Footballtalent Kevin Bentin hat den Sprung von der NFL Academy in London auf ein amerikanisches Division-I-College geschafft. Im Interview mit sport.de verrät er nun, wie es dazu kam, was seine Perspektiven dort sind und was die Unterschiede zwischen der ELF und der Academy sind.
Zudem spricht Edge Rusher Bentin (20) im exklusiven Interview mit sport.de-Redakteur Marcus Blumberg über den Tagesablauf an der NFL Academy und was ihm dort am meisten bei seiner Entwicklung geholfen hat.
Und er gibt einen Einblick, wie seine Chancen auf einen Sprung in die NFL stehen.
NFL: Nachwuchstalent Kevin Bentin im Interview
Herr Bentin, beginnen wir doch einfach mit dem Klassiker: Wie sind Sie überhaupt zum Football gekommen?
Kevin Bentin: Eigentlich hat es in der Corona-Zeit angefangen. Ich habe Footballspiele im Fernsehen gesehen. Ich habe früher schon Fußball gespielt und war immer daran interessiert, einen anderen Sport zu machen, in dem man auf jeden Fall etwas mehr Kontakt hat. Und eines Tages waren dann ein paar Footballspieler in meinem Gym, die auch in der ELF und auf dem College in Amerika gespielt haben, und die habe ich dann gefragt, welches eigentlich das beste Team in Hamburg ist, bei dem ich anfangen sollte. Und da (bei den Hamburg Young Huskies, Anm. d. Red.) habe ich dann auch mein Probetraining absolviert und wusste direkt, dass das der Sport wird, den ich demnächst ausüben werde.
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Hatten oder haben Sie denn ein Lieblingsteam oder einen Lieblingsspieler?
Bentin: Mein Lieblingsspieler ist Von Miller, der jetzt gerade bei den Buffalo Bills spielt. Er spielt eine ähnliche Position wie ich und ich fand ihn schon immer cool. Was ein Lieblingsteam betrifft, hatte ich das eher nicht. Ich habe bei den Spielen immer eher auf die Spieler geschaut.
Kommen wir zu Ihrer Zeit an der NFL Academy. Beschreiben Sie doch mal einen normalen Tagesablauf.
Bentin: Das Besondere ist, dass in Sachen Sport und Schule alles zusammen ist. Das heißt, wir stehen in der Früh auf und gehen direkt ins Gym. 6:30 Uhr müssen wir schon da sein, dann ist direkt Warmup. Später haben wir Zeit, um uns für die Schule fertig zu machen, zu frühstücken und dergleichen. Danach geht es in die Schule, das sind zwei bis drei Stunden, im Anschluss geht es von der Schule direkt zum Training. Das Gute ist, dass da alles sehr nah beieinander gelegen und innerhalb von fünf bis zehn Minuten zu erreichen ist, was natürlich perfekt ist. Abends nach dem Training ist es dann eigentlich nur so, dass man sich auf den nächsten Tag vorbereitet und nochmal ein wenig abhängt mit den Teamkollegen und den Tag ein wenig ausklingen lässt.
Was ich mich im Zusammenhang mit der Academy schon immer gefragt habe, ist ja, wie da der Spielbetrieb aussieht. Machen sie da nur Trainingsspiele oder gibt es Vergleiche mit anderen Teams?
Bentin: Wir hatten dieses Jahr häufiger Spiele gegen amerikanische High Schools, das waren drei oder vier Spiele. Im nächsten Jahr dann stehen Spiele gegen europäische Teams auf dem Programm. Aber hier in England muss man sagen, dass die NFL Academy kein Teil einer offiziellen Liga ist, also sind es Freundschaftsspiele, allerdings sind es für uns natürlich in dem Sinne keine Freundschaftsspiele, weil es für uns Spieler um sehr viel geht. Wir suchen immer die besten Gegner und sind hier in Europa bisher ungeschlagen, was in jedem Fall ein Statement ist. Und ich denke, dass es in nächster Zeit auch nicht anders sein wird (lacht). Auch deshalb suchen wir immer die besten Gegner in Amerika - so kommen letztlich unsere Spiele zustande.
Kommt man denn mit einer festen Position an die Academy oder wird die dort erst gefunden?
Bentin: Es kommt immer auf die jeweiligen Spieler an. Bei mir war es so, dass ich ja schon vorher ein, zwei Jahre Football gespielt habe, sodass ich schon in einer Position drin war. Aber schon bevor man da hingeht, sagen die Coaches einem, wo sie dich sehen und wo sie dich eventuell einsetzen werden. Es gibt aber auch Leute, die komplett neu zu diesem Sport kommen. Wir haben Leute, die vorher etwa Basketball oder Rugby gespielt haben und dann erstmal als Athleten gesehen werden. Dann schaut man, was sie für körperliche Voraussetzungen haben, ob da einer schmaler und schneller ist und dann zum Beispiel Receiver oder Defensive Back sein kann, oder einer ist stärker und spielt dann Offensive oder Defensive Line. Danach entscheiden das dann die Trainer.
Gehen wir mal einen Schritt weiter zurück: Wie läuft denn der Recruitment-Prozess für die Academy ab?
