Die Minnesota Vikings sind mit fünf Siegen aus fünf Spielen in die Saison gestartet und sind damit vor Woche 7 eines von nur noch zwei ungeschlagenen Teams der NFL. Und das, obwohl man auf der wichtigsten Position kurzfristig umdisponieren musste. Ein Zeichen, wie gut der Trainerstab des Teams ist.
Alles spricht immer darüber, wie gut die Spieler sind, die man in der Offseason auf verschiedensten Wegen akquiriert. Doch über das Team hinter dem Team redet kaum jemand. Im Fall der Minnesota Vikings ist dies aber durchaus angebracht, wenn man bedenkt, was für einen All-Star-Cast Head Coach Kevin O'Connell hier zusammengestellt hat.
Gerne spricht man in diesem Zusammenhang vom legendären Coaching Staff von Mike Shanahan in Washington in der Saison 2013. Aus heutiger Sicht hatte der zweimalige Super-Bowl-Sieger mit den Broncos in der Saison nicht weniger als fünf aktuelle Head Coaches versammelt. Zudem war Defensive Coordinator Jim Haslett zuvor Head Coach der Saints vor Sean Payton, während der damalige Defensive Assistant Bobby Slowik - heute Offensive Coordinator der Houston Texans -, sicherlich in absehbarer Zeit auch mal irgendwo den großen Stuhl besetzen wird.
Es mag vielleicht noch etwas früh sein, eine so hohe Anzahl von künftigen Head Coaches bei den Vikings zu erwarten, doch schon jetzt gibt es dort einige Männer im Staff von O'Connell, die durchaus überzeugende Empfehlungsschreiben speziell in dieser Saison produzieren.
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O'Connell: Indirekte Connection zu Shanahan
Natürlich sei ganz zu Beginn erwähnt, dass O'Connell selbst den größten Einfluss hat, schließlich ist er der Boss und zugleich der offensive Play-Caller des Teams. Doch sein offensiver Staff ist ebenfalls gespickt mit herausragenden Köpfen. Sein OC etwa ist Wes Phillips, der seit 18 Jahren in der NFL unterwegs ist. Von 2019 bis 2022 arbeitete er unter Sean McVay bei den Rams und gewann mit dem Team als Passing Game Coordinator den Super Bowl nach der Saison 2021 - unter O'Connell, der damals McVays OC war. Insofern hat auch O'Connell eine indirekte Connection zu Mike Shanahan durch McVay.
Phillips zeichnete sich im Grunde schon 2023 besonders aus, schließlich war er direkt daran beteiligt, eine Saison zu navigieren, in der die Vikings nach Kirk Cousins' Achillessehnenverletzung insgesamt vier verschiedene Starting Quarterbacks beschäftigten. Mit 7-10 reichte es zwar nicht für die Playoffs, doch angesichts der Umstände war es dennoch eine ordentliche Saison.
Aus dem Offensiv-Staff ragen jedoch auch ein paar andere Namen heraus. Allen voran Wide Receivers Coach Keenan McCardell, der selbst 16 Jahre in der NFL spielte und mit den Tampa Bay Buccaneers in der Saison 2002 den Super Bowl gewann. McCardell gilt als Rising Star unter den Offensiv-Coaches der NFL und ist einer der Gründe, warum die Offense der Vikings zu den besseren der Liga zählt. Seine Receiver sind hauptberuflich offen. Das ist sein Motto: "Sei immer offen", also "nicht gecovert". Laut "Next Gen Stats" hatten die Vikings-Receiver die vierthöchste Separation - also Abstand vom nächsten Verteidiger - bei ihren Targets in der NFL vor dem Spiel in London gegen die Jets.
In jenem Spiel, das Minnesota am Ende gewann, war es dahin mit der großen Separation, was aber hauptsächlich den Top-Cornerbacks Sauce Gardner und D.J. Reed geschuldet war. Dennoch hält McCardell weiter an seinem Motto fest und scheint bei seinen Spielern auf offene Ohren zu treffen. Superstar Justin Jefferson etwa sagte über seinen Positionscoach: "Wenn du einen Coach hast, der das Spiel gespielt hat, hörst du ihm besser zu als anderen, wenn er etwas sagt."
