Die New England Patriots treffen in Woche 2 der NFL-Saison auf die Seattle Seahawks, fast zehn Jahren nach ihrem denkwürdigen Aufeinandertreffen in Super Bowl XLIX. Ein Protagonist von damals blickt zurück und wagt auch einen Blick nach vorn.
Als die Patriots im Anschluss an die Saison 2014 Super Bowl XLIX gegen die Seahawks gewonnen, stand mit Right Tackle Sebastian Vollmer (40) auch ein Deutscher aufseiten des Siegers. Der heutige RTL-Experte blickte im Gespräch mit RTL/ntv und sport.de zurück auf seinen ersten Super-Bowl-Titel.
Generell betonte Vollmer, dass das Matchup Patriots gegen Seahawks an sich gar nicht mal so groß ist: "Wir sind jetzt keine Rivalen, weil es eben NFC gegen AFC ist, wir spielen jetzt gar nicht so oft gegeneinander. Nur in den Playoffs beziehungsweise alle vier Jahre." Doch aus deutscher Sicht ist der Stellenwert dieses Spiels eben doch nochmal ein anderer: "Ich glaube es sind schon für die deutschen Verhältnisse, als Football richtig populär wurde, genau dann die zwei Teams, die Patriots und Seahawks, die die Liga so ein bisschen angeführt haben. Von daher hat das schon eine große Bedeutung glaube ich."
Was den damaligen Super Bowl betrifft, war dieser für Vollmer natürlich etwas ganz Besonderes: "Wer das Spiel gesehen hat, weiß, dass wir Probleme hatten, Marshawn Lynch zu stoppen, die Interception mit Malcolm Butler am Ende, knapp gewonnen. Ich glaube, das sind so die Spiele, die jeder am Ende miterleben möchte, jedenfalls wenn man für den Sieger am Ende ist. Knapp gewonnen, es war schwierig, es war hart, es war so ein Schwergewichts-Boxkampf im Prinzip, ein Schlagabtausch. Es war schon was ganz Besonderes und für mich mein erster Super Bowl, dadurch steht er ganz, ganz oben."
Vollmer bekam von Butler-Interception gar nichts mit
Die Szene, an die sicherlich jeder Patriots-Fan gerne zurückdenkt, geschah ganz am Ende: die Interception von Cornerback Malcolm Butler gegen Russell Wilson an der Goal Line. Vollmer allerdings hatte davon im Spiel nicht allzu viel mitbekommen, wie er zugab: "Wenn die Defense gerade auf dem Platz ist, dann kann ich als Offensivspieler natürlich nichts machen. Man bereitet sich in der Zeit darauf vor, was wahrscheinlich passiert. In den letzten zwei Minuten standen wir an der Seitenlinie und haben mit Offensive Coordinator Josh McDaniels gesprochen: 'Okay, das wird jetzt passieren. Die scoren, wir liegen zurück. Wir haben dann wahrscheinlich noch 36 Sekunden auf der Uhr. Das sind die Spielzüge, die wir machen, darauf müssen wir achten.' Man macht gar nicht so viel, weil man ja eh nicht eingreifen kann."
Vollmer fuhr fort: "Alles, was wir dann gehört haben, war ein Riesenschrei. Interception eben. Und dann musst du eben erstmal rausfinden, was da jetzt passiert ist. Du guckst in die andere Richtung, guckst deinen Coach an. Irgendwas ist da jetzt passiert. Du guckst dich um, guckst die Fans an - wer wirft die Arme in die Höhe? Und dann dauert es eben zwei, drei oder sieben Sekunden, bis du realisierst, was passiert ist. Und dann setzt die Realität schon schnell ein, dass man im Prinzip dann den Super Bowl gewonnen hat."
Dass die Seahawks und deren Head Coach Pete Carroll in der Situation nicht einfach Running Back Marshawn Lynch den Ball gegeben hat, verwundert Vollmer derweil noch heute: "Das habe ich ja im ersten Moment gar nicht mitbekommen. Im Nachhinein, und ich will den Seahawks-Fans ja jetzt nicht nochmal eine reinwürgen, aber es war schon unverständlich. Unsere Defense konnte Marshawn Lynch eben nicht stoppen und wenn du dann kurz vor der Endzone stehst und dann deinem besten Spieler, der das ganze Spiel über abgeliefert hat, nicht das Vertrauen zu geben und zu sagen, hey, lauf das Ding rein, ist schwer zu verstehen."
Vollmer räumte jedoch ein: "Von der Spielzugauswahl war es vielleicht gar nicht so schlecht, was Pete Carroll da gemacht hat." Aber: "Irgendwann muss man glaube ich auch mal seinen Spielern vertrauen. Das hast du 59 Minuten lang gemacht, das kannst du jetzt in der letzten Minute auch noch. Insofern war es Pech für Seattle und gut für uns."
Vollmer: Legion of Boom hinterließ Spuren
Ein großer Teil der Seahawks war deren Defense und vor allem die legendäre "Legion of Boom", wie die Secondary damals genannt wurde. Vollmer selbst hatte mit diesem Teil der Defensive zwar nichts zu tun, kann sich aber dennoch vorstellen, was diese Unit mit einem macht: "Ich glaube für Receiver, wenn du halt weißt, da kommt so ein Typ auf dich zu und haut dich um, bleiben da auch physische und mentale Blessuren. Du bist ein Slot-Receiver oder Tight End und gehst über die Mitte und weißt genau, dass dann so ein Richard Sherman kommt und dich umhaut. Von daher glaube ich schon, dass das auch mental was mit unseren Receivern gemacht hat."
