Im zweiten Teil des großen sport.de-Interviews spricht Lions-Erfolgstrainer Troy Tomlin über das steigende Interesse am Football, den Vergleich mit der NFL und seine persönliche Erfolgsgeschichte in Braunschweig.
In Deutschland hat das Interesse vor allem durch den Superbowl in den letzten Jahren einen enormen Boom erfahren. Hat sich das auch in der GFL schon in Form von steigenden Zuschauerzahlen oder einem Anstieg der Spieler im Amateur- und Jugendbereich bemerkbar gemacht?
Es ist wichtig, dass die NFL-Spiele jetzt im TV gezeigt werden. Wir hatten im letzten Jahr ein paar Jungs, die sich die Spiele angesehen haben und deshalb zu unseren Jugendteams gekommen sind. Es gibt so viele verschiedene Positionen im Football. Da ist für jeden Körpertyp etwas dabei, egal ob man klein und schnell oder groß und kräftig ist. Ich denke, das ist etwas Besonderes.
Wann immer wir etwas über die Sportart zeigen können, sollten wir das tun. Das ist gut für das Interesse von Jugendlichen. Auch um neue Fans zu gewinnen ist das wichtig. Manche wissen gar nicht, dass wir hier in Braunschweig überhaupt Football spielen. Dann sehen sie Spiele im Fernsehen und kommen danach zu uns, um uns zu unterstützen. Deshalb glaube ich, dass das eine gute Werbung für unser Spiel ist.
Kann Football in Deutschland einen ähnlichen Stellenwert wie in den USA erreichen?
Ich glaube, dass Social Media und das Internet sehr dabei helfen können, Football hier zu einer großen Sportart zu machen. Hoffentlich können wir den Sport in Europa weiterentwickeln und neue Fans gewinnen, die dann zu den Spielen kommen. Das ist wie in Amerika, wo Fußball nicht die Nummer Eins ist, aber sich die MLS in den letzten Jahren enorm entwickelt hat und immer größer geworden ist. Ich glaube, wir können so etwas in Europa mit Football auch erreichen.
Wie schätzen Sie das spielerische Niveau der GFL im Vergleich mit der NFL ein?
Ich weiß es nicht. Ich glaube, das Niveau ist irgendwo auf Höhe der zweiten Liga oder der College-Liga. Das ist wirklich schwer zu vergleichen.
Welche Chancen haben Ihre Topspieler, den Sprung in die NFL zu schaffen?
Das ist schwer. Aber hin und wieder haben wir einige Spieler, die es schaffen. Vor einigen Jahren wurde unser Wide Receiver Christian Bollmann zu den Tryouts eingeladen. Und vor zwei Jahren hat Anthony Dablé noch bei uns gespielt. Jetzt steht er bei den Atlanta Falcons unter Vertrag. Es gibt immer wieder eine Möglichkeit, denn die NFL ist immer auf der Suche nach neuen Talenten. Ich denke, die würden auch ganz gerne europäische Spieler verpflichten, um ihren Stellenwert hier weiter zu verbessern.
In der NFL zahlen die Teams ihren Spielern absolute Wahnsinnsgehälter. Deutschland kann da natürlich nicht mithalten, aber können Ihre Spieler von ihrem Gehalt leben, oder müssen sie nebenbei noch studieren oder arbeiten?
Also eigentlich kann man sagen, dass das hier wie eine Amateurliga ist. Die Spieler kriegen normalerweise nur Sportkleidung und ein kleines Taschengeld von uns. Die meisten arbeiten oder sind Studenten. Manchmal können sie auch wegen ihrer Schichtarbeit nicht am Training teilnehmen. Dann kommen sie morgens vorbei, um ein individuelles Training zu absolvieren. Mit der NFL ist das nicht vergleichbar.
Sie haben als Head Coach eine Bilanz von 126:16 Siegen. Was machen sie anders oder besser als die anderen Trainer?
Wir wollen einfach die besten Spieler haben. Die Jungs brauchen Talent. Aber Talent ist nicht alles, wir wollen auch Spieler mit tollem Charakter haben. Sie müssen als Mannschaft zusammenkommen, sich gut verstehen. Das ist sehr wichtig. Denn es gibt nicht nur Erfolg, sondern auch immer wieder Rückschläge. Da spielt die Teamchemie eine große Rolle, weil man dann als Mannschaft zusammenhalten muss. Und wir arbeiten alle sehr hart dafür, Spielzüge einzustudieren und immer diszipliniert zu Werke zu gehen.
Haben Sie sich zu Beginn Ihrer Zeit in Deutschland vorstellen können, eine solche Erfolgsgeschichte zu schreiben?
Ob man Spieler oder Trainer ist, die Meisterschaft ist immer das Ziel. 1994 wollten wir einfach nur den Klassenerhalt schaffen und kamen sogar in die Playoffs. Im nächsten Jahr haben wir den Fehler gemacht, den Germanbowl als Ziel auszugeben und sind fast abgestiegen. Daraus haben wir gelernt, dass wir kleine Schritte gehen müssen, um Erfolg zu haben. Die Meisterschaft, die wir in der Folge gewonnen haben, war Produkt dieser Mentalität. Insgesamt ist es sehr schön und ich bin sehr stolz darauf. Aber auch viele andere Menschen haben einen großen Anteil an unserem Erfolg. Alle Trainer und Spieler haben ihren Teil dazu beigetragen.
ZUR PERSON: Troy Tomlin gehört zu den erfolgreichsten Trainern in der Geschichte der GFL. In seinen acht Jahren als Head Coach stand der US-Amerikaner mit den New Yorker Lions immer im Germanbowl, gewann die letzten vier Jahre in Folge den Titel. Außerdem konnte er bei fünf Eurobowl-Teilnahmen drei Triumphe feiern. Zuvor arbeitete er bereits sieben Jahre als Defensive Coordinator bei den Braunschweigern (drei Mal Meister, ein Mal Eurobowl-Sieger).
Das Interview führte Jonas Elbeshausen