Skispringerin Emely Torazza erlebte beim Weltcup in Willingen den wohl schönsten Tag ihrer Laufbahn. Vor vollen Rängen sprang sie zum zweiten Mal in die Weltcuppunkte, zum ersten Mal aber für Deutschland. Was sich seit ihrem Wechsel (zurück) aus der Schweiz bei ihr getan hat und wie wichtig Katharina Schmid für sie ist.
Emely Torazza erfüllt wahrlich nicht viele Skisprung-Klischees: Alleine ihr Geburtsort Weimar ließ nicht vermuten, dass aus ihr eine Skispringerin werden würde. Erst im Sommer 2015, mit immerhin bereits elf Jahren, tauschte sie die schmalen Langlauf- gegen die langen Skisprung-Ski.
"Langlauf hat mich aber nicht wirklich begeistert. Aber wir haben in der Familie immer viel Wintersport geschaut und eben auch Skispringen. Dann habe ich im Internet mal geschaut und es in Wildhaus ausprobiert", erzählte die heute 20-Jährige mal.
Wildhaus ist ein Nachwuchszentrum, wo der legendäre Walter Steiner, nachdem auch die größte Schanze dort benannt ist, oder auch der doppelte Doppel-Olympiasieger Simon Ammann groß geworden sind. Wer sich im Skispringen oder zumindest Geografie auskennt, wird wissen: Dieser kleine Ort liegt im Kanton Sankt Gallen, also in der Schweiz.
Für die Eidgenossenschaft startete Torazza bis zum Frühjahr 2024, ehe sie einen Nationenwechsel beantragte. Da dieser erst noch vom Ski-Weltverband genehmigt werden musste, wurde sie erst nachträglich in der Lehrgangsgruppe 1b des Deutschen Skiverbands (DSV) eingegliedert. Obwohl Familie Torazza früh in die Schweiz zog, lebte Tochter Emely dort in jüngerer Vergangenheit nur zeitweise. Ab Sommer 2019 war sie als Schülerin des renommierten Skigymnasiums Stams im österreichischen Bundesland Tirol auch dort untergebracht.
Nach ihrer bestandenen Matura im vergangenen Jahr wollte sie in ihrem Sport den nächsten Schritt gehen und zog deshalb auch nach Oberstdorf um – und ist glücklich über diesen Schritt. "Ich habe so viele Möglichkeiten, an mir zu arbeiten. Die Bedingungen in Oberstdorf sind absolut top", berichtete sie im Gespräch mit sport.de beim Weltcup in Willingen.
Genau diese Station stellt einen echten Durchbruch auf ihrem Weg in die Weltspitze dar: Mit ihrem 19. Platz am Samstag erzielte sie nicht nur zum erst zweiten Mal Weltcuppunkte, sondern auch zum ersten Mal für den DSV und damit auch ihr bestes Weltcupresultat. "Ich weiß gar nicht, was ich noch sagen soll, außer: Ich bin einfach glücklich", strahlte sie deshalb.
Ihre Gemütslage hat nicht zuletzt auch mit ihrem neuen Umfeld zu tun, wie sie betonte: "Die Stimmung im Team ist sehr positiv. Jede ist für die Andere da und man feiert sich gegenseitig für die Ergebnisse."
Torazza hegt große Wertschätzung für Teamkollegin Schmid
Wer Emely Torazza sich mit ihr unterhält und in den sozialen Medien folgt, stellt jedoch fest, dass eine ihrer Teamkolleginnen eine ganz besondere Rolle einnimmt: Katharina Schmid. "Ich schätze mich sehr glücklich, dass Katha mich so gut aufgenommen hat. Sie ist die Positivität in Person", schwärmte die Wahl-Oberstdorferin über die Ur-Oberstdorferin und wollte damit gar nicht aufhören: "Sie ist als Sportlerin und Mensch eine sehr wichtige Bezugsperson für mich. Selbst wenn wir nicht zusammen unterwegs sind, unterstützt sie mich und wir schreiben uns. Wir sind füreinander da und es ist enorm hilfreich für mich, dass es diese eine erfahrene Person gibt."
Und das kommt nicht von ungefähr. Schmid weiß aus eigener Erfahrung sehr gut, wie es ist, als Neuling in ein gestandenes Team zu kommen und wird nicht müde, dies selbst zu betonen. Was in der Vergangenheit also die erste Vize-Weltmeisterin Ulrike Gräßler oder die erste Olympiasiegerin Carina Vogt für sie waren, ist sie selbst nun für Torazza.
Die kam wiederum, entgegen ihrer Erwartungen, sehr gut mit dem Trubel rund um den letzten Heim-Weltcup des Winters klar. "Ich war gar nicht so nervös, weil ich so oft abgelenkt war und viele Leute was von einem wollen", berichtete sie.
Dass ihre Formkurve und Ergebnisse gerade jetzt so gut sind, kommt nicht von ungefähr, meinte sie: "Ich habe vor allem mental sehr viel an mir gearbeitet, dass ich einfach gelassener werde."
Seit Beginn des Jahres hat sie alle vier Springen im zweitklassigen Inter-Continental-Cup in Serie gewonnen – und das auf Schanzen in Falun und Bischofshofen, die nicht nur gänzlich verschieden sind, sondern ihre ganz eigenen Charakteristika haben. "Nach dem ersten COC-Sieg hat es 'Klick' gemacht und von da an ist alles echt gut gelaufen", sagte sie nun rückblickend.
Wohin ihr Weg im Rest der Saison führt, weiß Torazza aktuell aber nicht vollumfänglich. Als Nächstes steht für sie der COC in Eisenerz (Österreich) an, wieder auf einer ganz anderen Schanze als nun die größte Großschanze der Welt in Willingen. Was danach passiert, "sehen wir dann nach meinen Ergebnissen", meinte sie gelassen.
Beim DSV hätte man ganz sicher nichts dagegen, wenn sie Ähnliches schafft, wie die letzte Skispringerin, die aus der Schweiz hinübergewechselt war: Gianina Ernst (heutige Krucker) wandte sich im Sommer 2013 ob mangelnden Interesses des Schweizer Verbandes von diesem ab und überraschte mit Platz zwei bei ihrem Weltcup-Debüt die Elite – und das mit gerade einmal 14 Jahren. Bereits im Jahr darauf nahm sie an den Olympischen Spielen teil, die auch das erklärte Fernziel von Emely Torazza sind. Zumindest dieses eine Skisprung-Klischee würde sie nur zu gerne erfüllen.

