Woche 13 der NFL ist nahezu hinter uns und die Chiefs haben schon wieder äußerst glücklich gewonnen. Derweil haben sich die Bears von ihrem Head Coach getrennt und gleiches könnte demnächst auch in Las Vegas passieren. Zudem sollte ein Übeltäter hart bestraft werden.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg liefert jede Woche seine Erkenntnisse des zurückliegenden NFL-Wochenendes.
Mahomes und Chiefs auf Tebows Spuren
Als ich am Black Friday das Spiel der Kansas City Chiefs und Las Vegas Raiders (19:17) und vor allem das Ende sah, schoss mir vor allem ein Gedanke in den Kopf: dieses Team erinnert mich verdächtig an die Denver Broncos von 2011. Das neueste Beispiel: Die Art und Weise, wie diese Partie endete.
Den Chiefs gelang es nicht, selbst die Tür zu zu machen. Und das, weil man sich bei 3rd&Short dazu entschloss, einen Shot auf Xavier Worthy zu versuchen, anstatt einfach - wie sonst üblich - aufs Run Game zu setzen, das gerade erst Isiah Pacheco zurückbekommen hatte. Der Pass wurde überworfen und die Chiefs punteten. Die Raiders marschierten daraufhin bis an die 32 der Chiefs und stoppten die Uhr 16 Sekunden vor Schluss per Spike.
Im Anschluss fumbelte der bis dahin starke Aidan O'Connell einen viel zu frühen Snap von Jackson Powers-Johnson, die Chiefs eroberten den Ball und hatten einmal mehr ein One-Score-Game gewonnen. Die Raiders schlugen sich also essenziell selbst, auch wenn die Schiedsrichter letztlich auf diesen Fehler noch einen draufsetzten und das Play abpfiffen, bevor es überhaupt zur Balleroberung gekommen war, sich dann aber nach dem Fakt anders entschieden.
Die Chiefs hatten also doppeltes Glück in der Situation. Einmal, dass der Snap verunglückt war. Und dann, weil die Schiedsrichter ihren eigenen Fehler ignorierten und den Chiefs damit den Ball gewissermaßen überließen.
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Wieder einmal schlug sich ein Gegner selbst oder ein Fehler der Schiedsrichter fiel zu Gunsten der Chiefs aus. Besonders der Part mit dem sich selbst schlagenden Gegner ist es jedoch, was mich so sehr an die damaligen Broncos und Tebow erinnert. Auch in jener Saison fanden diverse Gegner immer wieder kreative Wege, zu verlieren, obwohl die Broncos gar nicht mal so gut waren.
Chiefs perfekt in One-Score-Games
Die Chiefs stehen jetzt bei 11-1, sind sicher in den Playoffs und haben eine 96-prozentige Chance, die AFC West wieder mal zu gewinnen. Sie sind also schon jetzt in sehr guter Position, zum dritten Mal in Serie in den Super Bowl einzuziehen. Und: sie sind 8-0 in One-Score-Games. Die Gründe dafür habe ich bereits erwähnt.
Die Wahrheit ist aber auch, dass sie lediglich die drittbeste Punktedifferenz in ihrer eigenen Division aufweisen (+52) und damit unter den Division-Leadern nur vor den Texans (+17) liegen, die ganz andere Probleme haben. Die Chiefs mögen nahezu unbesiegbar wirken - außer wenn es nach Buffalo geht -, doch zeigten nun auch die Raiders die signifikanten Probleme dieses Teams auf, allen voran auf Left Tackle. Wanya Morris allein ließ elf Pressures zu, was die meisten von einem Chiefs-Offensive-Tackle seit Morris in Woche 16 2023 ebenfalls gegen die Raiders waren.
