Die Free Agency der NFL beginnt in gut zwei Wochen und dann stehen viele Teams vor der Aufgabe, sich bestmöglich für die neue Saison aufzustellen. Bei einigen Teams heißt das allerdings, dass der eigene Kader in bestimmten Bereichen eine Generalüberholung benötigt. Ein spannendes Beispiel dafür sind die Dallas Cowboys.
Vor rund einem Jahr sorgte Teameigner, -präsident und General Manager Jerry Jones für Aufsehen, als er vollmundig ankündigte, dass die Cowboys "All-in" seien für die anstehende Saison. Was folgte, war eine zähe Offseason mit unnötig langen Verhandlungen mit Dak Prescott und CeeDee Lamb über neue Verträge - beide bekamen am Ende dann doch genau das, was ihre Agenten von Anfang an gefordert hatten -, eine Vernachlässigung zahlreicher offensichtlicher Schwächen des Kaders und schließlich eine Seuchensaison, die mit 7-10, dem Verpassen der Playoffs und dem Abgang von Head Coach Mike McCarthy endete.
Sicher, McCarthys Abgang war schon vor Saisonbeginn ob seiner Vertragssituation und seiner Erfolglosigkeit in den Playoffs absehbar, doch passte der gesamte Saisonverlauf einfach ins Bild, das die Cowboys seit geraumer Zeit abgeben. Sie reden viel und lassen dann wenige Taten folgen.
In diesem Jahr will man von "All-in" nichts mehr wissen. Stattdessen will man jetzt "selektiv aggressiv" in die Free Agency gehen, wie EVP of Football Operations, Stephen Jones, Anfang der Woche bei der Scouting Combine in Indianapolis/Indiana erklärte. Weiter führte er aus, dass man nun gezielt Löcher in der Free Agency stopfen wolle, um dann im Draft in der Lage zu sein, den bestmöglichen Spieler zu ziehen, wenn man an der Reihe ist.
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Cowboys: Kader hat einige Löcher
Was schlüssig klingt, hat jedoch ein paar Haken. Zum einen gibt es einige Löcher in diesem Kader - völlig losgelöst von den zahlreichen Free Agents dieses Teams -, zum anderen aber nur begrenzte Ressourcen. Die Cowboys stehen derzeit bei einem Cap Space von rund 2,47 Millionen Dollar, wenn man die prognostizierten 279,5 Millionen Dollar als Grundlage nimmt, mit denen "Over The Cap" gerade rechnet. Und das ist nicht gerade viel, zumal der effektive Cap Space gar bei -1,7 Millionen Dollar liegt. Allerdings kommt dieser erst im September zum Tragen.
Bevor die Cowboys also selektiv aggressiv werden können, müssen sie zunächst mal für Cap Space sorgen. Wenn man sich nun erinnert, wie versiert die Joneses in Cap-Akrobatik sind, bin ich wirklich gespannt, wie sie das regeln wollen! Schon das Vorjahr zeigte, dass sie eher knauserig sind und nicht unbedingt echtes Geld ausgeben wollen. Im Vorjahr investierten sie rund 280 Millionen Dollar ins Team - Rang 13 der NFL. Zieht man die über 80 Millionen Dollar ab, die man notgedrungen an Prescott gezahlt hat, dann wären die Cowboys mit Abstand Letzter in der NFL in diesem Ranking gewesen!
Doch ist dieser Text ja gewissermaßen als Guide gedacht für die Cowboys. Und insofern sei ihnen ans Herz gelegt, direkt an Prescotts Vertrags heranzugehen und diesen zu restrukturieren. Angesichts seiner Cap Number von 89,9 Millionen Dollar scheint dies aber ohnehin unabdingbar. Was also tun? Nun, man kann 46,495 Millionen Dollar seines Jahresgehalts (47,75 Mio.) in einen Signing Bonus umwandeln. Das ergibt dann frischen Cap Space von mehr als 37 Millionen Dollar.
