Trotz des perfekten 3-0-Starts der Kansas City Chiefs in die neue NFL-Saison macht ein Star ein wenig Sorgen: Travis Kelce scheint derzeit ein wenig außer Form zu sein. Doch woran mag das liegen?
Nur acht Receptions für 69 Yards und kein Touchdown nach drei Spielen. Es sind nicht die Zahlen, die man von Tight End Travis Kelce erwarten würde. Das wissen die Kansas City Chiefs genauso wie alle Beobachter. Die große Frage vor dem Division-Matchup mit den Los Angeles Chargers (So., 22:25 Uhr live bei RTL und im Stream auf RTL+*) lautet daher: was ist bloß mit Travis Kelce los?
Die eine klare Antwort auf diese komplexe Frage wird es vermutlich nicht geben. Was sich jedoch sagen lässt, ist, dass es mehrere auffällige Faktoren gibt, die in die aktuelle Situation hineinspielen. An der Oberfläche bekommt man dieser Tage natürlich Hot Takes wie den von Ex-Patriots-Star und "NBC"-Experte Rodney Harrison, der sich in die Riege derer einreihte, die vermuten, dass Kelces Fokus nicht mehr so ganz beim Football liege.
Harrison ließ am Rande des Spiels gegen die Falcons (22:17) am Sonntag wissen: "Er ist beschäftigt. Er hat viel zu tun." Um dann aufzuzählen, dass er ja medientechnisch viel unterwegs sei mit seinem "New Heights"-Podcast, den er mit seinem Bruder Jason Kelce betreibt, seiner Schauspieltätigkeit - er wirkt in der neuen Ryan-Murphy-Serie "Grotesquerie" mit, für die er sogar Schauspielunterricht genommen hat - und natürlich war er über den Sommer öfter mit Freundin Taylor Swift auf ihrer Eras Tour auch auf der Bühne zu sehen.
Kelce: Fehlt der Fokus auf den Football?
"Es geht viel vor bei ihm. Aber wenn du in dieser Situation bist, musst du alles andere vergessen. Du musst dich 100 Prozent auf Football konzentrieren und das ist deine Hauptverantwortung", erklärte Harrison. Und sicherlich dürfte da auch was dran sein, doch erklärt das nicht wirklich seine zurückgegangene Produktion auf dem Feld. Und diese ist an Zahlen festzumachen.
Kelce hat nur acht Catches auf dem Konto, doch sah er in den ersten drei Spielen eben auch nur zwölf Targets. Das ist zwar immer noch der zweithöchste Wert des Teams, doch ist sein Target-Anteil auf 15,12 Prozent zurückgegangen. Im Vorjahr lag dieser etwa noch bei 21,68 Prozent (inklusive Playoffs) und 2022 lag sein Anteil an den Gesamt-Targets sogar noch bei 26,26 Prozent. Wir können also von einem steten Abbau der Pässe reden, die in seine Richtung gegangen sind.
Der Hauptgrund dafür ist, dass die Chiefs mit Rashee Rice einen verlässlichen jungen Receiver gefunden haben, der derzeit auch die Big Plays liefert. Er hat sich Patrick Mahomes' Vertrauen erarbeitet und bekommt zum Teil nun auch die Routes, die zuvor Kelce gelaufen ist. Rices Target-Anteil ging von 18,32 Prozent in seiner Rookie-Saison auf nun 33,72 Prozent nach oben geschossen. Zudem hat Mahomes in diesem Jahr mit Xavier Worthy endlich wieder einen Speedster, der auch das eine oder andere Target sieht, auch wenn jener noch kein sonderlich großer Faktor - abgesehen vom Opener gegen Baltimore - war.
Es besteht also nicht mehr die ganz große Notwendigkeit, Pässe auf Kelce zu forcieren. Und dennoch ist es der Wunsch der Beteiligten, den Status Quo für den Star wieder zu verbessern. "Wir müssen Travis mehr ins Spiel bekommen", sagte etwa Head Coach Andy Reid. Und auch Mahomes versuchte zu beschwichtigen: "Der Respekt, den sie vor Travis haben, ist unglaublich - und er ist verdient", sagte der Quarterback: "Wir laufen viele Spielzüge für Travis. Es ist aber, als würden ihn zwei oder drei Verteidiger decken."

