Stefan Kretzschmar wollte "mit voller Leidenschaft" seine Arbeit bei den Füchsen Berlin bis zum Saisonende fortsetzen und den deutschen Meister zu weiteren Titel führen. Erfolgscoach Jaron Siewert fühlte sich "extrem wohl" und plante eine Zukunft in der Hauptstadt. Sowohl die Handball-Ikone als auch der Trainer bekommen diese Chance nicht.
Der Hauptstadt-Club um den machtbewussten Vereinsboss Bob Hanning hat die beiden Führungskräfte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nach wochenlangen Spannungen freigestellt - und das ausgerechnet kurz vor dem Spitzenspiel gegen den SC Magdeburg an diesem Samstag (15:40/Dyn/ARD).
Dieser Trainer folgt auf Siewert
Als Nachfolger für Siewert holen die Berliner Nicolej Krickau. Der Däne trainierte zuletzt die SG Flensburg-Handewitt, wo er im Dezember des Vorjahres jedoch vorzeitig gehen musste. Füchse-Star Mathias Gidsel und der 38-Jährige kennen sich aus gemeinsamen Zeiten bei GOG Handbold.
Kretzschmar war seit 2020 Sportvorstand beim Hauptstadt-Club und hatte mit seinen Personalentscheidungen die Mannschaft maßgeblich zu einem Topteam weiterentwickelt. Der Ex-Nationalspieler hatte entscheidenden Anteil daran, dass Welthandballer Gidsel nach Berlin wechselte.
Gislason: Die Punkte zählen fast doppelt
Der Machtkampf in der Clubspitze überlagert die sportlichen Schlagzeilen und rückt den eigentlichen Reiz des Spitzenduells in den Hintergrund. Mit Spannung und vielen offenen Fragen blickt die Handball-Bundesliga daher in die Hauptstadt. Wie stark belasten die Turbulenzen die Vorbereitung auf das Gipfeltreffen?
Dabei könnte aus sportlicher Sicht nicht mehr geboten sein. Titelverteidiger gegen Vizemeister. Champions-League-Sieger gegen Finalist. Der Tabellenführer von der Spree gegen den Verfolger von der Elbe. "Das wird ein sehr enges und wichtiges Spiel - die Punkte zählen fast doppelt. Da treffen die beiden Teams mit den wahrscheinlich besten Karten im Kampf um die nächste Meisterschaft aufeinander", sagte Bundestrainer Alfred Gislason der dpa.
Füchse und Magdeburg haben die Liga gedreht
Was früher als packendes Derby zweier ehrgeiziger Handball-Nachbarn begann, hat sich zu einem emotionalen Gipfeltreffen mit nationaler Strahlkraft entwickelt. Es geht um Prestige, Rivalität – und einen ersten Fingerzeig im Titelkampf. "Wir sehen das als eine Möglichkeit, schon einen Schritt in dieser Meisterschaft zu machen und ein Statement zu setzen, dass die Meisterschaft letztes Jahr nicht nur Glück war", sagte Gidsel.
In der Vorsaison sorgten die deutschen Topteams mehrfach für Spektakel. Der Sieg der Füchse in der Bundesliga-Rückrunde ebnete den Berlinern den Weg zum historischen ersten Meistertitel in der Vereinsgeschichte. Magdeburg revanchierte sich eindrucksvoll im Finale der Königsklasse. "Wir sind schon ein bisschen stolz, dass wir die Liga gedreht haben. Früher war es immer nur Kiel oder Flensburg. Jetzt ist es Magdeburg oder Berlin", erklärte Gidsel.
Füchse-Kapitän: Handballspielen ist unsere Arbeit
Mehrere Topspieler, darunter Gidsel, der dänische Weltmeister Lasse Andersson oder Neuzugang Tobias Gröndahl, betonten immer wieder, dass Kretzschmars Persönlichkeit ein entscheidender Faktor für ihren Schritt nach Berlin war. Für die Füchse besteht nun die Aufgabe darin, das internationale Topniveau des Kaders auch ohne die Strahlkraft Kretzschmars zu halten.
Verliert die Mannschaft den Fokus oder entwickelt sie im Topduell mit Magdeburg eine Jetzt-erst-recht-Mentalität? Füchse-Kapitän Max Darj stellte klar: "Wir müssen Handball spielen, das ist unsere Arbeit."