Weitere mehr als 20 Millionen Dollar kann man mit dem gleichen Manöver bei Lamb herausholen. Unterm Strich kommt man so recht locker - aber teuer - auf mehr als 61 Millionen Dollar an Cap Space. Weitere Millionen sind möglich, wenn man endlich auch Micah Parsons einen neuen Vertrag gibt. Derzeit liegt seine Cap Number bei mehr als 24 Millionen Dollar. Ein neuer (Rekord-Deal) könnte diese Zahl senken, gerade dann, wenn man sein Gehalt in diesem Jahr größtenteils als Signing Bonus auszahlt.
Cowboys: Der Schuh drückt im Run Game
Weitere Kniffe dieser Art sind möglich, aber nicht akut nötig. Akut nötig ist es jedoch, das Run Game zu verbessern, was sicherlich neben Prescotts schwerer Oberschenkelverletzung das größte Problem der Cowboys war.
Hier reden wir von beiden Seiten des Balls, also sowohl das eigene Laufspiel als auch die Verteidigung dessen. Offensiv brachten es die Cowboys, die sich laut McCarthy auf Run Game konzentrieren wollten, auf ganze 100,3 Rushing Yards pro Spiel (Rang 27). Und jetzt kommt mir bitte nicht mit der Mär vom Verzicht auf Derrick Henry! Henry hätte bei den Cowboys auch keine Wunderdinge vollbracht, denn die Cowboys waren strukturell nicht in der Lage, ein Run Game vernünftig aufzuziehen.
Laut "Next Gen Stats" belegten die Cowboys mit im Schnitt 0,96 Yards Before Contact Rang 29 der Liga. Zum Vergleich: die Ravens waren Erster mit 2,27 YBCo/Att! Defensiv sah es nicht besser aus. Die Cowboys ließen im Schnitt die viertmeisten Rushing Yards pro Spiel zu (137,1) und auch hier ist klar, warum: Sie ließen 1,81 YBCo/Att zu, was der fünfthöchste Wert der Liga war. Mehr noch: Auch bei den Yards nach dem ersten Kontakt waren sie höchstens mittelprächtig (3,08, Rang 20).
Das heißt: die Priorität der Cowboys in dieser Offseason sollte darauf liegen, an der Line of Scrimmage besser zu werden. Offensiv braucht es Verstärkungen in der Offensive Line, defensiv mindestens mal in der Defensive Line und auf Linebacker. Sicherlich sollte auch irgendwann ein Running Back ein Thema werden, doch ohne diese Grundlagen an der Front, würde auch ein hochgehandeltes Prospect wie Ashton Jeanty von Boise State kaum für Besserung sorgen.
Cowboys: Offensive Line hat viel Raum für Verbesserung
Offensiv wird Tackle Chuma Edoga Free Agent, während Guard Zack Martin seine Karriere beendet hat. Guard Brock Hoffman wiederum ist ein Exclusive Rights Free Agent. Unterm Strich seit jedoch gesagt, dass keiner von den bisherigen O-Linern sonderlich gut aussah in Sachen Run Blocking. Pass Blocking war nicht viel besser, wobei Tyler Smith da noch am besten agierte.
Bei Smith stellt sich weiter die Frage, ob er Guard oder Tackle spielt, nachdem Tyler Guytons Rookie-Saison als Left Tackle eher überschaubar verlief. Generell könnte man nun argumentieren, dass bis auf Smith eigentlich jeder ersetzlich scheint in dieser Gruppe. Das Problem ist jedoch, dass gerade Tackle in diesem Jahr weder im Draft noch in der Free Agency hochkarätig besetzt ist. Die besten Tackle-Optionen sind aber sicherlich Ronnie Stanley und Cam Robinson auf dem FA-Markt. Oder kommt es gar zu einer Reunion mit Tyron Smith nach dessen Intermezzo bei den Jets?
