Woche 4 der NFL ist weitestgehend im Kasten und die New York Jets haben überraschend zuhause verloren und anschließend eine fragwürdige Erklärung dafür gefunden. Die Chiefs kassierten trotz weiterem Sieg einen weitere Tiefschlag und die Falcons machten Hoffnung.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg liefert jeden Montag seine Erkenntnisse der NFL-Woche.
Jets: Blame it on the Rain!
Es gibt wohl keinen Sport, in dem gutes - und schlechtes - Coaching eine so große Rolle spielt wie im Football. Und die NFL die Königsklasse für genau diesen Aspekt. Die Hauptaufgabe eines guten Coaching Staffs ist es, die Spieler in eine Position zu bringen, in der sie erfolgreich sein können.
Die New York Jets wiederum zeigen, dass man einem nominell mehr als passablen Team auch mit schlechtem Coaching im Weg stehen kann. Das ist keine überraschende Entwicklung - Head Coach Robert Saleh und vor allem Offensive Coordinator Nathaniel Hackett, dessen Offenses per se im hinteren Drittel oder Viertel der NFL in Sachen Effizienz (EPA/Play) lagen, wenn er der Play Caller war, haben nur durch Aaron Rodgers' Gnaden die letzte Saison in New York überlebt. Nun sind sie wieder an einem Punkt, an dem man sich durchaus fragen muss, ob nicht doch mehr drin wäre mit besseren Coaches.
Die peinliche 9:10-Niederlage vor heimischer Kulisse gegen die Denver Broncos, deren Offense mitunter auch nicht unbedingt NFL-tauglich war in den vergangenen Wochen, hat einmal mehr gezeigt, wo die Defizite liegen. Allen voran ist mal wieder das Play Calling ein Bremsklotz. Die Jets schafften es zweimal in die Red Zone und gingen zweimal leer aus. Beim ersten Mal verlor ausgerechnet Top-Receiver Garrett Wilson, dessen Connection zu Rodgers weiterhin nicht die Wiedergeburt von Rodgers-Adams oder Rodgers-Nelson ist, einen Fumble im ersten Drive des Spiels.
Beim zweiten Trip in die Red Zone kam letztlich nur ein kurzes Field Goal raus, nachdem man sogar schon an der 1 stand mit 1st&Goal Ende des ersten Viertels. Nach zwei erwartbaren Laufspielzügen aus einem Jumbo-Package heraus, versuchte man es noch mit einem wenig kreativen Rollout von Rodgers, der den Ball schnell wegwarf, weil niemand offen war. Anschließend leistete sich Guard Joe Simpson bei 4th Down einen False Start auf einen Hard Count von Rodgers - auch das ist ein Coaching-Ding -, was dann zu einem kurzen Field Goal führte.
Anschließend kam man dann gegen die durchaus gute Defense der Broncos nicht mal mehr in die Nähe der Red Zone. Dass man dann ganz am Ende noch mehrfach die Chance zum Sieg bekam - unter anderem durch einen 50-Yard-Field-Goal-Versuch von Greg Zuerlein, der rechts vorbei segelte -, ist jedoch fast schon egal. Alarmsirenen sollten jedoch schrillen ob der Tatsache, dass Rodgers fünf Sacks und 14 QB-Hits einstecken musste. Zur Erinnerung: der Fokus der Offseason lag darauf, die Offensive Line zu verbessern ...
Den Vogel abgeschossen hat Saleh dann jedoch mit dieser Aussage nach dem Spiel: "Wir hatten eine großartige Vorbereitung unter der Woche. Wir haben großartige Energie vor dem Spiel und selbst noch in der Halbzeit gespürt. Die Realität ist aber, dass es sowieso schwierig geworden wäre durch den Regen." Er lamentierte dann auch noch die eigenen Fehler, aber der Regen?
Der Regen ist für ein Ostküstenteam die allerletzte Ausrede, die man gelten lassen kann. Wer so etwas als Head Coach sagt, suggeriert ganz klar, dass ihm keine andere Erklärung einfällt. Es legt eine gewisse Verzweiflung nahe. "Blame it on the Rain" ist im Übrigen einer der Hits der 80er/90er-Jahre Band "Milli Vanilli" - ihr wisst schon, die zwei Typen, die so getan haben, als könnten sie singen, aber eigentlich nur vor der Kamera herumgehampelt haben. Ein Schelm, wer sich nun an Saleh und Hackett erinnert fühlt ...
