Nach den ersten sieben Wochen der NFL-Saison ist Lamar Jackson in aller Munde. Doch es gibt in der AFC noch einen anderen Quarterback, der vermutlich das beste Jahr seiner Karriere absolviert. Die Rede ist von Josh Allen von den Buffalo Bills. Doch wie gut ist er wirklich?
Josh Allen spielt seit Jahren auf Top-Niveau, auch wenn man mit ihm immer wieder zahlreiche Turnovers in Verbindung bringt. Speziell wegen seiner Interceptions stand er immer wieder in der Kritik, auch wenn er objektiv betrachtet gerade in den vergangenen Jahren eher Pech in dieser Hinsicht hatte und gar nicht für so viele davon wirklich verantwortlich war.
In diesem Jahr fällt auf, dass Allen nach sieben Spielen noch gar keine Interception geworfen, dafür aber schon zwölf Touchdowns auf dem Konto hat. Oberflächlich betrachtet ist er damit unter den Top-Quarterbacks in dieser Saison der einzige, der noch keinen Pick geworfen hat.
Mehr noch: Allen hat es laut "Next Gen Stats" zum ersten Mal in seiner Karriere geschafft, nach sieben Wochen einer Saison nicht mindestens zwei Interceptions zu werfen, wenn er nicht unter Druck stand. Umgekehrt führt er die Liga in diesem Jahr im Übrigen mit sieben Touchdown-Pässen an, wenn er nicht unter Druck steht. Zudem wird er den Ball in diesem Jahr ohne Druck so schnell los wie nie zuvor, nämlich im Schnitt nach 2,45 Sekunden.
NFL: Josh Allen in allen Belangen top
Doch schauen wir uns Allens Leistungen im Detail an, um herauszufinden, ob er wirklich besser als jemals zuvor in seiner Karriere (seit 2018) ist.
Beginnen wir mit dem Kontext dieser Saison, in der er nach sieben Wochen nahezu durch die Bank irgendwo in den Top 10 zu finden ist, was die einzelnen Statistiken betrifft. Seine 12 Touchdowns bedeuten Rang 6, die 0 Interceptions Rang 1 und lediglich die 1483 Yards (12.) reichen nicht für einen Platz unter den ersten zehn.
Sein Passer Rating (108,4) bedeutet Rang 4, seine +0,24 EPA/Dropback Rang 3, die 8,42 Adjusted Net Yards per Attempt (ANY/A) bescheren im Rang 2 und "ESPN" hat ihn mit 77,6 Total QBR sogar auf Rang 1 gelistet.
Grundlegend zeigt das, dass Josh Allen auch 2024 wieder zu den absolut Besten seines Fachs gehört, zumal er sein Team zu einer 5-2-Bilanz geführt hat, mit der die Bills einmal mehr die AFC East anführen und klar auf Playofff-Kurs liegen. Doch wie lassen sich seine Vorstellungen mit den vergangenen Jahren vergleichen?
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Josh Allen: Mehr Glück bei Turnovers
Beginnen wir erneut mit den Turnovers. Allen hatte in diesem Jahr bereits vier Fumbles, die zu zwei Ballverlusten führten. Aber abgesehen davon stehen eben keine Interceptions zu Buche. Aber solche sind eben einfach auch immer eine Sache von Glück und Pech. Laut "PFF" stehen für Allen bereits zehn sogenannte "Turnover Worthy Plays" auf dem Zettel, also solche, bei denen ein Ballverlust die Folge hätte sein können oder sogar sollen. Damit liegt er derzeit bei einer TWP-Quote von 4,3 Prozent, was über dem Vorjahreswert (3 Prozent) und auch über dem Karriereschnitt (3,8) liegt.
Man kann also sagen, dass er Stand jetzt mehr Glück hatte mit solchen Plays als zuletzt, wenn man das Endresultat betrachtet. Dass seine theoretische Fehlerquote höher liegt als sonst, lässt sich derweil relativ leicht erklären, denn Allen ist in diesem Jahr aggressiver unterwegs als üblich. Seine durchschnittliche Passtiefe ging im Vergleich zum Vorjahr etwas nach oben (von 8,6 auf 9,2 Yards) und sein Anteil an Deep Balls (mindestens 20 Air Yards) stieg von 11,4 auf 12,7 Prozent. Doch der größte Unterschied in seiner Herangehensweise ist der Anteil an Würfen in enge Passfenster (Target hat weniger als 1 Yard Separation vom nächsten Verteidiger).
