Die neue Skisprung-Saison steht in den Startlöchern. Ist die österreichische Dominanz in Gefahr und was ist für die deutschen Starter drin? "Eurosport"-Experte Martin Schmitt macht für sport.de den Check und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wenn am Freitag in Lillehammer die neue Weltcup-Saison im Skispringen startet, richten sich viele Blicke auf die Dominatoren aus dem vergangenen Jahr. Gleich drei Springer aus dem Nachbarland Österreich landeten auf dem Podium.
Daniel Tschofenig sicherte sich vor Jan Hörl und Stefan Kraft den Gesamtsieg im Weltcup. Bester Deutscher Springer wurde Pius Paschke auf dem fünften Rang.
Ist die Ösi-Dominanz in Gefahr?
Für alle Herausforderer auf den österreichischen Skisprung-Thorn sieht Martin Schmitt eine Herkulesaufgabe zukommen. "Es wird schwer. Das österreichische Team ist nach wie vor auch in der Breite extrem gut aufgestellt", sagt der ehemalige Skispringer im exklusiven Interview mit RTL/ntv und sport.de.
Dieser breite Pool an Top-Athleten macht es der Konkurrenz schwer. "Sie haben eine ganze Menge Sportler, die für Top-Platzierungen sorgen können. Selbst wenn einer mal ausfällt aus dem Weltcupteam, stehen in der zweiten Reihe zwei, drei Leute, die nahtlos anknüpfen können."
Daher werde es schwer, "die Dominanz zu brechen".
Welcher deutsche Springer kann für Furore sorgen?
Auf Seiten der Deutschen hat Schmitt vor allem einen DSV-Adler ins Auge gefasst, der den Favoriten gefährlich werden könnte.
"Philipp Raimund hat jetzt aus deutscher Sicht auch im Sommer gezeigt, was er kann, was für ein großartiges Potenzial er hat. Und jetzt gilt es natürlich für ihn speziell, die gute Sommerform auch in den Winter zu bringen", so der ehemalige Weltklasse-Skispringer.
Kann Raimund auch im Winter brillieren?
Schmitt sieht den deutschen Youngster in einer aussichtsreichen Position.
"Ich traue es ihm auf jeden Fall zu, dass er die Form auch in den Winter reinbringt. Er ist mittlerweile ein sehr, sehr kompletter Springer, ist auch athletisch sehr gut, hat einen sehr guten Absprung, hat sich jetzt über die letzten Jahre einfach stabilisiert", erklärt Schmitt den Aufschwung des 25-Jährigen.
Im Sommer schrieb Raimund für Schlagzeilen, als er den Grand Prix gewann und sich zum besten Springer des Sommers krönte.
"Das gibt dir Selbstvertrauen, es gibt dir Sicherheit und dann greifen auf einmal die Automatismen und dann erreicht man eine neue Qualitätsstufe", attestiert Schmitt.
Raimund sei in einer Position, in der er "wirklich mit breiter Brust in die Saison gehen kann", so Schmitt. "Er weiß, dass er schon viel erlebt hat und man kann ihm nur die Daumen drücken, dass das dann auch recht schnell mit Erfolgserlebnissen im Weltcup belohnt wird."
Mehr dazu:
Für Schmitt wäre es keine Überraschung mehr, wenn der gebürtige Schwabe vorne mitspielen würde. "Er hat es ja gezeigt im Sommer, dass er jeden schlagen kann, dass er die Fähigkeiten dazu hat."
Was ist generell für die Deutschen drin?
Neben Raimund liegen die deutschen Hoffnungen vor allem auf Andreas Wellinger und Pius Paschke. Nominiert für den DSV-Kader zum Auftakt in Lillehammer sind zudem Felix Hoffmann und Karl Geiger.
Das deutsche Team sieht Experte Schmitt gut aufgestellt, Sorgen macht aber noch der teils "riskantere Sprung".
"Es haben einige im deutschen Team sicherlich das Potenzial. Sie haben aber in meinen Augen alle einen vielleicht bisschen riskanteren Sprung, also der vielleicht nicht ganz so breit aufgestellt ist wie jetzt bei den Österreichern, wie bei Jan Hörl und bei Daniel Tschofenig."
Wenn es passt, könnten sie aber "definitiv mitmischen", so der 47-Jährige: "Das hat Pius Paschke letztes Jahr gezeigt. Das hat er oft genug gezeigt. Da muss eben alles zusammenpassen."
Weltcup-Routinier Wellinger hatte zuletzt noch "ein paar Probleme", sagt Schmitt. "Er hat natürlich auch das Potenzial, das hat er schon oft genug bewiesen. Wir wissen, was für ein großartiger Springer er ist."
Er sei noch "ein bisschen auf der Suche im Materialbereich, hatte noch nicht das hundertprozentige Setup gefunden und jetzt ist natürlich die Zeit knapp bis zum Weltcupauftakt", erklärt Schmitt. "Für ihn ist es jetzt wichtig, beim Weltcupauftakt zu spüren: Ich bin relativ nah dran, um dann über die ersten Wettkämpfe einfach wirklich den Anschluss zu finden und dann auch wieder ums Podium mitkämpfen zu können."
Ist die Zeit von Karl Geiger vorbei?
Bei dem ältesten Springer im deutschen Kader, Karl Geiger, lief es in der vergangenen Saison und in der Vorbereitung nicht mehr wirklich rund.
Dass dessen Zeit abgelaufen ist, glaubt Schmitt indes nicht. "Ich glaube, er steht einfach vor der Herausforderung, vor der jeder Springer steht, sich auf das gegebene Reglement einzustellen, die Technik vielleicht in Nuancen anzupassen und dann einfach wieder das Vertrauen und die Sicherheit reinzukriegen."
Der 32-Jährige sei nach wie vor ein "fantastischer Skispringer", so Schmitt. "Er hat die Topvoraussetzung, um ein Spitzenathlet zu sein." Er müsse "ein paar Aufgaben lösen" in seinem Sprung, dies sei "aber definitiv machbar", findet der "Eurosport"-Experte. "Er steht körperlich super da. Technisch hat er gezeigt, dass er ein toller Skispringer ist."
Wer sind die Top-Favoriten?
Das Erfolgstrio der Österreicher geht erneut favorisiert in die neue Saison. Neben Titelverteidiger Tschofenig hat Schmitt insbesondere einen Landsmann auf dem Radar: "Jan Hörl hatte einen sehr guten Sommer. Er ist sehr stark gesprungen."
Mehr dazu:
Schmitt höre immer wieder aus dem Kreis des österreichischen Teams und von den Trainingsplätzen den Namen des Österreichers. Zudem dürften die Änderungen im Reglement einem athletischen Springer wie Hörl entgegenkommen, tippt Schmitt. "Deswegen glaube ich, er wird eine gute Rolle spielen."
Natürlich werde "sicher auch Daniel Tschofenig eine gute Rolle spielen", da dieser eine "fantastische letzte Saison" hatte. Der Titelverteidiger tue sich im Winter tendenziell immer ein bisschen leichter als im Sommer. "Mit ihm sollte man schon auch rechnen können."
Daneben hat er den Japaner Ryoyu Kobayashi auf dem Zettel, der "doch einen erstaunlich guten Sommer" hatte. "Er wird hoch motiviert an den Start gehen. Ich habe ihn sehr stark auf der Rechnung."



