Leander Wiegand ist der nächste Deutsche im International Pathway Program der NFL. Der Aachener spricht bei sport.de über seinen Weg ins Programm, wer ihn am meisten gefördert hat und wer seine Vorbilder sind.
Offensive Lineman Leander Wiegand (25) spielt seit 2018 in Deutschland Football, verbrachte ein Jahr (2021) an der University of Central Florida und spielte anschließend für die Cologne Centurions, Rhein Fire, wo er die Meisterschaft gewann, und die Munich Ravens in der ELF. Anfang 2025 geht es für ihn nun zum Training Camp des International Pathway Program der NFL, ehe er dann einem der 32 Teams der Liga zugeteilt wird.
Im exklusiven Interview mit sport.de-Redakteur Marcus Blumberg spricht er unter anderem über den Moment, als er von seiner IPP-Nominierung erfuhr, was das für ihn und sein Umfeld bedeutete und wer sein bester Coach überhaupt war.
NFL: IPP-Spieler Leander Wiegand im Interview
Herr Wiegand, zunächst mal herzlichen Glückwunsch zur Aufnahme ins International Pathway Program der NFL! Zum Start daher die naheliegende Frage: Wie schafft man es denn überhaupt ins IPP?
Leander Wiegand: Man kommt da nur rein, wenn man quasi vom Programm gefunden wird. Man kann sich da nicht irgendwie bewerben, sondern die werden auf dich aufmerksam und laden dich dann zu einer Combine ein. Da gibt es verschiedene Combines, manche sind in London, manche sind aber auch lokal in den einzelnen Ländern. Dort hat man dann die Chance, sich zu beweisen, und wenn das alles passt - auch neben dem Athletischen und dem Football -, hat man die Chance, in dieses Programm nach Florida zu kommen.
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Wann genau haben Sie denn davon erfahren, dass sie im kommenden Jahr dazu gehören?
Wiegand: Es war vorletzte Woche Donnerstag (28. November, Anm. d. Red.). Da habe ich das erfahren. Ich war 2022 schon mal eingeladen zu einer Combine vom IPP, aber daraus wurde leider nicht mehr. Und daher dachte ich auch, dass das Interesse vom Programm nicht mehr da wäre und wollte es daher quasi auf eigenem Weg versuchen, es in die NFL zu schaffen. Nach der abgelaufenen Saison war ich im Gym bei Chris Mohr, der mir dann sagte, dass das Programm einen neuen Chef hat und dieser Interesse hätte, ein paar andere Athleten von Chris, aber eben auch mich zu sehen. Es war eine recht spontane Sache, aber wir hatten schließlich drei Wochen Zeit, um uns auf eine Combine vorzubereiten, was natürlich eine sehr spezielle Vorbereitung ist. Man muss da sehr viel auf Technik bei den Sprints oder den Drills achten, denn es ist nicht so, dass man da einfach nur normal trainiert. Und der Chef kam dann nach Aachen, wo ich wohne, und hat dann neben mir noch einen Schweizer angeschaut. Das lief sehr, sehr gut für diese kurze Vorbereitungszeit und ich habe auch ein paar Bestleistungen erbracht. Ein paar Wochen später hat er mich dann angerufen, als ich gerade in der Uni war. Das war wahrscheinlich einer der glücklichsten Momente meines Lebens. Dass sich diese harte Arbeit gelohnt und man das Gefühl hat, dass diese gesehen wurde. Und, dass ich jetzt die Chance bekomme, mich zu beweisen und meinem Traum, in der NFL zu spielen, ein Stück näher komme.
Wie vielen Leuten haben Sie davon schon erzählt? Bis zur Veröffentlichung am Montag war das ja eigentlich noch streng geheim.
Wiegand: Ja ... Also ich durfte nichts auf Social Media posten oder so, aber ich habe extra gefragt und durfte es meiner Familie und meinen Freunden erzählen, was ich dann auch direkt gemacht habe. Es war superschön - auch für sie, weil sie meinen Weg kannten, auf dem es auch viele Enttäuschungen gab, auch wenn ich immer drangeblieben bin. Denen dann gute Nachrichten zu bringen, war superschön. Und wenn man dann mitbekommt, dass die Menschen, die man liebt, sich für einen freuen, ist das was ganz Besonderes.
