In zwei Wochen starten die Skispringer im norwegischen Lillehammer die Weltcup-Saison 2024/2025. Der fünfmalige WM-Goldmedaillengewinner Karl Geiger startet nach einem durchwachsenen letzten Winter mit ehrgeizigen Zielen in die neue Saison und hat sich nicht nur für die Vierschanzentournee und die Nordische Ski-WM in Trondheim im Februar 2025 viel vorgenommen.
sport.de hat exklusiv mit dem 31-Jährigen über seine bisherigen Vorbereitungsschwerpunkte, das neue Reglement und seine gesteckten Ziele für den kommenden Winter gesprochen.
Herr Geiger, am 22. November geht es in Lillehammer los mit der neuen Weltcup-Saison 2024/2025. Wie blicken Sie auf den zurückliegenden Sommer zurück und wie bewerten Sie nun die heiße Phase der Weltcup-Vorbereitung?
Karl Geiger: Mit dem ersten Teil der Vorbereitung war ich sehr zufrieden und bin dann auch mit einem guten Gefühl im August zum Sommer-Grand-Prix nach Courchevel gefahren. Dort sind aber ein paar Fehlerbilder aufgetaucht, mit denen ich auch im letzten Winter zu kämpfen hatte. Das hat eine gewisse Unruhe in mir ausgelöst. Danach habe ich an den Punkten gearbeitet, bei denen es nicht rund lief. In den letzten Wochen bin ich dann wieder deutlich besser gesprungen und habe jetzt ein ordentliches Gefühl für den Winter.
Was sind es genau für Stellschrauben, an denen Sie zuletzt am meisten gearbeitet haben?
Da geht es um technische Details, um Sprungdetails. Es ist manchmal etwas trügerisch, wenn ich genau weiß, wie es ausschauen sollte, aber es in der Ansteuerung nicht so hinbekomme. Es ist das A und O, die richtigen Punkte herauszufinden, an denen man arbeiten muss. Bei mir sind die Anlaufposition und die Absprungbewegung immer große Themen, in welche Richtung ich den Absprungschub ansteuere. Da habe ich noch mal eine Kleinigkeit abgeändert und ich habe das Gefühl, dass es jetzt besser wird.
Liegt Ihnen diese Detailarbeit im Training? Oder sehnen Sie sich jetzt eher nach dem Wettkampf?
Mir liegt es an sich schon. Ich bin ein sehr analytischer Mensch und arbeite meine einzelnen Punkte sehr gut aus. Wenn es nicht so voran geht, wie ich es mir vorstelle, kann es schon mal etwas frustrierend werden, aber auch das ist kein Problem. Zuletzt ist es deutlich besser geworden.
Die neue Weltcup-Saison startet mit dem ersten Wochenende in Lillehammer am 22. November. Wie sieht nun konkret die heiße Phase der Vorbereitung für Sie und das DSV-Team aus, bevor es Richtung Norwegen geht?
Wir hatten zuletzt einen Lehrgang in Garmisch-Partenkirchen, fahren nächste Woche noch zum finalen Lehrgang nach Klingenthal. Da werden wir die letzten Trainingseinheiten machen und dann geht es nach einer kurzen Pause nach Norwegen.
In der letzten Saison stand für Sie Platz 17 im Gesamtweltcup zu Buche – mit einigen Aufs und Abs. Wie schnell konnten Sie das letzte Jahr für sich abhaken?
Das ist immer schwer zu sagen. Ich hatte einen sehr guten Dezember gehabt, bin dann ab Januar 2024 nicht mehr richtig in Schuss gekommen. Punktuell habe ich gute Sprünge gehabt, aber es war viel zu inkonstant und die Basis war einfach zu wenig. Ich habe versucht, daraus zu lernen.
Mit welchen Erwartungen gehen Sie nun in die neue Saison?
Mein Ziel ist es, mehr Konstanz und Stabilität in die Leistungen zu bekommen. Das ist die größte Herausforderung, aber die nehme ich an und möchte da weiter an mir arbeiten. Die letzten Wochen haben mir auch ein gutes Gefühl gegeben. Ich weiß natürlich nicht, ob es für ganz vorne reichen wird, so ehrlich bin ich auch. Aber ich glaube schon, dass wenn mein Setup gut abgestimmt ist, ich stabil meine Leistungen abrufen kann.
Über welche Platzierungen sprechen wir dann Ihrer Ansicht nach? Wie weit kann es dann nach vorne gehen für Sie?
