfte auf das Podest, sprang jubelnd in die Luft und strahlte mit seinem Zimmerkollegen Karl Geiger um die Wette. Dessen Silber hatte das deutsche Schanzenglück perfekt gemacht. "Das wird mir nie mehr aus dem Herzen gehen", sagte Eisenbichler.
Werner Schuster: "Das ist ein kleines Märchen"
Einen deutschen WM-Doppelsieg hatte es zuletzt 1999 in Ramsau durch Martin Schmitt und Sven Hannawald gegeben, nun trat das "fliegende Doppelzimmer" Eisenbichler/Geiger in die Fußstapfen der einstigen Granden. "Das ist ein kleines Märchen", sagte der zum Saisonende scheidende Bundestrainer Werner Schuster nach der Krönung seiner elfjährigen Amtszeit sichtlich gerührt: "Markus hat so viele Niederlagen eingesteckt in seinem Leben. Ich kenne kein Stehaufmännchen wie ihn."
Kein Wunder also, dass auch Olympiasieger Andreas Wellinger und Richard Freitag am Abend zwischen den Fans standen, um ihren Champion zu feiern. Als dann endlich die Goldmedaille um den Hals des 27-Jährigen baumelte und die Hymne ertönte, brach noch einmal alles aus Eisenbichler heraus, der neue Weltmeister sang lauthals und mit Tränen in den Augen mit. "Die bayerische und die deutsche Hymne lernt man schon im Kindergarten. Da muss man textsicher sein", sagte Eisenbichler und grinste.
"Hirnfürze" beim "extremen Typen" Eisenbichler
Bis zum WM-Gold war es jedoch ein weiter Weg. Nach einem schweren Sturz im September 2012 drohte dem Urbayern sogar das Karriereende, auf den ersten Weltcupsieg wartet er bis heute, nach jedem kleinen Erfolg ging es auch wieder bergab. "Markus ist einfach ein extremer Typ. Er hat immer mal wieder eigene Ideen, man könnte es fast als Hirnfürze bezeichnen. Da muss man ihm auch helfen, damit er sich nicht verläuft", sagte Schuster.
Am Samstag ging das alles auf. Nach Traumflügen auf 131,5 und 135,5 m lag Eisenbichler mit 279,4 Punkten deutlich vor Geiger (267,3/131,0+130,5), der seine erste Einzelmedaille bei einem Großereignis gewann. "Mit meinem Zimmerspez'l auf dem Podest, das ist obergeil", sagte Eisenbichler. Der Schweizer Außenseiter Killian Peier (266,1), der nach dem ersten Durchgang überraschend geführt hatte, musste die beiden Deutschen vorbeiziehen lassen und holte Bronze.
Für Eisenbichler begann ein wahrer Interview-Marathon, erst spät am Abend im Hotel stieß er auf dem Zimmer mit seinen Kollegen auf den Erfolg an. "Weltmeister - das klingt ganz okay. Ich bin aber trotzdem noch der Gleiche, und da bin ich stolz drauf", sagte Eisenbichler und begab sich ins Reich der Träume. Der erstmals bei Olympia 2018 aufgeführte Schuhplattler musste warten.