Die Saison geht mit großen Schritten auf die Halbzeitmarke zu. Das bedeutet, dass wir auch die Rookies jetzt für fast eine halbe Saison in der NFL gesehen haben. Wer setzt sich hier ab? Und welche Teams können nach den ersten beiden Monaten der Saison besonders zufrieden mit ihrer Draft-Klasse sein?
In seiner monatlichen Kolumne schreibt RTL-Experte Adrian Franke exklusiv über die NFL bei sport.de und beantwortet die Fragen der Fans.
Eine gute Draft-Klasse zeichnet sich für mich durch zwei Dinge aus: Mindestens einen High-Impact-Spieler auf einer Premium-Position - also Quarterback, Wide Receiver, Pass-Rusher, Corner oder Offensive Tackle -, kombiniert mit mehreren Startern auf anderen Positionen.
Der goldene Standard ist der 2017er Saints-Draft. New Orleans fand in jenem Jahr All-Pro-Spieler auf Premium-Positionen mit Marshon Lattimore und Ryan Ramczyk, sowie sehr gute Starter in Marcus Williams und Alvin Kamara auf anderen Positionen. Zusätzlich zu Trey Hendrickson, der zunächst nur Rotationsspieler, später dann Starter war.
Diese Höhen zu erreichen, das gelingt nur in den seltensten Fällen und solche Drafts können die gesamte Richtung einer Franchise komplett verändern.
Die Frage des Monats Oktober:
Rookies hatten schon in den ersten Wochen ligaweit einen großen Impact auf die bisherige Saison.
Allen voran die Rookie-Quarterbacks Jayden Daniels und Caleb Williams lassen die Fans in Washington und Chicago von einer rosigen Zukunft träumen, während in Las Vegas Brock Bowers in seinem ersten Jahr in der NFL auf bestem Wege ist, sich als Top-3-Tight-End zu etablieren.
Wirklich gute Draft-Klassen lassen sich erst nach einigen Jahren nachhaltig bestimmen. Doch kurz vor der Saisonmitte kann man zumindest vorfühlen: Wer ist auf einem guten Weg?
Welche Teams haben die besten Draft-Klassen?
1. New York Giants
Das Elite-Talent: Wide Receiver Malik Nabers
Die künftigen Säulen: Safety Tyler Nubin und Cornerback Andru Phillips
Mögliche künftige Starter: Running Back Tyrone Tracy
Keine Draft-Klasse erfüllt nach den ersten sieben Wochen meine Kriterien besser. Nabers war ein Monster über die ersten vier Wochen, ehe er sich verletzte. Bis dahin führte er die NFL mit 51 Targets und 35 Catches an, er war direkt der dynamische Motor einer Giants-Offense, die verzweifelt genau so einen Spieler gesucht hat. Er bringt alles mit, um langfristig eine explosive Nummer 1 für diese Offense zu werden. Egal, wer Quarterback spielt.
Die Defensive Backs Tyler Nubin und Andru Phillips haben sich indes schnell als Starter etabliert. Phillips ist ein physischer Corner, der bisher schlichtweg kaum geschlagen wird. Auf die Saison gesehen hat er noch keine 50 Yards in seiner direkten Coverage zugelassen. Dahinter hat sich Tyrone Tracy bei seinem ersten Start gegen Seattle für mehr empfohlen.

2. Los Angeles Chargers
Das Elite-Talent: Offensive Tackle Joe Alt
Die künftigen Säulen: Wide Receiver Ladd McConkey
Mögliche künftige Starter: Linebacker Junior Colson und Cornerbacks Cam Hart und Tarheeb Still
Die Frage danach, ob die Chargers Nabers statt Alt hätten nehmen sollen, werden sich Chargers-Fans vermutlich noch eine Weile lang stellen. Nabers wäre exakt der Playmaker, der dieser Offense fehlt – doch gleichzeitig hat Alt für sich betrachtet bisher nichts getan, was Los Angeles diesen Pick bereuen lassen sollte. Ganz im Gegenteil.
McConkey wird vielleicht nie eine echte Nummer 1, aber dass er für lange Zeit eine gute Nummer 2 sein kann, das hat der Zweitrunden-Pick bereits angedeutet. Ähnlich könnte man auch die ersten Eindrücke von Tarheeb Still und Cam Hart beschreiben. Rookie-Linebacker Junior Colson ist noch ein gutes Stück davon entfernt, ein verlässlicher Starter zu sein. Dafür könnte Running Back Kimani Vidal zusätzlich eine perspektivische Option aus dieser Draft-Klasse darstellen.
3. San Francisco 49ers
Das Elite-Talent: -
Die künftigen Säulen: Cornerback Renardo Green und Guard Dominick Puni
Mögliche künftige Starter: Wide Receiver Ricky Pearsall, Running Back Isaac Guerendo und Safety Malik Mustapha
Ab hier beginnen die Kompromisse, denn ein Elite-Talent auf einer Premium-Position sehe ich bei den Niners zumindest bislang nicht.
Dennoch sieht es aus wie die beste Niners-Draft-Klasse seit längerer Zeit, und wie eine der robustesten ligaweit in diesem Jahr.
Das liegt daran, dass sich Puni sehr schnell als Starter in der Interior Offensive Line etabliert hat. Dieser Bereich war letztes Jahr eine Schwachstelle, mit Puni wurde es schnell eine Stärke. Und es liegt daran, dass Green sich mehr und mehr als echte Starting-Corner-Option aufdrängt.