19 Prozent von Allens Pässen gehen in diesem Jahr in solche engen Passfenster. Sein höchster Wert zuvor waren 15,4 Prozent im Jahr 2019. Im Vorjahr lag der Wert bei lediglich 14,9 Prozent. Und das ist durchaus bemerkenswert, denn im Grunde musste Allen 2024 mit einem nahezu runderneuerten Receiving Corps in die Saison gehen. Eigentlich blieb nur Khalil Shakir aus dem Vorjahr übrig. Und dennoch bringt es Allen derzeit auf +1,3 Prozent Completion Percentage over Expected und nur 4,8 Prozent seiner Pässe wurden fallengelassen.
Allen hatte bislang nur 2020 einen positiven CPOE-Wert (+4,8 Prozent) in seiner Karriere und Receiver haben zuvor nie weniger als 6,5 Prozent seiner Pässe in einer Saison fallengelassen - sein Karriereschnitt liegt bei 7,4 Prozent. Beide Werte sind immer ein Zusammenspiel aus QB und Receiver, doch dass Allen nun an sich fangbarere Pässe wirft, lässt sich nicht von der Hand weisen.
Buffalo Bills: Weniger Läufe für Allen
Bemerkenswert ist derweil, dass sich Allens und damit auch das Spiel der Bills stilistisch verändert hat. Die Bills spielen zum einen deutlich weniger Play Action als früher. Während seine Play-Action-Quote in seiner Karriere bisher immer zwischen 20 und 30 Prozent pendelte, liegt sie derzeit bei nur 16,1 Prozent. Wir sehen also mehr herkömmliche Dropbacks. Zudem setzt ihn Offensive Coordinator Joe Brady seltener im Laufspiel ein.
Über die ersten sieben Spiele der Saison kam Allen im Schnitt nur zu einem designten Run pro Spiel. Zuvor waren es nie weniger als 1,8 designte Runs pro Partie über eine gesamte Saison gerechnet. Und auch die generelle Anzahl seiner Ausflüge zu Fuß sind rückläufig. Derzeit steht er bei 20 Scrambles, womit er auf Kurs zu 48,5 in dieser Saison ist. Weniger als 55 solcher Scrambles hatte er zuletzt 2020 (42). Und dennoch hat Allen mit diesem neuen Ansatz im Grunde mehr Erfolg.
Er läuft allen voran effizienter. Seine +0,53 EPA/Rush sind der höchste Wert seiner Karriere. Der bisherige Bestwert waren +0,47 EPA/Rush aus dem Vorjahr. Seine Success Rate (57,9 Prozent) ist zwar schlechter als in den vergangenen drei Jahren, er liegt aber auf Rang 2 in Success Rate bei seinen designten Runs (57,1 Prozent) unter Quarterbacks mit mindestens 5 designten Runs.
Allen versteht es also besser, seine Spots zum Laufen zu finden. Und das gilt im Übrigen auch für sein Spiel in der Pocket, wo er eine bemerkenswerte Diskrepanz im Verhalten anhand der jeweiligen Situation aufweist.

Josh Allen wird den Ball insgesamt schneller los
Allen braucht derzeit 2,84 Sekunden, um den Ball zu werfen. Das ist schneller als in all seinen bisherigen NFL-Saisons. Aber: laut "Next Gen Stats" wirft er den Ball in frühen Downs in 2,56 Sekunden, während er bei 3rd Down im Schnitt 3,51 Sekunden braucht. Das ist die größte Time-to-Throw-Diskrepanz in dieser Saison (+0,95 Sekunden). Seitdem "NGS" das misst, hielt nur Patrick Mahomes 2023 den Ball bei 3rd Down noch länger (3,55 Sekunden).
Warum ist das so? Nun, bei 3rd Down ist der Druck größer, die Notwendigkeit, Erfolg zu haben, damit höher. Daher hält Allen den Ball länger und sucht die bestmögliche Option, geht also mitunter weniger Risiko. Zugleich erhöht das aber auch den Druck: Allen sieht bei 3rd Down Pressure in 49,2 Prozent seiner Dropbacks, was der fünfthöchste Wert der NFL ist.
Josh Allen, der am kommenden Sonntag mit den Bills bei den Seattle Seahawks (21:05 Uhr live bei RTL) im Einsatz sein wird, spielt unterm Strich weniger wild als früher, bringt dadurch mehr Präzision und Effizienz in sein Spiel, ohne dabei zu zurückhaltend zu werden, und bleibt in großen Momenten trotz teils heftigem Druck der gegnerischen Defense cool.
Ist er damit entscheidend besser als früher? Die ersten Anzeichen suggerieren, dass er zumindest mal weniger spektakulär, dafür aber kontrollierter spielt und seinem Team somit mehr hilft, als er es früher getan hat. Und das ist wohl der Schritt, der ihm bislang noch ein wenig gefehlt hatte.