Die Baltimore Ravens sind im Season Opener der NFL nur haarscharf an einem möglichen Auftaktsieg bei den Kansas City Chiefs (20:27) vorbeigeschrammt. Während die letzte Szene noch lange in Erinnerung bleiben wird, verheißt ein ganz anderer Aspekt dieses Spiels nichts Gutes.
Das Gesprächsthema nach diesem denkwürdigen Season Kickoff in Kansas City ist sicherlich die Zehenspitze von Isaiah Likely, die ganz knapp im Aus landete beim vermeintlichen Touchdown-Catch des Tight Ends. Ein Fehler, für den der 24-Jährige nach dem Spiel auch die volle Verantwortung übernahm. "Ich muss da beide Füße ins Feld bekommen."
Und was wäre das für ein Finish geworden, speziell, wenn man bedenkt, dass die Uhr abgelaufen war und Head Coach Jim Harbaugh an der Seitenlinie bereits das Zeichen für eine Two-Point Conversion gegeben hatte. Die Ravens waren drauf und dran, dieses Spiel in allerletzter Sekunde noch zu gewinnen - ohne, dass Patrick Mahomes eine Chance bekommen hätte, nochmal zu antworten. Doch der Zeh war auf der Auslinie und so feierten die Chiefs einen glücklichen Sieg.
Doch selbst wenn die Ravens diese Begegnung noch gedreht hätten, hätte das nicht über die Tatsache hinweggetäuscht, was zuvor über weite Strecken dieses Spiels offensichtlich wurde. Harbaughs Team war sehr lange sehr eindimensional. Besser formuliert: Sie waren offensiv sehr limitiert.
Ravens: Offensive Line wird zum Problem
Schon früh wurde klar, dass die neue Offensive Line, die im Vergleich zum Vorjahr einige Federn gelassen hatte, dem Pass Rush der Chiefs nicht gewachsen war. Und das hatte wenig mit exotischen Blitz-Packages zu tun, für die Defensive Coordinator Steve Spagnuolo bekannt ist. Es waren größtenteils Bordmittel, die reichten, um diese Line zu überwinden.
Gerade zu Beginn waren mehrere Spieler selbst dann gegen Chris Jones überfordert, wenn sie ihn doppelten. Die Ravens um Play Caller Todd Monken erkannten das schnell und ergaben sich über weite Strecken gewissermaßen in ihr Schicksal. Das Resultat daraus: Viel Run Game - teils geplant durch Read Options, teils improvisiert durch Lamar Jackson - und wenn es doch mal durch die Luft ging, dann hauptsächlich via Quick Passing Game. Jackson musste den Ball sehr häufig ganz schnell und damit über kurze Pässe - Checkdowns und Screens - loswerden, was gegen eine so umtriebige Schwarm-Defense wie der der Chiefs selten von Erfolg gekrönt ist.
Zur Pause kam Jackson daher auf den geradezu lächerlichen Wert von 1,7 Yards durchschnittlicher Target-Tiefe. Auf diesem Wege gaben sie in der ersten Hälfte auch einmal den Ball bei einem vierten Versuch her. Nach der Pause wurde es letztlich ein wenig besser, was aber auch seinen Preis hatte. Um am Ende auf immerhin 6,7 Yards aDoT zu kommen, mussten häufig die Tight Ends bei der Pass Protection aushelfen, was speziell Mark Andrews fast gänzlich aus dem Spiel nahm. Am Ende hatte er ganze zwei Targets im ganzen Spiel. Ein Unding.
Die eigene Defense wiederum stand gegen Mahomes und seine High-Speed-Offense meistens gut, sodass ein später Run immer noch drin war. Doch es brauchte schon eine bärenstarke Vorstellung von Jackson, um das Team zurück ins Spiel zu bringen. Er wehrte sich nach Kräften und kassierte trotz der schwachen Protection nur einen Sack und einen QB-Hit im ganzen Spiel. Und er warf letztlich doch für 273 Yards und einen Touchdown. Letzteren vollendete Likely, der mit neun Receptions und 111 Yards eine Galavorstellung seinerseits hinlegte - abgesehen vom letzten Play.
Hero Ball hält Ravens im Spiel
Die Ravens machten dieses zwischenzeitlich vorentschieden wirkende Spiel nochmal spannend und zwar durch die Football-Variante von Hero Ball, wenn man so will. Jackson lief nebenher noch für 122 Yards und unterstrich derweil, dass er durch seine durch Gewichtsverlust wiedergewonnene Agilität noch schwerer zu fassen ist vom Gegner. Wir sahen Ansätze, wie das Read-Option-Spiel mit ihm und Derrick Henry laufen könnte.
Doch ultimativ bleibt da diese Offensive Line, in der nun Patrick Mekari den Right Tackle, der gelernte Tackle Daniel Faalele Right und Andrew Vorhees Left Guard spielen werden. Nicht jede Defensive Front ist so gefährlich wie die der Chiefs, doch hat KC dem Rest der Liga nun immerhin ein Musterbeispiel geliefert, wie man diese Offense verteidigen könnte.
In Baltimore sprechen sie schon unverblümt vom Super Bowl, doch die Leistung in Kansas City sollte deutlich machen, dass dieses Unterfangen kein Selbstläufer werden wird. Unterstrichen wird das auch dadurch, dass Jackson selbst trotz starker Vorstellung genügend eigene Fehler macht. Er verlor einen Fumble und er verfehlte kurz vor der Zehenspitz-Situation einen völlig offenen Zay Flowers in der Endzone.
Es darf aber auch nicht der Anspruch sein, dass man nur noch dann Spiele gewinnt oder sie darüber hinaus sogar noch kontrolliert, wenn dafür eine überragende und auch fehlerfreie Vorstellung von Jackson Woche für Woche nötig ist.
Schweres Startprogramm für Ravens
Erschwerend kommt hinzu, dass die Ravens ein beachtliches Auftaktprogramm zu überstehen haben. Nach einer nun zumindest mal interessanteren Herausforderung in Las Vegas in Woche 2 - dort lauert Edge Rusher Maxx Crosby! - kommt es in Woche 3 und 4 zu Prestigeduellen mit den Cowboys und Bengals. Und gerade die Cowboys verfügen über einen imposanten Pass Rush, der den Ravens ebenfalls zum Verhängnis werden könnte.
Die Ravens halfen mit bei einem fulminanten Auftakt in die neue NFL-Saison. Doch schon jetzt stehen sie gehörig unter Druck und vor einem Problem, das sie womöglich nicht auf die Schnelle werden fixen können.




