Hier dürfte bald D.J. Humphries übernehmen, doch der ist offenbar noch nicht spielfit nach seinem Kreuzbandriss im vergangenen Dezember. Und das nagt an Patrick Mahomes, der seine statistisch wohl schlechteste Saison überhaupt spielt und auch gegen die Raiders wenig effizient agierte (0,03 EPA/Play). Seine Pässe waren zu oft zu unpräzise (-8,5 Prozent CPOE) und er stand unter Dauerdruck (34,6 Prozent Pressure Rate). Alarmierend ist in dem Zusammenhang auch, dass ihn die Raiders in 32,7 Prozent seiner Dropbacks geblitzt haben, was zeigt, dass man nicht mehr allzu besorgt ist, dass er daraus Kapital schlägt. Früher war das undenkbar.
Zu allem Überfluss sah die eigene Defense zuletzt aber auch nicht mehr so dominant wie zu Saisonbeginn aus. Sowohl die Panthers als auch die Raiders bewegten den Ball ziemlich effektiv, die Bills ohnehin. Das mag im Rest dieser Regular Season keine große Rolle mehr spielen, doch in den Playoffs könnten all diese Probleme zu Stolpersteinen werden auf dem Weg zum anvisierten Threepeat.
Und eine vorzeitige Playoff-Pleite wäre eine weitere Parallele zu Tebows Broncos von vor 13 Jahren.
Pierce, Eberflus und der fehlende Plan
Matt Eberflus ist nicht mehr Heas Coach der Chicago Bears, denn das Franchise aus der Windy City hat erstmals seit seinem Bestehen einen Cheftrainer innerhalb einer Saison entlassen. Und jetzt kann man über die Art und Weise dieses Vorgangs triftig streiten - ihn am Freitagvormittag erst noch zur Pressekonferenz zu schicken, um ihn dann am Nachmittag zu feuern, ist ein richtig schlechter Look für die Organisation! Doch über die Entscheidung an sich kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben.
Eberflus flog raus, weil sein Team underperformt hat. Es steht nun bei 4-8, obwohl man offensive an sich ziemlich gut bestückt ist und auch defensiv richtig gutes Personal angesammelt hat. Die Bears haben ihre vergangenen sechs Spiele am Stück verloren und damit zwischenzeitlich offensiv komplett blutleer gewirkt. Die Konsequenz daraus war die Entlassung von Offensive Coordinator Shane Waldron, den Eberflus unter anderem Kliff Kingsbury vorgezogen hatte. Während jener in dieser Saison dabei ist, Jayden Daniels zum Offensive Rookie of the Year zu machen, war Waldron schlicht eine Fehlbesetzung, die auf Eberflus geht.
In den vorangegangenen zwei Partien wurden zwei Field-Goal-Versuche der Bears geblockt, darunter der zum vermeintlichen Sieg über die Packers am Buzzer. Doch auch das war offenbar nicht bitter genug. Also musste Eberflus gewissermaßen noch einen draufsetzen.
Gelungen ist ihm dies an Thanksgiving, als die Bears scheinbar die komplette erste Halbzeit verschliefen, ehe sie dann doch noch gewaltig erwachten und drauf und dran waren, wenigstens den Ausgleich zu erzielen. Was folgte, war die wohl am schlechtesten gemanagte Schlussphase, die wir seit langem gesehen haben in der NFL. Caleb Williams brachte sein Team bis an die 25 der Detroit Lions, woraufhin die Dinge in die falsche Richtung liefen.
Eine Strafe gegen die Offense kostete die Bears zehn Yards. Anschließend entschied man sich für einen Quarterback-Draw, der sofort gestoppt wurde und zu einem Sack führte mit 36 Sekunden auf der Uhr. Die Bears hatten noch eine Timeout, doch weder Williams noch Eberflus machten von ihr Gebrauch. Vielmehr ließ man die Uhr herunterlaufen und Williams bekam bis auf einen Verzweiflungspass nichts mehr zustande.
Clock-Management als Stolperstein
Die Bears hatten schlicht keinen Plan, wie diese Partie konkret hätte enden sollen und Eberflus war schlicht überfordert mit dem Clock-Management und ließ sein Team ins Verderben trotten.
