Die Buffalo Bills haben frühzeitig die NFL-Playoffs klarmachen können. Nach einem Umbruch im Sommer hatte man mit einer solch starken Spielzeit nicht unbedingt rechnen können, doch das Bills-Team kommt mit einer neuen Identität daher und hat einen weiteren großen Vorteil in den eigenen Reihen: Ein Quarterback auf MVP-Niveau.
sport.de blickt nach Buffalo und schaut, was sich in den letzten Jahren geändert hat und ob es in dieser Saison zum großen Wurf reichen kann.
Ungekrönte 90er und lange Durststrecke
Dem ganz großen Wurf waren die Buffalo Bills in den 1990er sehr nah und das gleich vier Mal. Zwischen 1990 und 1993 standen die Bills vier Mal im Super Bowl, gewinnen konnte man keinen. Bis heute ein Novum in der NFL.
Und trotzdem erinnerte man sich zeitweise gerne an die Zeit zurück, denn nach dem Jahrtausend-Wechsel war für die Bills lange nichts mehr zu holen. Zwischen 1999 und 2017 standen die Bills nicht ein einziges Mal in die Playoffs.
Nun muss man sagen, dass das ganze Unterfangen von einem gewissen Tom Brady und den New England Patriots erschwert wurde, in dessen Schatten man zwei Dekaden lang stand. Denn an einen Division-Titel war gegen den Konkurrenten aus Foxborough kaum zu denken.
2017 dann rettete man sich immerhin gerade so in die Postseason und löste damit große Hoffnungen aus. Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, die vor allem von der defensiven Seite herrührte.

Josh Allens Anfänge
Denn auf der offensiven Seite fehlte den Bills ein fähiger Spielmacher. Und diesen wollte man im NFL Draft 2018 ziehen. An siebter Stelle holten die Bills damals Josh Allen. Er war damit nach Baker Mayfield und Sam Darnold der dritte Quarterback, der 2018 gepickt wurde. Die Bills fädelten für Allen einen Trade mit den Tampa Bay Buccaneers ein, um von der zwölften Stelle an die siebte Stelle des Drafts vorzurücken.
Die Reaktionen der Bills-Fans fielen seinerzeit alles andere als gut aus. Kaum ein Fan in Buffalo schien mit dem Pick zufrieden zu sein, auch wenn einige Draft-Experten Allen ein großes Talent voraussagten.
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Allen jedenfalls unterschrieb bei den Bills einen Vertrag über 21 Mio. Dollar voll garantiert und begab sich in einen Konkurrenz-Kampf mit A.J. McCarron und Nathan Peterman. Was heute wie ein Fiebertraum klingt, wurde damals Wirklichkeit: Allen startete die Saison lediglich als Backup von Nathan Peterman.
Dieser jedoch spielte bereits im ersten Spiel so schlecht, dass Allen in Woche 2 das Ruder übernahm.
Doch auch er hatte Schwierigkeiten, sich in der NFL zurecht zu finden und verletzte sich zudem im Saisonverlauf. Seine erste Spielzeit schloss er mit 12 gespielten Spielen, 18 Touchdowns (8 davon Rushing) und 12 Interceptions ab. Eine eher durchschnittliche Leistung also. Die Kritiker schienen also zumindest teilweise Recht zu bekommen.
Allen jedoch steigerte sich ab 2019 merklich und ist einer der Hauptgründe dafür, dass die Bills inklusive der laufenden Saison fünf Mal in Folge die AFC East gewinnen konnten.
Die Bills und Josh Allen im Wandel
In dieser Saison hat man den Division-Titel bereits in Woche 12 einfahren können. Das liegt zum einen an der schwächelnden Konkurrenz, zum anderen an grundsätzlich veränderten Bills.
Zum einen wählt man in dieser Saison einen etwas anderen Ansatz in der Offense und setzt Josh Allen anders ein. War Allen in den letzten Jahren ein Gunslinger mit schnellen Beinen, ist man in dieser Spielzeit etwas zurückhaltender unterwegs.
Vor Woche 14 steht Allen bei 11 designten Runs und 30 Scrambles. Zum Ende der Vorsaison hatte er hier 26, respektive 58. Werte, auf die er in dieser Spielzeit nicht kommen wird. Josh Allen konzentriert sich also mehr darauf, seine Fähigkeiten als Passer auszuspielen.
Während unter anderem sein schnellerer Release (2,75 Sekunden, Bestwert der Karriere zuvor: 2,87 Sekunden) dafür sorgt, dass er nur bei 9,8 Prozent der Pressures gesackt wird (Karriere-Durchschnitt: 13,2), versucht er das Spiel nun nicht mehr selbst auf Teufel komm raus zu entscheiden. So sind nur drei Prozent seiner Würfe Turnover Worthy Plays, das ist (gemeinsam mit dem Vorjahr) der niedrigste Wert seiner Karriere.
Ein weiterer entscheidender Umstand geht derweil nicht von Allen selbst aus. Bisher gab es erst 11 Drops seiner Receiver. Noch im Vorjahr lag der Wert bei 33 und damit bei knapp zwei Drops pro Spiel. Aktuell steht man bei weniger als einem Drop pro Partie.
All dies hilft natürlich weiter und zeigt vor allem, dass die Offense der Bills keine One-Man-Show mehr ist, eine One-Man-Show, die Allen selbst wahrscheinlich nie wollte.
Und es passt in das Bild, dass die Bills in dieser Spielzeit ausstrahlen. Gab es in den Vorjahren immer wieder Querelen, allen voran natürlich von Stefon Diggs, so hört man in dieser Saison keine weinerlichen Receiver, die sich beschweren, zu wenig Targets zu bekommen.
Aus der Ferne betrachtet hat der Umbruch im Sommer vor allem für eines gesorgt. Es gibt weniger Alphatiere in Buffalo, die Stimmung ist eine bessere. Es wird konzentriert gearbeitet, jeder versucht alles aus sich herauszuholen. Und der Erfolg spricht hierbei auf jeden Fall für sich.
Wohin geht die Reise der Bills?
Denn die Buffalo Bills gewinnen Spiele und das in aller Regelmäßigkeit. Seit dem 6. Oktober (20:23 vs. Texans) verlor man kein Spiel mehr. Die neue Identität des Teams scheint immer mehr Früchte zu tragen. Im Kampf um den First Seed liegt man nur einen Sieg hinter den Kansas City Chiefs, die in dieser Saison nicht so sattelfest wirken, wie sonst und ihre einzige Niederlage gegen die Bills kassierten.
Das bedeutet gleichzeitig, dass man bei gleicher Bilanz am Ende vor KC stehen würde und den ersten Platz in der AFC sichern könnte. Vom Restprogramm her sind die Bills nämlich auch gut bedient, müssen einzig noch die Lions als starkes Team spielen.
Dementsprechend ist es Buffalo sicher zuzutrauen auf dem ersten Platz in der AFC zu landen. Und selbst wenn nicht, dann hätte man zumindest bis mindestens zum AFC Championship Game den Heimvorteil und sollte dann wieder Kansas City warten, ist man gewappnet.
Und Josh Allen? Der ist laut den Buchmachern der heißeste Kandidat auf den MVP-Titel. Verdient hätte er ihn, doch er würde herzlich gerne auf die individuelle Auszeichnung verzichten und stattdessen mit den Bills den Olymp der NFL erreichen.