Nicht zuletzt wegen des Saisonendes ist rund um den Anzug-Skandal im Skispringen Ruhe eingekehrt. Während die Untersuchung des Falles weiter andauert, meldete sich mit Robin Pedersen einer der fünf vormals suspendierten Norweger zu Wort - und erhebt schwere Vorwürfe gegen den Ski-Weltverband FIS.
Die gegenwärtige Ruhe im Skisprung-Zirkus ist, qua Frühlingspause, kalendarische Normalität. Im Jahr 2025 ist sie aber auch trügerisch, schließlich gibt es nach dem Anzug-Skandal bei der WM in Trondheim ein laufendes Verfahren. Genau dazu hat sich mit Robin Pedersen nun einer der vormals fünf suspendierten norwegischen Athleten geäußert.
Gegenüber der Zeitung "RanaBlad" schildert der 28-Jährige die Vorkommnisse bei der Heim-WM und beim anschließenden Weltcup in Oslo aus seiner Sicht - und erhebt dabei gleich mehrere schwere Vorwürfe gegen den Ski-Weltverband FIS.
Er betonte zunächst, dass er sich keiner Schuld bewusst sei: "Ich habe meine Anzüge selbst genäht, also weiß ich, dass mit ihnen alles in Ordnung ist."
Alleine die Tatsache, dass die Untersuchung bis heute keine Ergebnisse ergeben habe, gebe ihm Recht: "Es hat fünf Minuten gedauert, um Fehler an den Anzügen von Marius (Lindvik, Anm. d. Red.) und Johann (André Forfang, Anm. d. Red.) in Trondheim zu finden, aber einen Monat, um im Frühjahr etwas zu finden. Ich fand es sehr seltsam, dass sie (die FIS, Anm. d. Red.) zu den Medien gingen und sagten, sie hätten etwas in unseren Anzügen gefunden."
Pedersen, wie auch seine Teamkollegen und der norwegische Skiverband hatten sich juristischen Beistand gesucht und von ihren Anwälten klare Aussagen über die Beweislage erhalten: "Was sie uns vorwerfen, ist nicht stichhaltig. Alle unabhängigen Anwälte haben festgestellt, dass sie nichts gegen uns in der Hand haben."
Skispringer kritisiert FIS: "Situation sehr schlecht gehandhabt"
Der Weltverband habe sogar noch gröbere Fehler begangen, so der Skispringer weiter: "Die Art und Weise, wie die FIS mit diesem Fall umgegangen ist, war entsetzlich, sie haben diese Situation sehr schlecht gehandhabt. Die Kommunikation hat völlig gefehlt, sie haben sich nicht an ihre eigenen Protokolle gehalten, es war für uns unmöglich, irgendetwas zu verfolgen. In meinem Fall gibt es Fehler in den Akten, und es heißt, dass sie mich wegen irgendetwas anklagen müssen, aber auch das haben sie nicht getan."
Zudem sei ihm und seinen Landsleuten zugesichert worden, dass sie als Teil der Untersuchung in das FIS-Büro nach Oberhofen in die Schweiz reisen dürften, aber das sei ihnen bis heute verweigert worden. Auch darüber äußerte der Wahl-Trondheimer großes Unverständnis: "Es ist mein Sprunganzug, warum darf ich nicht dabei sein? Wir fünf Athleten durften einen Vertreter schicken, der Verband zwei, und die FIS hatte elf Leute da. Unsere Anzüge wurden nach allen Regeln der Kunst vermessen, aber wir durften nicht dabei sein."
Diese Vorgehensweise stehe sie laut Pedersen sinnbildlich für die Willkürlichkeit der FIS, der man als Athlet ausgesetzt sei. "Sie haben die ganze Macht. Sie kontrollieren, wer springen darf, sie kontrollieren die Ausrüstung, sie kontrollieren das Produkt. Wenn es irgendetwas gibt, das ihren Wünschen zuwiderläuft, machen sie einfach, was sie wollen. Es ist also sehr schwer, in diesem Spiel nur ein Spielball zu sein. Wenn es um viele Millionen an Einnahmen für den Verband geht oder darum, uns aus dem Geschäft zu drängen, ist es für sie nicht so schwer, uns aus dem Geschäft zu drängen."
