Drunter und Drüber Down Under! Die Formel 1 ist mit einem Irrsinns-Spektakel in die Saison 2025 gestartet, so wild wie im Albert Park ging es zum Auftakt lange nicht mehr zu. Grund genug für F1-Experte Christian Danner und RTL-Daten-Analytiker Steffen Kosuch, das Australien-Chaos nochmal in Ruhe aufzudröseln.
Im sport.de-Debrief zum Australien-GP erfahrt ihr, warum Max Verstappen fast noch gewonnen hätte, Nico Hülkenberg schon die Basics für ein starkes Ergebnis reichten und wie dominant McLaren wirklich ist.
To finish first you have to first finish. Die alte Formel-1-Weisheit gilt nicht nur für Rennsiege. Auch wer Punkte hamstern möchte, muss sein Auto erstmal auf der Strecke halten und heil ins Ziel bringen. Man könnte zudem ergänzen: Wer bei einem Regenrennen erfolgreich sein will, sollte noch weniger Fehler machen als sonst.
In Melbourne wurden nicht nur Triumphator Lando Norris und seine Stockerl-Nachbarn Max Verstappen und George Russell diesen Ansprüchen gerecht. Mercedes-Rookie Andrea Kimi Antonelli fuhr ein nahezu fehlerfreies Rennen und auch einige Hinterbänkler nutzten die Gunst der Stunde.
Von der reinen Performance waren weder Alex Albon (Williams/P5) noch Lance Stroll (Aston Martin/6) noch Nico Hülkenberg (Sauber/7) in Melbourne konkurrenzfähig. Aber: Sie hielten ihr Auto eben auf Kurs – und sahnten ab, Hülkenberg hat Sauber auf einen Schlag mehr Punkte beschert als 2024.
Das Melbourne-Wetter war vor allem für die sechs Rookies eine happige Herausforderung. Isack Hadjar erlebte den GAU, warf sein Auto schon in der Formationsrunde weg und weinte sich im Arm von Anthony Hamilton aus.
Natürlich ein peinlicher Fauxpas, nachdem der Racing Bulle am liebsten im Boden versunken wäre. Aber: Die Abflüge von Carlos Sainz (hinter dem Safety Car!) und F1-Legende Fernando Alonso zeigen, dass auch alte Hasen nicht vor Fehlern gefeit sind.
Bei Ferrari und Hamilton herrscht noch keine Formel-1-Harmonie
Bravourös meisterte sein Formel-1-Debüt der schon angesprochene Kimi Antonelli – trotz des Drucks, der auf dem jungen Italiener als Mercedes-Nachfolger von Lewis Hamilton lastet. Die Silber-Hirne nutzten die Safety-Car-Phasen geschickt, um den 18-Jährigen von Platz 16 auf 4 zu lotsen.
Antonelli selbst leistete seinen Beitrag zum starken Mercedes-Ergebnis ebenfalls. Zwischen Runde 17 und 32 fuhr das Greenhorn trotz der Verhältnisse und trotz Verkehr fast auf Russell-Niveau. Da hat Antonelli gezeigt, warum Mercedes auf ihn setzt und warum Toto Wolff solch große Stücke auf ihn hält.
Für seinen Vorgänger Lewis Hamilton lief die Premiere im Ferrari alles anderes als nach Wunsch. Der Rekordchampion fühlte sich weder im Auto wohl noch klappte die Zusammenarbeit mit Renningenieur Riccardo Adami – diverse, teils konfuse Diskussionen am Funk belegen, dass hier noch keine Harmonie herrscht.
Video: Steiner: Hamilton muss jetzt liefern
Ferrari vergeigte den Auftakt sowieso. Mit Charles Leclerc hätten die Roten deutlich weiter vorne landen können, sie nutzten den chaotischen Rennverlauf aber nicht zu ihren Gunsten. Mit einem zu späten Wechsel auf Intermediate-Reifen vermasselten die Ferrari-Strategen das Rennen des Monegassen.