Das glaube ich gerne ... aber wie geht es dann nun weiter? Sprich: Wie ist der Zeitplan für die nächsten Wochen?
Wiegand: Ich werde am 18. Januar nach Florida ins Trainingslager fliegen und bis dahin werde ich mich hier mit meinem Coach schon so vorbereiten, dass ich in absoluter Topform da ankomme, bis dahin alle Wehwehchen aus der vergangenen Saison hinter mir gelassen habe und stärker und schneller werde. Ich werde dann auch nochmal mit Joe Thomas Kontakt haben, um mich auch nochmal O-Line-spezifisch konkreter vorzubereiten und wirklich alles nutze, um von Tag 1 an dort in bester Verfassung aufzutauchen.
Sie sprechen Joe Thomas an. Der Hall-of-Famer war in der vergangenen Saison Ihr Coach bei den Munich Ravens. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Wiegand: Das war Wahnsinn! Am Anfang war ich so ein bisschen starstruck, als ich merkte: "Ach so, das ist wirklich Joe Thomas?" Aber das war schnell weg, denn der Mann - das weiß jeder, der ihn kennengelernt hat, als er hier in Deutschland war - ist wahnsinnig auf dem Boden geblieben. Und dafür, dass er ja quasi jedes Recht hätte, eingebildet zu sein, war er supersympathisch, sehr sehr höflich, sehr freundlich und der beste Coach, den ich je hatte. Er hat ja auch nicht vor allzu langer Zeit seine Karriere beendet und konnte so sehr gut die Sicht der Spieler verstehen. Er hat den Rekord für die meisten Snaps hintereinander in der NFL und den wird wahrscheinlich auch nie jemand brechen. Das zeigt einfach nur, dass er sich enorm mit dem Sport, aber auch mit seinem Körper und der Vorbereitung auf den Sport auseinandergesetzt hat. Er war bereit, dieses Wissen zu teilen und ich habe wahnsinnig viele Fragen gestellt. Es war großartig und ich bin sehr froh, dass ich das gemacht habe, auch wenn ich sonst wieder hätte Champion werden können bei Rhein Fire und mit meinem Bruder und vielen Freunden hätte zusammenspielen können. Auch wenn dieser Weg nach München und jede Woche zu pendeln immer sehr anstrengend war, war es das absolut wert. Ich bin sehr froh darüber.

Sehen Sie sich eigentlich eher als Tackle oder als Guard?
Wiegand: Ich sehe mich als Guard. Ich spiele auch gerne Tackle, aber mit dem Schritt in die NFL sehe ich mich auf alle Fälle als Guard und darauf freue mich auch schon.
Ihr künftiges NFL-Team steht zwar noch nicht fest, aber wenn Sie sich eins aussuchen könnten, was wäre Ihre Präferenz?
Wiegand: Die Frage wurde mir schon öfter gestellt. Da bin ich ja in keiner Position, bisher auf alle Fälle nicht. Deswegen ist es natürlich egal, welches Team es wird. Aber ich bin auf den Sport Football gestoßen, als ich ein Highlight-Video von J.J. Watt gesehen habe. Daher wäre es schon etwas Besonderes, bei den Houston Texans zu spielen. Aber ich bin wirklich sehr flexibel und mag jedes NFL-Team! Aber zum Beispiel mein Coach (Chris Mohr, Anm. d. Red.) hat bei den Seahawks gespielt, Aaron (Donkor, Anm. d. Red.), ein guter Freund von mir, dann später auch und das wäre natürlich Wahnsinn, wenn es da die Chance gäbe. Aber ich bin sehr flexibel - an alle NFL-Franchises: ich bin sehr flexibel!
Das geben wir gerne weiter! (lacht) Wenn da schon kein Lieblingsteam ist, wer ist denn Ihr Vorbild als Spieler aus der NFL?
Wiegand: Das ist tatsächlich J.J. Watt. Der war lange mein Vorbild und ist es eigentlich immer noch. Das ist natürlich nicht meine Position, aber wie man sich verhält, wie man arbeitet und generell seine Herangehensweise an den Sport, ich denke, da kann man es nicht viel besser machen. Dann Joe natürlich. Und auf meiner Position schaue ich gerne auf Quenton Nelson und Zack Martin - da gibt es viele fantastische Spieler.