Malik Mustapha hat sich zuletzt ebenfalls vermehrt in den Vordergrund gespielt. Auch wenn sein missglückter Tackling-Versuch gegen Patrick Mahomes ihn vermutlich noch eine Weile lang begleiten wird.
Receiver Ricky Pearsall gab erst in der vergangenen Woche sein Debüt, nachdem er in der Offseason angeschossen worden war. Durch die Verletzung von Brandon Aiyuk wird er direkt mehr in den Vordergrund rücken. Das gilt womöglich auch für Rookie-Receiver-Kollege Jacob Cowing. Guerendo konnte seine Explosivität aus dem Backfield bereits einige Male zeigen.
4. Houston Texans
Das Elite-Talent: -
Die künftigen Säulen: Safety Calen Bullock und Cornerback Kamari Lassiter
Mögliche künftige Starter: Tight End Cade Stover
Die Texans gingen ohne Erstrunden-Pick in den vergangenen Draft, haben dafür aber noch Minnesotas Zweitrunden-Pick im kommenden Jahr im eigenen Arsenal. Umso besser ist es, dass die Texans offenbar auch ohne Top-40-Pick mehrere Starter im vergangenen Draft gefunden haben.
Bullock war der für mich interessanteste Safety einer eher überschaubaren Rookie-Safety-Klasse, weil er echtes Big-Play-Potenzial mitbringt. Seine Reichweite und seine Explosivität, auch wenn er gegen den Run nach vorne kommt, ist bisher eindrucksvoll zu sehen. Bullock ist bereits ein klarer Starter in Houstons Secondary.
Das gilt auch für Rookie-Kollege Kamari Lassiter. Lassiter hat zwar zuletzt zwei Spiele verpasst, doch die Bedenken, dass sein Speed in der NFL ein Problem sein könnte, haben sich bislang nicht bestätigt. Mit seiner Antizipation und seiner Übersicht spielt Lassiter bereits, als hätte er mehrere Jahre Erfahrung.
Viertrunden-Tight-End Cade Stover hat zudem eine Rolle als Komplementär-Spieler bislang. Zweitrunden-Tackle Blake Fisher kommt bisher nur auf einen Start – gegen die Bills hatte er noch merkliche Probleme - und ist ansonsten Backup. Angesichts der Probleme in Houstons Line könnte sich das im Laufe der Saison aber auch noch ändern.
5. Green Bay Packers
Das Elite-Talent: -
Die künftigen Säulen: Safety Evan Williams und Safety/Slot Javon Bullard
Mögliche künftige Starter: Guard Jordan Morgan und Linebacker Edgerrin Cooper
Selbst wenn die Packers am Ende ohne echtes Elite-Talent aus diesem Draft gehen, halte ich es für denkbar, dass wir in drei Jahren auf diese Klasse zurückblicken, und mindestens vier Starter daraus entstanden sind.
Bullard war bereits ab Woche 1 von Anfang an auf dem Feld, Williams stürmte zuletzt mit einigen sehr eindrucksvollen Spielen auf die Bühne. Ironischerweise kommen die beiden ersten Picks dieses Packers-Drafts im Vergleich dazu nur langsamer in der NFL an: Cooper ist bislang ein guter Blitzer, ist aber nur die Nummer 3 in Green Bays Linebacker-Gruppe. Morgan verpasste derweil drei Spiele verletzt und muss sich seinen festen Startplatz noch verdienen.
Welche Teams könnten in den nächsten Wochen klettern?
Die Commanders und Bears wären logische Alternativen hier. Bei beiden hat sich über die ersten sieben Wochen der Saison angedeutet, dass sie ihren Franchise-Quarterback gefunden haben könnten. Chicago hatte in Person von Rome Odunze einen zweiten Top-10-Pick, der ebenfalls mehr und mehr Fuß fasst. In beiden Fällen aber habe ich noch zu große Fragezeichen, was die Breite der Klasse angeht. Auch wenn der Quarterback im Zweifelsfall viele andere Fragezeichen übertrumpft.
Das Team, das hier die schwierigste Evaluation darstellt, sind die Arizona Cardinals. Arizona hatte mit letztlich zwölf Picks eine riesige Draft-Klasse, und könnte sehr gut mittel- und langfristig alle Kategorien befüllen: Das Elite-Talent in Marvin Harrison, die Säulen in Defensive Lineman Darius Robinson, Cornerback Max Melton und Safety Dadrion Taylor-Demerson, und die weiteren Starter mit Tight End Tip Reiman und Running Back Trey Benson.
Doch sind es bislang durch die Bank weg nicht mehr als einzelne Flashes. Bei Harrison wirkt es so, als hätten sie seine ideale Rolle noch nicht gefunden, und als müsste er sich noch mehr an die Physis und den Speed in der NFL gewöhnen. Melton und Taylor-Demerson hatten einzelne sehr positive Momente, haben aber noch nicht viel gespielt. Robinson kommt jetzt erst von seiner Wadenverletzung zurück. Einzig Reiman füllt bislang seine Rolle als athletischer Blocker bereits gut aus.



































