Russell Wilson hat beim 37:15-Heimsieg über die New York Jets in Woche 7 der NFL ein erfolgreiches Debüt als Starting Quarterback der Pittsburgh Steelers gefeiert. Doch hat er seinen Vorzug gegenüber von Justin Fields auch gerechtfertigt?
Die Frage, die sich letztlich alle im Vorfeld von Woche 7 stellten, war, inwiefern es Sinn macht, den Quarterback zu wechseln, wenn ein Team mit 4-2 in die Saison gestartet ist. Speziell dann, wenn der bisherige Starting Quarterback Justin Fields objektiv betrachtet ordentliche Leistungen gezeigt hat. Was war also der Grund dafür, dass nun doch Wilson, den Head Coach Mike Tomlin über die ganze Offseason und eigentlich auch zum Saisonstart als Starter auserkoren hatte, den Vorzug bekam?
Wichtig in dieser Sache ist natürlich zu bedenken, dass Wilsons Sample Size in diesem Vergleich natürlich überschaubar ist. Er hat nur ein Spiel gespielt und dieses am vergangenen Sonntag gewonnen. Fields bestritt sechs Spiele und gewann vier davon. Und dennoch gab es ein paar kleinere wie größere Aspekte, die erahnen lassen, warum Tomlin letztlich doch auf Wilson setzte und nicht einfach weiter mit Fields durch die Saison geht.
Die Steelers zeichneten sich zum Start dieser Saison dadurch aus, dass sie meist auf ihre starke Defense vertrauten und Spiele eng hielten. Die Offense musste also nur das Nötigste tun, um mitzuhalten und letztlich die erforderlichen Punkte zum Sieg zu erzielen. Doch vielmehr tat sie eben auch nicht. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, steht eben der Fakt im Raum, dass die Steelers zwar 4-2 sind, aber nur Spiele gewannen, in denen der Gegner weniger als 20 Punkte erzielte. Die zwei Niederlagen gegen die Colts (24:27) und Cowboys (17:20) erfüllten dieses Kriterium nicht.
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Steelers: Passspiel mit Wilson effizienter
Auch die Jets wurden letztlich bei weniger als 20 Zählern gehalten (15), doch die Offense war besser als noch mit Fields. Speziell das Passspiel war effizienter. In seinen sechs Spielen in dieser Saison kam Fields insgesamt auf +0,03 EPA/Dropback und insgesamt +5,0 Expected Points Added durch Dropbacks. Sein Run Game war deutlich effizienter, doch wir wussten von Anfang an, dass er hier schon allein aufgrund seiner höheren Geschwindigkeit per se besser sein würde als Wilson.
Wilson produzierte, obwohl er eine Weile brauchte, um nach langer Pause den Rost abzuschütteln - sein letzter Start war im vergangenen Dezember und den Saisonstart verpasste er mit einer hartnäckigen Oberschenkelverletzung - insgesamt +7,3 EPA gegen die Jets und kam auf +0,24 EPA/Dropback. Damit allein war er schon in einem Spiel deutlich effizienter mit seinen Pässen als Fields.
Doch das kann mehrere Gründe haben und ist noch keine generelle Begründung dafür, Wilson Fields vorzuziehen. Schauen wir also weiter in die Tiefen von "Next Gen Stats", um den entscheidenden Unterschied zu finden. Wilson erinnerte uns gegen New York schon früh daran, was ihn zu seinen besten Zeiten auszeichnete: sein immer noch wunderschöner Deep Ball! Er brachte gleich mehrere davon an, seine längste Completion war der 44-Yard-Pass auf George Pickens. Laut "NGS" flog der Ball 56,2 Air Yards, was auf Anhieb mal die zehntlängste Completion gemessen an Air Yards in dieser Saison war.
Zum Vergleich: Fields' längste Completion flog nur 46,2 Air Yards in dieser Saison. Insgesamt waren 10,3 Prozent von Wilsons Pässen im Spiel Deep Balls (mehr als 20 Air Yards). Doch in diesem Bereich lag er in etwa auf dem Niveau von Fields (11,3 Prozent).
Wilson und Fields der gleiche Quarterback?
Ich habe mehr oder weniger spaßeshalber in den vergangenen Wochen darauf hingewiesen, dass Wilson und Fields im Grunde der gleiche Quarterback sind. Dies war natürlich eine Anspielung darauf, dass beide die Tendenzen haben, den Ball zu lange zu halten, oft aus sauberer Pocket Checkdowns zu werfen oder unnötig zu scrambeln und natürlich übermäßig viele Sacks zu kassieren. Nun, Wilson hielt den Ball vor dem Pass im Schnitt 3,08 Sekunden, Fields lag hier bislang bei 3,04 Sekunden. Das nimmt sich also nicht viel.