Die Falcons-Defense kann ein Faktor sein
Die Irritation war groß, als die Falcons im Draft mit dem achten Pick Quarterback Michael Penix anstatt eines Spielers zogen, der tatsächlich schon in diesem Jahr ein Faktor sein könnte. Die Geschichte haben wir auch hier zur Genüge durchgekaut, aber es fehlte eben ein Impact-Spieler in der Defense, endlich ein Pass-Rusher vor allem. Der Sieg gegen die Saints jedoch hat zumindest mal angedeutet, dass das vielleicht gar nicht mal ein so großes Problem ist.
Die Defense von Raheem Morris generierte eine Pressure-Rate von 28,9 Prozent laut "Next Gen Stats", was für Atlanta einen Saisonbestwert bedeutete. Bislang gelang es den Falcons lediglich in 20 Prozent der gegnerischen Dropbacks, Pressure zu generieren. Damit belegten sie Rang 32 in der Liga. Dieses Mal jedoch sorgten zehn verschiedene Falcons-Spieler für mindestens einen Pressure gegen QB Derek Carr - keiner jedoch mehr als zwei.
Es gab natürlich auch nur einen einzigen Sack - Cornerback Dee Alford sammelte diesen per Blitz -, doch oft reicht es ja auch, den QB einfach aus seinem Rhythmus zu bringen. Bemerkenswert war vielmehr, dass es mehrfach gelang, ungeblockt zum QB durchzudringen und damit einen Unterschied zu machen. Edge Rusher Matthew Judon etwa schlug einen Ball an der Line aus der Luft und es gelangen überdies insgesamt vier Tackles for Loss - sprich: auch das Run Game kontrollierte man einigermaßen gut.
Am Ende war natürlich viel Glück dabei, denn dies war das erste Spiel, dass die Falcons ohne eigenen offensiven Touchdown gewonnen haben seit 1977. Aber es ist die NFC South, da sollte das niemanden überraschen.
Grundlegend bleibt jedoch zurück, dass diese Defense, bei der bislang nur die Secondary wirklich glänzte, durchaus nochmal helfen könnte, wenn es irgendwann hart auf hart kommt. Das gepaart mit einer Offense, die normalerweise ohnehin konkurrenzfähig ist, macht die Falcons offiziell zu einem Team, das man für einen Playoff-Platz auf dem Zettel haben sollte.

Eagles: Müssen wir uns Sorgen machen?
Die gute Nachricht vorweg: Selbst mit dieser Niederlage in Tampa Bay liegen die Eagles nur ein Spiel hinter "Tabellenführer" Washington Commanders in der NFC East. Die schlechte: es fehlten offensiv am Sonntag zu oft die Antworten.
Nachdem man in der Vorwoche keine Probleme hatte, in New Orleans den Ball zu bewegen und einfach lange Zeit zu viele Fehler machte, um daraus Kapital zu schlagen, waren es dieses Mal grundlegendere Probleme. Die Bucs hatten fast doppelt so viele Yards (445:227) wie die Eagles und gewannen am Ende deutlich. Alarmierend war dabei vor allem die Tatsache, dass der Bucs-Pass-Rush trotz einiger Abgänge im Vergleich zum Vorjahr so gut aussah wie seit ein paar Jahren nicht mehr.
Eagles-QB Jalen Hurts brachte es gerade mal auf 158 Yards und wenn man die sechs Sacks abzieht, kommen die Eagles auf 114 Net Passing Yards, was unterirdisch ist. Da halfen dann auch die 113 Rushing Yards (5,7 pro Carry) nicht viel. Schaut man auf "Next Gen Stats", wird die Sache noch eindeutiger: Die Bucs hatten eine Pressure Rate von 48,6 Prozent, was ihnen zuletzt 2021 gelungen war. Ein Schlüssel waren dabei ihre Blitzes. Aus 15 Blitzes machten sie vier Sacks und acht Pressures.
Doch wie ist das zu erklären, wenn man bedenkt, dass die Personalprobleme der Eagles bis auf den Ausfall von Right Tackle Lane Johnson nicht mal die Offensive Line involvieren? Die naheliegende Erklärung ist, dass Hurts schlicht nicht damit zurechtkam, dass ihm seine Star-Receiver A.J. Brown und DeVonta Smith fehlten. Er hielt den Ball zu lange und wurde dafür bestraft. Die Bucs boten ihm selten die kurzen Distanzen an, sodass er relativ tief warf - seine durchschnittliche Passtiefe lag bei 8,7 Yards - und dafür waren zu selten Receiver offen.
