Die unglückliche Olympia-Generalprobe der Skispringerinnen in Predazzo hat eine Sicherheitsdebatte im Skispringen entfacht. Im Fokus: Schanzenprofile und Anzüge. Skisprung-Legende Martin Schmitt macht aber noch ein ganz anderes Fass auf - Traditionalisten dürfte ganz anders werden.
Drei schwere Stürze, drei Kreuzbandrisse - so lautet die schlimme Bilanz nach der Generalprobe der Skispringerinnen auf der Normalschanze von Predazzo in Val di Fiemme, wo kommendes Jahr um Olympische Medaillen gesprungen wird.
Kritik gab es danach am Schanzenprofil, das "nicht gelungen" sei, wie es DSV-Sportdirektor Horst Hüttel ausdrückte. Aber auch die Anzüge stehen im Fokus.
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Das Problem: Da die Anzüge immer enger, die Flugkurven auf modernen Anlagen tendenziell zugleich höher sind, erhöht sich der Landedruck auf die Athletinnen und Athleten - speziell bei der klassischen Telemark-Landung. Die modernen, starren Bindungen und die im Vergleich zu früher wesentlich steiferen "Ski"-Schuhe bieten den Athletinnen und Athleten wenig Flexibilität im Fußgelenk.
DSV-Legende Martin Schmitt legt in dem Podcast "Flugshow" den Finger folgerichtig in die Wunde. "Man muss die Frage stellen, ob der Telemark noch zeitgemäß ist. Die Tradition oder die Gesundheit der Athleten?", sagte der zweimalige Gesamtweltcupsieger.
Vorschädigungen und Verletzungen durch Telemark?
Die Telemark-Landung in versetzter Fußhaltung hat im Skispringen eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und aus Norwegen, dem Mutterland des Sports, kommt.
Sie wird von den Punktrichtern bis heute wesentlich höher bewertet als eine parallel ausgeführte Landung (oft als Kachel- oder Haferl-Landung bezeichnet). Die Springer stehen daher unter Druck, auch im hohen Weitenbereich den Telemark zu setzen, um nicht potenziell entscheidende Wertungspunkte abgezogen zu bekommen.
"Die Telemark-Landung ist eine unnatürliche und ungünstige Haltung, um den Landedruck abzufedern. Gepaart mit dem heutigen Material wird der Springer in eine Position gezwungen, die Kreuzbandverletzungen provoziert", erläuterte Schmitt seine Bedenken: "Bei jeder Landung kann die Bandstruktur im Kniegelenk unter Stress geraten. Auf Dauer kann dies Vorschädigungen erzeugen, die unter erhöhtem Landedruck zu schweren Verletzungen führen kann."
Räume der Weltverband FIS "Gesundheit und Sicherheit der Athleten Vorrang" ein, "müsste man auf den Telemark verzichten", betonte der 47-Jährige.
Schmitt selbst feierte seine größten Erfolge um die Jahrtausendwende, als die Sprungschuhe noch wesentlich flexibler und im Fersenberiech lediglich durch eine Schnur mit der Bindung verbunden waren.
Schmitt: Telemark mit heutigen Material "nur ganz schwer zu erreichen"
Der Haltungsform stamme aus einer Zeit "in der der Telemark noch ganz anders ausgeführt werden musste", spielte Schmitt auf die tiefen, ästhetisch deutlich höherwertigen Landungen früherer Skisprung-Epochen an.
"Mit dem heutigen Material ist der Telemark, wie er beschrieben und gefordert ist, nur ganz schwer zu erreichen. Fast immer, auch bei sehr guten Landungen knickt das Knie der Springer nach innen", monierte der Eurosport-Experte.
Skisprung-Traditionalisten - vor allem in Norwegen - dürften bei Schmitts Argumentation die Nase rümpfen. Der Telemark gilt hier als sakrosant. Die norwegischen Punktrichter sind "traditionell" daher auch immer die strengsten.