Dann reden wir doch mal über J.J. Watt. Wie würden Sie gerade ihn denn versuchen zu blocken?
Wiegand: Ich würde es mit einem Quick Set versuchen. Der ist schon ein großer Typ und wenn man ihn in Schwung kommen lässt ... ja, man muss ihn "quicksetten". Und dann muss man darauf achten, genau wie es Joe gesagt hat, dass ich mit meinem Gesicht nicht seines kreuze und dann eben direkt den Punch setze. Und dann muss man aufs Beste hoffen. (lacht)
Das war vermutlich die Strategie seiner meisten Gegner, oder? (lacht)
Wiegand: So sah das auf alle Fälle auf dem Feld aus, ja ... Aber ich habe jetzt nur von Pass-Situationen gesprochen. Im Run Game kommt es darauf an, ob ich ihn eins gegen eins hätte oder im Double Team ...
Also wahrscheinlich im Double Team ... (lacht)
Wiegand: ... ja, wahrscheinlich Double Team. (lacht) Aber auch da ist es sehr schwierig, weil ich gesehen habe, dass er sogar gegen den Run einen Swim-Move gemacht hat. Von daher ist es sehr schwierig - selbst im Double Team. Aber sonst muss man eben alles, was man hat, reinwerfen.
Um auch die Grundlagen abzudecken - wie sind Sie denn generell zum Football gekommen?
Wiegand: Ich habe in der elften Klasse einen Schüleraustausch nach Oklahoma mitgemacht und habe da auch vom High-School-Football mitbekommen und bin dem Team beigetreten. Ich durfte allerdings nicht mitspielen, sondern nur mit trainieren. Ich hatte aber auch viele meiner Freunde da im Team und da habe ich das kennengelernt und mich in diesen Sport verliebt. Zurück in Deutschland habe ich dann hier auch angefangen, habe aber eine Zeitlang gebraucht, auch wenn es schon ein Dämpfer war, weil es eben ganz ganz anders war. Aber am Ende war es dann doch wieder das Gleiche und es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Sie waren bevor Sie aufs College gekommen sind, im Camp von Björn Werner. Was sind Ihre Erinnerungen daran?
Wiegand: Chris Mohr und Björn kennen sich und ich hatte zu der Zeit angefangen, ein bisschen bei ihm zu trainieren und dann hat mir der Björn auf Instagram geschrieben - das war schon ein kleiner Schock, wenn dir Björn Werner auf Instagram schreibt. Und danach bin ich zu einem seiner Camps gefahren nach Berlin, was sehr gut lief. Dann wurde ich zu seiner Recruiting Tour eingeladen, die aber leider abgesagt wurde, weil Covid kam. Aber ich habe dann in der Covid-Zeit trotzdem weiter trainiert mit einem selbstgebauten Home-Gym aus Stein, Panzertape, oder ich habe auf irgendeinem Hügel meine Sprints gemacht. Und mit diesen Videos habe ich dann ein Angebot vom College bekommen.
Zum Abschluss möchte ich nochmal kurz auf Ihre College-Zeit blicken. Sie waren ein Jahr an der University of Central Florida und haben anschließend drei Jahre in der ELF gespielt. Wenn Sie die beiden mal vergleichen, was sind die größten Unterschiede?
Wiegand: Ich habe natürlich am College nicht gespielt, sondern nur trainiert, aber es ist ein Riesenunterschied von der Professionalität, der Qualität des Spiels - am College sind ja schon die besten High-School-Spieler, weshalb da schon viel selektiert wurde, vielmehr als das hier möglich ist, weil hier viel weniger Leute Football spielen. Aber ich denke, dass mein Erlebnis bei Rhein Fire dem am nächsten kam von der Professionalität und der Größe des Franchise, weil man in einem großen Stadion spielt. Und natürlich, weil Head Coach Jim Tomsula das Team sehr professionell leitet. Aber es ist schon ein Riesenunterschied.




