Ähnliches darf man einmal mehr auch Antonio Pierce von den Raiders vorwerfen. Auch er wirkt immer wieder überfordert mit dem Druck am Spielende und dem Managen der Situation. Das ging am Black Friday schon damit los, dass Pierce ohne Not seine erste Timeout in der zweiten Hälfte dadurch wegwarf, dass er bei 4th&11 mit 2:21 Minuten auf der Uhr zunächst das Punt-Team aufs Feld schickte, um sich das dann doch nochmal zu überlegen. Damit verschwendete er so viel Zeit, dass eine TO hermusste. Anschließend verschoss Anders Carlson aus 58 Yards. Das Resultat: keine Punkte und eine Timeout weniger für Las Vegas.
Die Chiefs ließen die Tür weit offen, doch es kam schließlich zu oben genanntem Ende im Spiel. Nicht jedoch, ehe Pierce auch in dieser Situation seine Finger im Spiel hatte und den grandiosen Plan ausschmidete, erst den Ball zu spiken und dann 16 Sekunden nochmal ein paar Sekunden mit einem Dropback samt Scramble zu verschwenden, ehe AOC den Ball weggeworfen hätte, um im Anschluss das Field Goal zu treffen.
Die naheliegende Frage nach dieser Erklärung von Pierce ist: wenn sie ohnehin nicht auf Touchdown gehen wollten und Field Goal immer der Plan war, warum genau war dann Spike der Call? Noch dazu mit 16 Sekunden zu spielen. Wäre es nicht sinnvoller und einfacher gewesen, die Uhr bis wenige Sekunden vor Ende einfach bis zum Field Goal runterlaufen zu lassen?
Unterm Strich haben wir hier noch einen Coach, der ohne erkennbaren Plan in den wichtigsten Moment des Spiels gegangen ist. Pierce mag noch die Rückendeckung seiner Spieler haben, doch wie lange wird sich das Mark Davis noch ansehen, ehe auch er die Reißleine zieht?
Al-Shaair muss hart bestraft werden
Mittlerweile dürften wir alle den schockierenden Hit von Texans-Linebacker Azeez Al-Shaair gesehen haben. Jaguars-Quarterback Trevor Lawrence, der nach ein paar Wochen Pause zurück war, setzte im Spiel gegen Houston nach Scramble zum Slide an und war schon unten, als Al-Shaair angerauscht kam und Lawrence mit gehobenen Arm voran hart am Kopf traf. Lawrence kippte nach hinten über und schlug mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf.
Das Resultat war für Lawrence, dass er offenbar kurz ausgeknockt war und letztlich mit einer Gehirnerschütterung raus musste. Al-Shaair wiederum wurde korrekterweise anschließend des Feldes verwiesen. Doch damit kann es eigentlich nicht geregelt sein. Auch wenn er das nicht zugeben wird, war das eindeutig eine vorsätzliche Aktion, warum sonst sollte er mit angehobenem Arm voraus gegen den Kopf des Quarterbacks gehen? Und es ist nicht so, dass er keine Zeit gehabt hätte, zurückzuziehen.
Wenn der NFL die Sicherheit der Spieler am Herzen liegt, dann dürfen solche Attacken einfach nicht passieren. Ein Quarterback ist geschützt, sobald er zum Slide ansetzt. Natürlich kommt es dann immer mal wieder vor, dass er zu spät zum Slide ansetzt und ein Gegenspieler dann schon im Anflug ist. Doch in der Regel zieht ein solcher dann zurück und trifft den QB immerhin nicht so gefährlich am Kopf.
Al-Shaair jedoch machte keine Anstalten, zurückziehen. Vielmehr ging er mit Wucht in den Gegner und nahm eine schwere Verletzung billigend in Kauf.