Bentin: Ich habe ja vorher bei den Hamburg Young Huskies in meiner Heimatstadt Hamburg gespielt und eines Tages war das Jugendländerturnier in Deutschland, was immer ein großes Event ist. Jedes Bundesland hat sein eigenes Team und die treten einmal im Jahr in einem Turnier an. Dort war auch ein Trainer der NFL Academy, der mich gescoutet hat und so bin ich mit dem in Kontakt gekommen, nachdem ich ein sehr erfolgreiches Turnier gespielt hatte. Ich habe dann auch relativ schnell gemerkt, dass die mich haben wollten als Recruit.
Sie sind ja jetzt seit einem Jahr an der Academy. Was hat Sie persönlich seither am meisten nach vorn gebracht?
Bentin: Es ist auf jeden Fall das Football-Leben. Wir stehen morgens auf und haben jeden Tag Training. Die Coaches an sich sind wichtig, haben alle enorme Erfahrung. Die meisten waren in der NFL oder auf dem College-Level unterwegs. Jeder bringt sehr viel Erfahrung mit, die sie an uns weitergeben. Deshalb würde ich sagen, dass mich das Trainerteam sehr weit voran gebracht hat. Und dann natürlich die Tatsache, dass wir jeden Tag dort leben, alles nah beieinander ist und sich alles jeden Tag um Football dreht.
In der vergangenen Saison haben Sie auch noch kurz für die Sea Devils in der ELF gespielt ...
Bentin: Ja, dadurch, dass ich jetzt schon im Januar in der Early Signing Period nach Amerika gehe, war ich im Grunde schon im Sommer fertig an der NFL Academy und habe dann, auch um etwas Zeit zu überbrücken, bei den Hamburg Sea Devils gespielt. Das waren circa vier oder fünf Spiele.

Wenn Sie nun beides vergleichen - wo ist das Niveau höher, an der Academy oder in der ELF?
Bentin: Da gibt es schon einen klaren Unterschied. Die NFL Academy ist gewissermaßen eine Jugendmannschaft und in der ELF spielen Herrenmannschaften, in denen Leute sind, die schon sehr viel Erfahrung haben. Aber mit Blick auf die Academy würde ich sagen, dass alles schneller abläuft, die Spielzüge vor allem. Und man sagt ja, dass die Augen das wichtigste im Sport sind - wenn jetzt was passiert, sehe ich genau das - und das ist alles schneller an der Academy. In der ELF ist dafür alles physisch stärker. Die Leute sind einfach größer, stärker, älter und haben meistens auch mehr Erfahrung.
Sie wechseln in Kürze zu den Long Island University Sharks. Zuvor waren Sie auf einer US-Tour mit der Academy. Wie lief dieser ganze Prozess eigentlich ab?
Bentin: Die US-Tour gibt es jedes Jahr. Wir reisen da mit einigen Spieler in die USA und nehmen dort an ein paar Footballcamps der Colleges teil. Das ist immer so eine Art Probetraining vor den Coaches der jeweiligen Schule. Wir waren bei fünf verschiedenen Schulen. Ich selbst bin allerdings allein zu den LIU Sharks geflogen und habe an deren Camp teilgenommen, weil von deren Seite schon vorher Interesse bestanden hat. Ich habe mich dort gut präsentiert und bekam dann eben ein Angebot auf ein Stipendium.

Wie sehen denn Ihre Perspektiven für die erste Saison aus? Gab es da schon Signale von den Coaches?
Bentin: Mein Ziel ist es natürlich, direkt im ersten Jahr zu spielen. Im bin schon im Gespräch mit den Trainern und die sehen gute Chancen, dass das auch so kommt. Aber - und das sage ich auch selbst immer wieder - wird einem nichts einfach so gegeben, sodass ich mir das auch verdienen muss. Da spielen aber auch andere Faktoren rein, etwa welche Spieler von den vorherigen Jahren noch da sind. Das Gute ist, dass es zuletzt einige Seniors gab, die jetzt gerade ihre letzte Saison hatten auf meiner Position. Das heißt, die Stammspieler sind nächste Saison nicht mehr da. Das erhöht die Chance für mich, im nächsten Jahr schon zu starten.
Wie sehen Sie denn darüber hinaus ihre Perspektive? Konkret: Ist die NFL ein realistisches Ziel für Sie?
Bentin: Auf jeden Fall. ich denke, wenn ich jeden Tag die Arbeit reinstecke, dann ist die NFL für mich ein erreichbares Ziel. Darüber hinaus gibt es aber mittlerweile auch andere Wege wie zum Beispiel das International Pathway Program, an dem man teilnehmen kann, um in die NFL zu kommen. Aber ich denke, wenn ich jeden Tag an mir arbeite und hart arbeite, dass es auf jeden Fall für mich möglich ist, in die NFL zu kommen.
Dabei drücken ich Ihnen natürlich die Daumen! Eine Abschlussfrage habe ich aber noch: NFL-Deutschland-Chef Alexander Steinforth hat kürzlich die Footballförderung in Deutschland gelobt. In welcher Weise haben Sie denn davon profitiert?
Bentin: Ich denke, dass die Jugendförderung in Deutschland sehr gut ist. Man hat eine Liga für Jugendmannschaften, die sehr gut funktioniert. Es gibt viele gute Teams, die Spieler und Trainer sind alle sehr ambitioniert. Als Spieler selbst spielt man in der höchsten Liga, in der man spielen kann. International würde ich zudem behaupten, dass die deutsche Liga die beste von allen hier in Europa ist, weshalb man in Deutschland auf jeden Fall den besten Wettbewerb hat, um als Spieler selbst zu wachsen, besser zu werden und sich mit anderen Spielern zu messen.