Piastri die große Melbourne-Enttäuschung
Zur Spitze: Da thronte Lando Norris. Der Brite bestätigte, was sich bei den Testfahrten in Bahrain schon angedeutet hatte. McLaren hat zurzeit ganz klar das beste Auto – sowohl im Qualifying- als auch im Renntrimm. Norris und Piastri sind pro Runde eine gute halbe Sekunde schneller als die ersten Verfolger.
Verstappen immerhin konnte nach der anfänglichen Saftey-Car-Phase zunächst acht Runden dranbleiben und Piastri hinter sich halten. Als sich der Australier nach einem kleinen Patzer des Weltmeisters vorbeischob, riss der Abstand aber und Verstappen fiel deutlich zurück.
Graph: Rückstand der Top-Piloten (in Sekunden/Hochachse) auf Rennsieger Norris im Rennverlauf (Rechtsachse)

Bis Runde 32 (Unfall von Alonso) konnte kein Fahrer auch nur annähernd mit den McLaren mithalten. Einzig die diversen Saftey Cars infolge von Unfällen in der zweiten Rennhälfte gaben Verstappen am Ende eine Chance auf den Sieg.
Piastri ließ die Chance auf einen Heimsieg durch einen Ausritt in Runde 44 liegen. Mit Glück brachte er das Auto zurück, seine Aufholjagd inklusive starkem Überholmanöver gegen Hamilton spülte den Aussie aber nur auf Rang neun – ganz klar zu wenig und sehr enttäuschend.
Red Bull machte keinen Strategiefehler
Auch Sieger Norris blieb nicht gänzlich fehlerfrei. Unmittelbar vor Piastri verlor der Engländer die Kontrolle über seinen McLaren, brachte den Boliden mit Glück und Können wieder auf Kurs. Der Zeitverlust war überschaubar, aber dem Unterboden bekam der Ritt durchs australische Grün nicht. So war Verstappen zum Rennende wieder in Schlagdistanz. Zu einem echten Angriff reichte es trotz DRS zwar nicht mehr, viele Runden hätte Norris an der Spitze aber nicht mehr "überlebt".
Hätte Verstappen noch eine andere Chance gehabt? Nach den McLaren-Ausritten holte sich Norris bei stärker werdendem Regen umgehend Intermediates. Verstappen dagegen blieb mit Medium-Pneus noch zwei Runden draußen. Genau in diesen zwei Runden machte Verstappen auf Norris etwas Boden gut. Ein weiterer Umlauf wäre angesichts des zunehmenden Regens allerdings selbst für Regengott Verstappen kaum machbar gewesen. Red Bulls Call kam also zum richtigen Zeitpunkt – kein Fehler des Bullen-Kommandostands.
Der Rest vom Schützenfest hatte keine Chance auf den Sieg. George Russell holte als Dritter das Maximum für Mercedes heraus. Früher waren die Silberpfeile zum Start in Melbourne das Maß der Dinge und fuhren der Konkurrenz um die Ohren. 2025 hat McLaren die Rolle des Dominators inne.
Zur Person:
Christian Danner schaffte 1985 mit dem Gewinn der Formel-3000-Europameisterschaft den Sprung in die Formel 1. Bis 1986 fuhr er in der Königsklasse für mehrere kleine Teams und errang bei 36 Grand-Prix-Starts vier WM-Punkte. Danach fuhr er in der US-amerikanischen IndyCar-Serie und avancierte zum ersten deutsche Rennfahrer, der in Formel 1 und IndyCar Punkte holte. In der DTM gewann Danner zwischen 1988 und 1996 fünf Rennen, 1997 zog er sich aus dem Motorsport zurück. Von 1998 bis 2022 kommentierte der Bayer an der Seite von Heiko Waßer die Formel 1 bei RTL. Danner arbeitet als TV-Experte und Fahrsicherheitstrainer. Folgt Christian Danner auf Instagram.
Steffen Kosuch, ein ehemaliger Moto-Cross-Fahrer, ist seit Anfang der 2000er Jahre Teil des Formel-1-Teams bei RTL. Als ehemaliger Renningenieur und Berater der FIA kümmert er sich bei RTL um Rennstrategie, Performance-Analysen, Reglementfragen und die Werbeplanung.