In Sachen Guard könnte KCs Trey Smith verfügbar werden, doch hier steht ein Bieterwettbewerb ins Haus, bei dem die Joneses wohl nicht mitgehen würden. Will Fries (Colts) und Teven Jenkins (Bears) sind da schon eher realistische Optionen. Zudem könnte man auf Center einen Blick auf Drew Dalman von den Falcons werfen. Jeder von diesen wäre wohl ein Upgrade für ein Cowboys-Team, deren O-Line ein großes Problem ist.
An der defensiven Front wiederum sollte zunächst mal Defensive Tackle Osa Odighizuwa gehalten werden. Erste Gespräche hat Stephen Jones sogar schon bestätigt. Insgesamt werden in der Defensive Line sechs Spieler Free Agents. Die gute Nachricht hier ist, dass die Draft-Klasse von 2025 extrem tief besetzt ist, was Defensive Tackles betrifft. Verstärkungen oder zumindest mehr Optionen wird man also auch da noch finden.
Kommt die große Lösung an der Edge?
Spannend wird zu sehen, wie man mit Edge Rusher DeMarcus Lawrence verfährt. Sein Vertrag läuft aus und er ist seit jeher ein Leistungsträger, der aber nun auch schon 33 Jahre alt wird. Im Draft ist Edge in diesem Jahr recht dünn besetzt, in der Free Agency wiederum gibt es mit Khalil Mack, Josh Sweat und Haason Reddick ein paar größere Namen. Gerade Mack dürfte gewillt sein, vielleicht kurzfristig zu kommen und wäre sicher ein Upgrade sowie eine Möglichkeit, Parsons teilweise weiterhin Off-Ball einzusetzen, auch wenn Defensive Coordinator Matt Eberflus das eher ausgeschlossen hat.
Und dann wäre da noch Linebacker. Der im Vorjahr auf Wunsch von Ex-DC Mike Zimmer geholte Eric Kendricks wird Free Agent und dürfte dann auch schon wieder weg sein. MeMarvion Overshown wiederum ist ein Fragezeichen nach seiner kapitalen Knieverletzung in Woche 14 der Vorsaison und wird ziemlich sicher wenigstens den Saisonstart verpassen. Damit herrscht hier akute Not. Ein erfahrener Mann wie Ex-Panther Shaq Thompson könnte hier eine günstige Alternative sein, zudem wird Dre Greenlaw die Niners wohl verlassen.
Eagles-Shooting-Star Zack Baun ist die Luxuslösung, obgleich auch hier ein Bieterwettkampf droht. Ähnlich darf man Nick Bolton von den Chiefs betrachten. Zudem wird Bucs-Legende Lavonte David auf den Markt kommen. Ein Abgang aus Tampa scheint zwar unwahrscheinlich, aber auch die Bucs sind in Cap-Nöten, weshalb sich vielleicht eine Tür öffnet.
Die Cowboys haben überdies bald Lücken im Receiving Corps (Brandon Cooks wird FA) und auf Slot-Cornerback (Jourdan Lewis), doch das sind Planstellen, die angesichts der offensichtlichen Defizite im Kader hintenanstehen sollten. Ebenso die Rolle des Backup-Quarterbacks hinter Prescott, wo Stephen Jones angedeutet hat, dass etablierte Backups wie Cooper Rush oder Trey Lance wohl zu teuer sein könnten und daher eher ein Rookie infrage kommt.
Die Cowboys und ihr neuer Head Coach Brian Schottenheimer haben alle Hände voll zu tun, dieses Team wieder auf Vordermann zu bringen. Keine Frage. Doch es gibt Mittel und Wege, die gravierendsten Löcher relativ leicht zu stopfen. Die große Frage wie immer bei den Cowboys wird jedoch sein, ob sie diese Wege auch beschreiten werden oder es sich selbst schwerer machen als nötig.