Kelce wird nun anders verteidigt
Letzteres ist ein weiterer Faktor. Es dauerte zwar eine gefühlte Ewigkeit, doch offenbar sind Defenses nun auf die Idee gekommen, Kelce nicht mehr scheinbar frei walten zu lassen. Zwar wird er nur selten an der Line "gechippt", also kurz mal beim Start seiner Route gestört, was das Timing beeinflussen kann. Er wird jedoch mittlerweile in der Tat von meist einem oder gar zwei Linebackern genau beobachtet. Gegen die Falcons waren dafür die Safetys Jessie Bates und Justin Simmons zuständig. Die Aufmerksamkeit ist höher und man versucht, sowohl mögliche Passwege als auch dahinter abzusichern.
Und da Mahomes nun andere verlässliche Optionen hat, wirft er dann eben seltener zu seinem Tight End. Das allerdings hat eben auch zur Folge, dass gerade Rice meist nur von einem Verteidiger gecovert wird, was der dann zu seinem Vorteil nutzt. Insofern hilft Kelce dem Team eben auch damit, dass er einfach präsent ist. Zudem hilft er natürlich auch in Sachen Blocking aus, auch wenn das nicht seine Kernkompetenz ist.
Kelce selbst versucht derweil in dieser Sache den Ball flach zu halten und erklärte in seinem Podcast: "So ist Football. Ich werde nicht hier sitzen und mich darüber aufregen." Gleichzeitig verwies er darauf, dass die Chiefs ja dennoch bei 3-0 stehen und daher ohnehin alles richtig machen würden. Womit er oberflächlich betrachtet auch recht hat.
Zudem räumte Kelce eine gewisse Souveränität des Alters ein: "Früher war ich wirklich stinksauer und habe oft fast die Nerven verloren, weil ich nicht so erfolgreich war, weil ich weiß, dass ich das von mir verlange. Ich spiele das Spiel einfach gerne auf einem so hohen Niveau, dass es mir schwerfällt, mit Mittelmäßigkeit umzugehen."
Kelce: Naht das Ende?
Und damit sind wir schon beim dritten Punkt, der sich nicht wegdiskutieren lässt: das Alter. Kelce wird am 5. Oktober 35 Jahre alt, ein fast schon biblisches Alter für einen Receiving Tight End. Rob Gronkowski etwa ist nur ein halbes Jahr älter und schon seit ein paar Jahren im Ruhestand. Kelce hat zwar weniger schwere Verletzungen einstecken müssen als Gronk und kam eben nicht mit früheren Rückenproblemen in die NFL, doch auch er hat so einige schwerere Blessuren und Operationen auf dem Buckel, die ihn vor nicht allzu langer Zeit schon mal laut ans Aufgeben haben denken lassen. Irgendwann macht der Körper eben auch nicht mehr mit.
Keiner weiß, ob Kelce nun an diesen Punkt kommt, doch komplett ignorieren sollte man es nicht. Bereits gegen Ende der Vorsaison waren Anzeichen erkennbar, dass es vielleicht dem Ende entgegen gehen könnte. Seine Saisonzahlen waren per se schon die schlechtesten seit 2015, aber von Woche 12 bis 17 erzielte er keinen Touchdown und hatte nach Woche 8 auch kein 100-Yard-Spiel mehr. In den Playoffs drehte er bekanntlich nochmal richtig auf, doch der Start in die neue Saison suggeriert, dass dies womöglich nur noch ein letztes - großes - Aufbäumen gewesen sein könnte.
Irgendwann wird dann der Punkt kommen, an dem Travis Kelce sich fragen wird, ob er den Football eigentlich noch braucht. Er hat Stand jetzt ein aufregendes Privatleben, sein Business boomt - die Kelces unterschrieben kürzlich Berichten zufolge einen Vertrag über rund 100 Millionen Dollar für ihren Podcast -, seine Schauspielkarriere könnte ernster werden und wann immer er will, dürfte er sicherlich auch ein gefragter Mann als TV-Experte werden, wie es sein Bruder Jason schon ist. Und jener hat merklich Spaß an seinem neuen Leben.
Niemand weiß, wann Travis Kelce an diesen Punkt kommt. Und ob nun mangelnder Fokus, bessere Mitspieler, besser eingestellte Gegner oder eben tatsächlich einfach das Alter der Grund für seine aktuelle sportliche Lage ist, ist da fast schon egal. Alles jedoch sind legitime Erklärungen für die aktuelle Lage.
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