Vikings: Beste Saison von Sam Darnold
Und dann wäre da noch der neue Quarterbacks Coach Josh McCown, der erst 2023 als Coach in der NFL angefangen hat. Nach einem Jahr unter Frank Reich bei den Panthers ging es in dieser Offseason nach Minnesota. Der frühere Quarterback, der 16 Jahre bei neun verschiedenen Teams gespielt hat, war sogar schon vor seinem Engagement bei den Panthers als möglicher Head Coach der Texans gehandelt worden, nachdem er bis dahin nur an der High School gecoacht hatte.
Das wäre sicherlich übertrieben gewesen, es zeigt jedoch, dass seine Führungsqualitäten, die er schon als Wandersmann in der Liga gezeigt hat, durchaus registriert und respektiert werden in der NFL. Und die Arbeit, die er im Verbund mit dem Staff mit Sam Darnold in dieser Saison macht, ist bemerkenswert. Ohne zu übertreiben spielt er derzeit seine wohl beste Saison in der NFL. Und das, obwohl er eigentlich nur als Platzhalter gedacht war, bis Rookie J.J. McCarthy übernommen hätte.
Dessen Knieverletzung in der Preseason änderte die Pläne schlagartig und hätte die Saison der Vikings schon vorzeitig zum Verderben verurteilen können. Doch bislang ließen sie sich nichts anmerken und marschierten unaufhaltsam durch die Saison.
Damit dies aber auch so bleibt, wird im NFC-North-Spitzenspiel am kommenden Sonntag gegen die Detroit Lions (5-1) (19 Uhr live bei RTL) aber auch die Defense einmal mehr groß aufspielen müssen. Und auch in diesem Bereich des Trainerstabs finden sich gleich mehrere große Namen wieder.
Vikings: Belichick-Schüler an der Spitze der Defense
Angeführt wird die Gruppe natürlich von Defensive Coordinator Brian Flores, seines Zeichens der frühere Head Coach der Miami Dolphins, der zuletzt für seine People Skills kritisiert wurde. Jener hat aber auch seit jeher starke Defenses aufs Feld geschickt und war De-Facto-DC der New England Patriots, als diese Super Bowl LIII gegen die Los Angeles Rams und Jared Goff - der kommende Gegner -, 13:3 gewannen.
Flores verantwortet derzeit die effizienteste Defense der gesamten NFL mit -0,214 EPA/Play. Auch "FTNFantasys" DVOA sieht die Vikings-Defense mit -39,6 Prozent mit weitem Abstand vorne. Beide Advanced Stats bewerten den Erfolg jedes einzelnen Spielzugs, wobei Letzteres das Ganze dann auch noch mit dem statistischen Liga-Durchschnitt vergleicht.
Flores' zeichnete sich als guter Belichick-Schüler durch exotische Blitz-Packages und Disguised Coverages aus und bringt damit gegnerische Offenses zur Verzweiflung. Die explosive Offense der Texans hielt man in Woche 3 bei sieben Punkten und nur gegen die Packers in Woche 4 ließ man mehr als 20 Zähler (29) zu. Beeindruckende Zahlen nach nach fünf Spielen.
Wäre da nicht die Diskriminierungsklage von Flores gegen die NFL, würde es vermutlich nicht mehr lange dauern, bis er eine zweite Chance als Head Coach irgendwo in der Liga bekäme.

Ein guter Mix im Coaching Staff
Eine Schlüsselrolle im Defensiv-Staff kommt auch Mike Pettine zu. Er ist neben seiner Tätigkeit als Assistant Head Coach auch der Outside Linebackers Coach und bringt jede Menge Erfahrung mit. Wie Flores ist auch er früher Head Coach in der NFL gewesen. Er trainierte die Browns von 2014 bis 2015. Anschließend durchlief er bis auf Detroit die gesamte NFC North und schloss sich mit O'Connells Ankunft 2022 den Vikings an.
Unterm Strich sprechen wir hier also von einem interessanten Mix aus wahrscheinlich mehreren zukünftigen und zwei früheren Head Coaches, die zusammen mit McConnell derzeit das Kunststück vollbringen, ohne einen etablierten Star-Quarterback auf Playoff-Kurs in der NFL zu sein. Niemand weiß, ob man diesen Kurs bis zum Ende wird halten können, doch das Gerüst steht, speziell im Team hinter dem Team.