Des Weiteren gab Vollmer Einblick in den generellen Alltag eines Offensive Lineman. Speziell äußerte er sich zur Frage, was denn für einen O-Liner einfacher ist - Run Blocking oder Pass Blocking? "Ich glaube, der Druck bei einem Laufspielzug ist nicht so groß, wenn man sich mal traditionell die Offensive Line anguckt. Machen wir unseren Job beim Pass, bekommt jemand anderes das Lob. Wenn wir blocken, ist das eben Tom Brady oder der Receiver oder Tight End. So ist es im Laufspiel auch. Aber wenn wir einen Block verpassen, wird der Running Back eben im Backfield getackelt, aber dann ist das ein Raumverlust von zwei oder drei Yards oder kein Raumgewinn. Die Nebenwirkungen sind also nicht ganz so groß. Verpasse ich aber einen Block im Passspiel und Brady wird umgehauen und humpelt vom Feld, bin ich morgen vielleicht auch arbeitslos. Ich glaube, der Druck ist da höher. Und dann kommt noch hinzu, was für einen Running Back du hast."
Vollmer kam letztlich zum Schluss: "Ich würde sagen, dass das Laufspiel definitiv einfacher ist, weil ich dem Defensive Lineman physisch überlegen bin - ich bin wahrscheinlich 20, 30 Kilogramm schwerer, wahrscheinlich stärker. Ich kann ihn irgendwie wegdrücken in den meisten Fällen. Aber wenn du auch einen Quarterback wie Tom Brady hast, der den Ball so schnell wegwerfen kann, ist das auch ein Riesenvorteil."
Vollmer kennt sich allerdings nicht nur mit Offensive-Line-Play aus. Auch das Spiel einer Defense ist ihm nicht fremd. Laut Vollmer ist vor allem eine Position wichtig, um eine dominante Defensive auf die Beine zu stellen: "Das Ziel ist es immer, einen Shutdown-Cornerback zu haben, jemanden, den du auf einen Nummer-1-Receiver ansetzen kannst ohne Hilfe. Das heißt dann, den Nummer-2-Receiver könntest du theoretisch doppeln und dann müsstest du einen richtig guten dritten Receiver haben, der dich auseinandernimmt. Und wenn du dann noch eine sehr gute Defensive Line hast, kannst du auch mehr Druck machen und das macht das Spiel einfacher. Daher ist es immer das Ziel, diesen Top-Cornerback zu bekommen."
Vollmer rechnet mit Einsätzen für Drake Maye
Die Seahawks haben derzeit mehrere gute Cornerbacks mit Will Witherspoon und Tariq Woolen an der Spitze, sodass es Vollmer für möglich hält, dass hier vielleicht sogar die Legion of Boom 2.0 entsteht: "Natürlich ist das nicht einfach. Das Talent ist aber auf jeden Fall da, das können sie schaffen."
Was die Patriots betrifft, sorgte sein früheres Team mit dem Erfolg über die Cincinnati Bengals zum Auftakt für eine Überraschung. Laut Vollmer lag das an ein paar wichtigen Faktoren: "Sie spielen genau so, wie sie spielen müssen. Sie haben immer noch eine hervorragende Defense, die Special Teams waren gut. Und die Offense war gut genug. Sie haben das Laufspiel etabliert gegen eine 7-Men-Box, was schwierig ist, weil du einen Blocker weniger hast. Und sie haben wenige Fehler gemacht. Ich glaube, das ist so etwas wie der Grundbaustein der Patriots. Eine gute Defense, schieß dir nicht selbst ins Bein."
Zudem glaubt Vollmer, dass die Offense "nur noch besser" wird. Dabei legte er sich bereits fest, dass Rookie-Quarterback Drake Maye in dieser Saison noch spielen wird, wenn auch nicht vom Start weg, was aber auch kein Problem sei: "Ich gehe mal ganz stark davon aus, dass Drake Maye spielen wird in dieser Saison. Aber auch wenn nicht, es hat Aaron Rodgers gut getan, Tom Brady stand anfangs hinter Drew Bledsoe. Man kann jetzt natürlich C.J. Stroud nennen, der von vornherein gespielt hat und hervorragend war. Aber ich glaube, wenn man Veterans fragt, ist es immer von Vorteil, wenn der Rookie erstmal sitzen und lernen kann, wie man spielt, wie man sich vorbereitet, wie eine Woche aussieht, wie man sich einlebt. Von daher glaube ich, dass das die richtige Entscheidung ist. Und wenn sie dann auch noch ein paar Spiele gewinnen können, ist das natürlich hervorragend."
Was das Spiel gegen die Seahawks am Sonntag betrifft, sieht Vollmer durchaus Chancen auf einen Erfolg New Englands: "Die Patriots haben eine Chance zu gewinnen, wenn sie die Punkte unter 20 halten. Und dann müssen sie eben hoffen, dass die Offense gut genug ist. Das wird eine ähnliche Philosophie das ganze Jahr über sein."




