Ein weiterer Grund, warum man diese Vermutung so offen aussprechen kann, ist seine Vorgeschichte. In der Vorwoche erst wurde er für einen späten Hit im Aus gegen Titans-Running-Back Tony Pollard bestraft und in Woche 2 hatte er bereits einen schlimmen Hit gegen Bears-QB Caleb Williams ausgeteilt, für den es überraschend keine Flagge gab. Im selben Spiel jedoch wurde er mit einer Geldstrafe belegt, weil er Bears-Running-Back Roschon Johnson mit der Faust geschlagen hatte.
Er ist damit ein Wiederholungstäter und solche sollten entsprechend hart bestraft werden - inklusive einer Sperre für ein oder mehrere Spiele. Jedenfalls dann, wenn die Gesundheit der Spieler tatsächlich im Mittelpunkt steht.
Wir müssen über Justin Tucker reden!
Der vielleicht beste Kicker der NFL-Geschichte, Justin Tucker, bleibt in dieser Saison das große Sorgenkind der Baltimore Ravens. Beim 19:24 gegen die Philadelphia Eagles vergab er nicht nur einen Extrapunkt, er vergab auch zwei Field-Goal-Versuche aus 47 und 53 Yards und kostete seinem Team damit rein rechnerisch den Sieg, Es war überdies das erste Mal in Tuckers Karriere, dass er drei Kicks nicht durch die Stangen beförderte.
Laut "Next Gen Stats" haben die Ravens durch diese drei Fehlversuche von Tucker 28,4 Prozent an Siegwahrscheinlichkeit eingebüßt. Insgesamt kostete Tucker den Ravens mit seinen nun acht vergebenen Field-Goal-Versuchen und zwei verschossenen Extrapunkten in dieser Saison bereits 61,6 Prozent an Siegwahrscheinlichkeit, was der siebthöchste Wert aller Kicker in der NFL ist. Zum Vergleich: Von 2016 bis 2023 gewannen die Ravens dank Tuckers Kicks sagenhafte 167,1 Prozent an Siegwahrscheinlichkeit, was mehr als viermal so viel wie jeder andere Kicker in dem Zeitraum bedeutete.
Das ist ein enormer Einbruch für die ansonsten sichere Bank der Ravens. Und allmählich muss man sich nun fragen, wie lange das so weitergehen kann, bis man Konsequenzen wird ziehen müssen. Die Ravens wollen - endlich - einen Super Bowl erreichen und natürlich auch gewinnen. Die AFC ist in der Spitze sehr nah beieinander und wenn man weiß, wie zuverlässig die Kicker der Konkurrenz sind, allen voran die mittlerweile drei verschiedenen bei den Chiefs, dann muss die Frage erlaubt sein, ob man es sich leisten kann, mit einem Wackelkandidaten wie Tucker in die Playoffs zu gehen.
Ravens: Tuckers Zukunft ungewiss
Ich spreche nicht davon, ihn zu entlassen. Doch womöglich ist es an der Zeit, sich dennoch nach Alternativen umzusehen. Es ist durchaus möglich, dass er sich bis Januar fängt. Doch garantiert ist das angesichts seiner aktuellen Form nicht. Und dann nicht vorbereitet zu sein, wäre wohl fahrlässig. Man muss man auch gar nicht vorschnell vor die Tür setzen, ein anderer Kicker könnte zunächst auf der Practice Squad geführt werden und würde keinen festen Platz im 53er-Kader kosten.
Was dann über die Saison hinaus passiert, ist indes spannend, denn Tucker hat nach dieser Spielzeit keine Garantien mehr im bis 2027 laufenden Vertrag. Ihm stünden 4,2 Millionen Dollar an Gehalt zu, was recht viel ist für einen unzuverlässigen Kicker. Im Zweifel könnte dies also seine letzte Saison in Baltimore sein.
Für den Moment jedoch wird sich erstmal nichts ändern, wenn man Head Coach John Harbaugh Glauben schenkt: "Ich denke nicht, dass das eine weise Entscheidung wäre", ließ Harbaugh nach dem Spiel wissen.







