Und beide standen auch in etwa gleich oft unter Druck, wobei Wilson eine geringfügig höhere Blitz Rate und Play Action Rate hatte, doch das sind auch nur Kleinigkeiten. Warum also genau sieht Tomlin Wilson als besseren Quarterback für sein Team als Fields?
Die Antwort ist zumindest nach der Vorstellung gegen die Jets relativ offensichtlich: Wilson ist furchtlos. Wilson hat mehr Erfahrung und stellte sich cleverer an. Seine Pressure-to-Sack-Rate lag bei gerade mal 7,7 Prozent laut "PFF" (Fields: 19,5). Doch der entscheidende Faktor dürfte sein, dass Wilson eine Defense mit seinem Arm mehr herausfordert. Wilson attackiert enge Passfenster deutlich aggressiver als Fields es tut.
Wilson hat gegen die Jets, die allen voran mit Sauce Gardner eine herausragende Passverteidigung haben, 31 Prozent seiner Pässe in enge Passfenster geworfen. Als solche definiert "Next Gen Stats" Targets, bei denen der angepeilte Receiver weniger als ein Yard an Separation vom nächsten Verteidiger hat. Das heißt, er gibt seinen Receivern die Chance, Plays zu machen, was gerade bei Pickens natürlich eine gute Idee ist. Und er tat dies im Übrigen ohne auch nur einen Pass zu werfen, der die Gefahr hatte, abgefangen zu werden laut "PFF".
Fields scheut das Risiko
Fields wiederum hat in seinen bisherigen sechs Spielen gerade mal 11,9 Prozent seiner Pässe in enge Fenster geworfen. Er hatte häufiger die Gelegenheit dazu, zeigte sich dann aber zu zurückhaltend und nahm den Wurf in aller Regel nicht. Wilson wird die 31 Prozent selbstredend nicht halten können, doch lag sein Anteil an Pässen in enge Passfenster seit 2018 (Beginn der Messung durch "NGS") nie unter 11,3 Prozent (2020) und ging sogar mal bis auf 18,6 Prozent (2019).
Die Steelers haben ein durchaus brauchbares Receiving Corps, doch um dessen Qualitäten auch zu nutzen, muss man diesen Spielern eine Chance geben, sie auch in die Waagschale zu legen. Wilson tut dies, Fields nur sehr selten.
Und die Vermutung liegt nahe, dass die Vorstellung gegen die Jets nur der Anfang war für Wilson. Er brachte unterm Strich nur 16/29 Pässen an den man (55,2 Prozent) und hatte eben auch nur eine Completion Percentage over Expected von -5 Prozent, weil er eben gerade zu Beginn noch sehr unpräzise war. Doch mit fortlaufender Spieldauer und mehr Spielpraxis im weiteren Saisonverlauf, dürfte sich seine Passgenauigkeit noch merklich verbessern.
Über seine Karriere bringt Wilson 64,4 Prozent seiner Pässe an, im Vorjahr waren es in einer schwierigen Saison sogar 66,4 Prozent. Zudem sei erwähnt, dass er in seiner Karriere seit 2018 nur zweimal eine Saison mit negativem CPOE-Wert abgeschlossen hat - 2021 und 2022, dem letzten Jahr in Seattle und dem ersten in Denver. Insofern ist hier mit einer klaren Steigerung zum ersten Spiel zu rechnen.

Wilson bleibt Starter, wenn alles normal läuft
Man weiß natürlich nie, was kommt. Der 35 Jahre alte Wilson könnte einen Leistungsabfall erleiden oder sich verletzen oder Fields könnte plötzlich im Training so sehr aufdrehen, dass er sich den Platz im Team zurückerobert - wer weiß es denn? Doch wenn es normal läuft, dann wird Wilson seinen Platz under Center bei den Steelers behalten und Fields den Platz nur in speziellen Packages sehen, die für Sonntag angekündigt waren, sich dann aber nicht realisiert haben.
Wilson gibt dem Team im Passspiel einfach mehr Möglichkeiten als Fields es kann. Das ist keine Kritik an Fields, es ist einfach eine besondere Qualität, für die Wilson steht, der in seiner Karriere vor dem Ganzen Broncos-Fiasko gezeigt hat, dass er eine situativ explosive Offense anführen kann.
Ob die Steelers auch nur in die Nähe dessen kommen, was Wilson mit den Seahawks in seinen besten Tagen gemacht hat, darf bezweifelt werden, doch mit der Defense der Steelers im Rücken sollte Wilson zumindest in der Lage sein, dem Team immer eine Chance zu geben.