Mein Ziel ist es, möglichst häufig in die Top Ten zu springen. Wenn ich erst einmal konstant um Platz zehn herum springen könnte, wäre das super, um mich zu stabilisieren und Selbstvertrauen zu tanken. Ich weiß: Wenn ich dann die Lunte rieche und merke, da geht auch mal mehr, bin ich mental stark und gut und kann dann auch Plätze weiter vorne angreifen.
Worauf freuen Sie sich in der bevorstehenden Saison am aller meisten?
Definitiv die Vierschanzentournee und die WM in Trondheim. Wenn man sich aussuchen könnte, wo man seine besten Leistungen abruft, dann geht es natürlich um diese zwei Events.
Geiger sicher: "Man muss mich auch auf der Rechnung haben!"
Ab der neuen Saison gibt es im Reglement einige Veränderungen, was die Sprunganzüge angeht. So wird die Gesamtzahl der erlaubten Sprunganzüge auf maximal zehn pro Saison begrenzt, es wurden von der FIS wieder strenge Kontrollen angekündigt. Bedeutet das neue Anzug-Reglement für Sie einen großen Einschnitt beziehungsweise Umstellungen?
Es bedeutet gewisse Einschränkungen, aber ich sehe vor allem auch die Chancen. Das Reglement ist für alle gleich, von daher bringt es hoffentlich einfach auch mehr Ruhe in das ganze Materialthema rein. Man hat nicht mehr viel Spielraum, was mögliche Änderungen am Anzug in einer Saison angeht, man sollte schon versuchen, auf einem Anzugschnitt draufzubleiben. Wenn die Anzüge vorher kontrolliert werden und alles passt, ist schon mal viel getan für die Fairness.
Mehr dazu:
Es ist eine neue Regelung, das bedeutet am Anfang immer auch ein bisschen Hektik und eine gewisse Ungewissheit. Wir schauen mal, wie sich das entwickelt. Aber ich glaube schon, dass es eine gute Variante sein kann.
Hat sich ansonsten bei Ihnen noch etwas getan hinsichtlich des Materials?
Ich habe im Sommer sehr viel mit dem Ski getestet und springe jetzt auch eine andere Variante. Auch da geht es um Kleinigkeiten. Der Rest ist eigentlich gleichgeblieben. Wir sind noch nicht ganz am finalen Setup angelangt, aber wir kriegen das hin. Jetzt starten wir erst einmal rein und schauen dann, wo wir stehen.
Mit Blick auf ihr DSV-Team: Was haben Sie für eine Stimmung und Erwartungshaltung in der deutschen Mannschaft vor dem Weltcup-Start ausgemacht?
Ich glaube, wir haben ein cooles und schlagkräftiges Team zusammen. Einige von uns springen auch wirklich schon sehr, sehr gut. Wir haben in diesem Winter dank der Bronzemedaille von Adrian Tittel bei der Junioren-WM auch einen Startplatz mehr und dürfen mit ihm im Team jetzt zu siebt starten. Das ist eine super Chance finde ich und ein großes Privileg. Wie die individuellen Leistungen dann vor Ort sein werden, kann man immer schwer abschätzen. Aber Stand heute, glaube ich, dass wir ganz gut mit dabei sind.
Wer sind für Sie die größten Favoriten in der neuen Weltcup-Saison?
Wie gesagt, das ist immer schwer zu sagen. Marius Lindvig hat im Sommer sehr gute Leistung gebracht, ich habe auch Halvor Egner Granerud wieder auf der Rechnung. Ich glaube, die zwei Norweger werden sehr gut springen. Mit Stefan Kraft und Ryoyu Kobayashi ist natürlich eh immer zu rechnen. Sie sind einfach sehr gute Skispringer und werden immer da vorne mitkämpfen. Wie dominant das sein wird, wird sich zeigen.
Also gibt es auch in diesem Winter das Potenzial für große Überraschungen im Skispringen?
Ja, absolut! Man kann es im Vorfeld nie genau sagen. Es gibt ein paar Athleten, wenn die ihre Sachen beieinanderhaben, muss man sie auf der Rechnung haben. Wenn bei mir alles zusammenläuft, muss man mich auch auf der Rechnung haben! Aber bis dahin muss noch ein bisschen was passieren. Es gibt in jedem Winter Athleten, die für große Überraschungen sorgen können – und da bin ich mal gespannt, wer das heuer sein wird und überraschen kann! Beim Sommer-Grand-Prix in Courchevel ist zum Beispiel der Franzose Valentin Foubert sehr gut gesprungen inklusive Podestplatzierungen. Es ist alles möglich und ich lasse mich gerne überraschen!