Deutschlands Skispringer haben in der Saison 2024/25 mit dem Sieg bei der Vierschanzentournee nichts am Hut. Vor 35 Jahren ist das noch ganz anders. Beim Finale in Bischofshofen kommt es zum "deutsch-deutschen" Duell. Am Ende triumphiert ein junger Schwarzwälder im besten Jahr seiner Karriere: Dieter Thomas.
Seit Sven Hannawalds Grand Slam 2002 wartet Deutschland auf einen Sieger bei der Vierschanzentournee. Eine noch längere Durstrecke hat sich 1990 durch die deutsche Skisprung-Geschichte gefurcht - durch die westdeutsche, um genau zu sein.
Seit Max Bolkart 1960 ist es keinem Springer aus der Bundesrepublik mehr gelungen, die prestigeträchtige deutsch-österreichische Schanzenserie zu gewinnen. 30 Jahre später stehen die Vorzeichen vor dem Start in Oberstdorf nicht unbedingt so, dass sich daran etwas ändert.
Mit Ernst Vettori, Heinz Kuttin und Andreas Felder führen drei Österreicher die Weltcup-Gesamtwertung an - eine Parallele zur Tournee 2024/25, in der die ÖSV-Adler Stefan Kraft, Jan Hörl und Daniel Tschofenig den Sieg unter sich ausmachen.
Doch zurück ins Jahr 1989. In Oberstdorf ist von Rot-Weiß-Rot nichts zu sehen, stattdessen deutsche Festspiele an der Schattenbergschanze. Der 20-jährige Dieter Thoma gewinnt den Auftakt vor Josef Heumann. Jens Weißflog, Vorzeigespringer der sich in Auflösung befindenden DDR, macht wenige Monate nach dem Fall der Mauer den deutschen Dreifachsieg perfekt.
Der Startschuss für eine spannende Tournee. Beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen schlägt Stilist Weißflog zurück, robbt sich bis auf 2,5 Punkte an Thoma heran. Der junge Schwarzwälder zeigt dann beim dritten Wettkampf in Innsbruck Nerven, wird am Bergisel nur Sechster.
Weißflog erobert mit Rang 2 die Führung in der Gesamtwertung und fährt als zweimaliger Tourneesieger und mit 6,5 Punkten Vorsprung auf Thoma als großer Favorit nach Bischofshofen.
Vierschanzentournee 1989/90: Was Thomas großes Glück war
An der Paul-Außerleitner-Schanze kommt jedoch alles anders. Weißflog stürzt regelrecht ab, wird nur Elfter. Thoma dagegen haut im zweiten Durchgang mit 111,5 Metern eine echte Granate raus und schnappt sich vor dem Tschechen Frantisek Jez den Gesamtsieg.
"Das Ausschlaggebende bei meinem Sieg war Innsbruck", rekapitulierte Thoma Jahre später in der "Welt": "Ich hatte dort keinen so guten Wettkampf. Das hat mich dermaßen genervt, dass ich das Springen in Bischofshofen unbedingt gewinnen wollte. Für mich war es gut, nach drei Wettkämpfen nicht in Führung zu liegen."
Was nach seinem Triumph folgte, sei "brutal" gewesen, so der heute 55-Jährige. "Ich war ja erst 20 Jahre alt. Die Aufmerksamkeit war enorm, und mein Ansehen stieg."
Thoma hielt dem Druck vor 35 Jahren stand. Wenige Wochen nach der Tournee krönte er sich in Vikersund auch noch zum Skiflug-Weltmeister.