Genau deshalb seien er, Kristoffer Eriksen Sundal und Robert Johansson auch noch während des laufenden Trainings zum Start der Raw-Air-Tour in Oslo ausgeschlossen worden, spekuliert er: "Es gibt Gerüchte, dass die deutsche Presse gedroht hat, Raw Air zu boykottieren, wenn nicht alle Norweger aus dem Weltcup entfernt würden. Sie haben versucht, aus der Situation Kapital zu schlagen, um noch ein paar Medaillen zu holen. Wir drei Athleten sind leicht zu ächten, wenn es um Millionen an Fernsehrechten geht."
Pedersen: "Sind nicht informiert worden"
Auch diese Situation und die Kommunikation seitens der FIS empfand er als "völlig absurd" und berichtete: "Wir hatten einen Sprung am Holmenkollen absolviert und waren nach dem Sprung auf dem Weg in die Umkleidekabine, als Robert eine E-Mail erhielt, in der stand, dass er suspendiert worden war und nicht mehr springen durfte. Ich hatte nicht einmal eine E-Mail erhalten. Ich musste Jan-Erik Aalbu (Teammanager der Nationalmannschaft, Anm. d. Red.) anrufen und fragen, was los ist. Wir wollten springen, aber uns wurde gesagt, dass das nicht möglich sei, weil der Skiverband uns auch gesperrt habe."
Mit ihm und seinen Teamkollegen sei nie persönlich gesprochen worden, ihr einzige Informationsquellen seien somit die einschlägigen Medien gewesen. Erst aus Artikeln hätten sie davon erfahren, dass die Anzüge in der Schweiz sind. "Der Generalsekretär der FIS ist zu den Medien gegangen und hat gesagt, sie haben etwas in den Anzügen gefunden. Wir sind nicht darüber informiert worden", beklagte er.
Stattdessen habe man die FIS-Pressekonferenz verfolgt und lediglich einen Brief erhalten, der darauf hindeute, dass "etwas seltsames" passiert sei, denn: "Auf dieser Pressekonferenz wurden Dinge gesagt, die in direktem Widerspruch zu dem stehen, was in den Briefen steht. Unser Brief enthält auch eine Reihe von Fehlern, so dass es so aussieht, als er einfach so rausgeschickt wurde."
Pedersen bekundete, ihm und seinen Landsleuten sei klar gewesen, dass "unsere Sperre aufgehoben würde, sobald der Weltcup vorbei war", was schließlich auch passierte. Das eigentliche Problem wollte die FIS aber nicht lösen, kritisierte er.
Mehr dazu:
Das habe sich bereits in der Inspektion der Anzüge vor dem besagten Sprung am Holmenkollen gezeigt, die sehr dubios abgelaufen sei. "Es durften keine norwegischen Schneider anwesend sein, also wurde ein Anwalt des norwegischen Skiverbandes, der noch nie einen Sprunganzug gesehen oder die Vorschriften gelesen hatte, vom Kontrolleur mit den falschen Regeln konfrontiert. Das war eine Einbahnstraße. Wir waren im Grunde schon verdammt, bevor wir den Anzug abgegeben hatten", schilderte er.
Dieser Moment wie auch die gesamte Situation beschrieb er im Laufe des Gesprächs nicht nur einmal mit dem Wort "hoffnungslos". Disqualifikationen im Skispringen könnten passieren, vor allem weil man als Athlet viel Erfahrung brauche, um die Kontrollen überstehen zu können, aber in diesem Falle sei die Sache "über Gebühr aufgeblasen worden", was nicht zuletzt damit zusammenhing, dass sich die Springer gar nicht öffentlich haben wehren dürfen.
Obwohl die Norweger als Skisprung-Nation nun öffentlich gebrandmarkt sind, habe er mit Erstaunen festgestellt, dass die Teams, "unsere Betreuer am härtesten angegangen sind", ihnen im Frühjahr sogar Jobangebote gemacht haben. "Da merkt man erst, wie lächerlich das ist", spottete er.
Für die Zukunft hofft Pedersen, dass die FIS die Sache ad acta lege und mit dem norwegischen Team kläre. Danach brauche es ein "ordentliches Regelwerk", mit dem man "leichter umgehen kann."