Von seinen Lieblings-Targets war nur noch Tight End Dallas Goedert übrig, der immer sieben seiner neun Targets fing. Aber abgesehen von ihm spielte sich keiner wirklich in den Vordergrund. Das erklärt aber nur die Offensivprobleme.
Defensiv ist es kein Geheimnis, dass eine Defense von Vic Fangio für das Motto "Bend, but don't Break" steht. Teams mit diesem Scheme geben häufig viele Yards ab, sind aber in der Red Zone schwer zu überwinden. Und diese Defense hielt die Eagles trotz zahlreicher Fehler in der Offense in NOLA bis zum Schluss im Spiel und neutralisierte die Saints-Offense lange Zeit komplett. In Tampa jedoch funktionierte gar nichts an diesem Ansatz. Man gab etliche Yards ab und kassierte in sechs Red-Zone-Trips der Bucs vier Touchdowns.
Und auch in Sachen Pass Rush ging wenig - lediglich zwei Sacks standen zu Buche. Immerhin: Das Team sammelte acht Passes Defensed, was außergewöhnlich ist und für an sich gute Coverage steht, wenn da nicht dennoch 30 Receptions abgegeben worden wären.
Wer nach vier Spielen 2-2 steht, ist eigentlich in guter Position für den Oktober und darüber hinaus. Doch bei den Eagles wartet man nun schon seit Woche 1 auf einen überzeugenden Vortrag. Die sechs Niederlagen aus den finalen sieben Spielen 2023 (inklusive Playoffs) schüttelt man so jedenfalls nicht ab und damit wird man das Gefühl nicht los, dass weiter der Wurm drin ist.
Jede weitere derart schwache Vorstellung wie am Sonntag lässt dann auch den Stuhl von Nick Sirianni noch mehr wackeln, schließlich hätte es niemanden überrascht, wenn er den Januar nicht überstanden hätte.
Für den Moment rettet ihn aber vor allem die Erkenntnis, dass man Brown und Smith eben nicht ersetzen kann. Doch auch mit ihnen passierte der Absturz der Vorsaison.
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Nächster Tiefschlag für die Chiefs
Die Kansas City Chiefs sind nach ihrem Auswärtssieg bei den Los Angeles Chargers 4-0. Sahen sie dabei dominant aus? Keineswegs. Machte die Offense einen Schritt nach vorn? Nicht wirklich. Hat sich die Situation generell verbessert? Nein, im Gegenteil! Wide Receiver Rashee Rice, der für Patrick Mahomes zuletzt der zentrale Punkt dieser Offense war, hat sich vor der Pause das Knie verletzt und laut Head Coach Andy Reid sieht es "nicht gut aus".
Ersten Berichten zufolge handelt es sich um einen Kreuzbandriss, der seine Saison sehr wahrscheinlich beenden wird, was nach den langen Ausfällen von Hollywood Brown sowie Running Back Isiah Pacheco der nächste Schlag ins Kontor für die Chiefs-Offense sein dürfte.
Rice sah in den ersten drei Spielen fast 33 Prozent der Targets der Chiefs-Offense. Fällt er aus, müssten diese neu verteilt werden. Gegen die Chargers ging man direkt wieder zu Schema F zurück und machte Travis Kelce zum Haupt-Target der Offense. Mit Erfolg - der zuletzt umstrittene Tight End fing sieben der neun Pässe in seine Richtung für 89 Yards - beides Höchstwerte in dieser Saison für den bald 35-Jährigen.
Dahinter allerdings hatte niemand mehr als vier Targets. Mahomes fand Rookie Xavier Worthy für einen 54-Yard-Touchdonwn, was Mut machte, Doch muss Worthy erst noch nachweisen, dass er auch ein größerer Faktor in dieser Offense sein kann. Bislang waren seine Beiträge eher sporadischer Natur. Ohne Rice wird er auffälliger werden müssen.
Ein Lichtblick war jedoch die Tatsache, dass Rückkehrer Running Back Kareem Hunt im Grunde wie der Alte aussah. Er lief für 69 Yards (4,9 pro Carry) und hatte zudem zwei Receptions für 19 Yards. Er könnte die Lücke schließen, die Pacheco hinterlassen hat - zumindest als Power-Back, der als Workhorse agieren kann.
Unterm Strich steht jedoch zu befürchten, dass die Offenses als Ganzes weiterhin nicht sonderlich explosiv sein wird. Davonlaufen werden diese Chiefs wohl niemandem, doch solange die Defense so aufspielt wie in den ersten vier Wochen, ist das womöglich kein unüberwindbares Problem.







































