Die neue Saison steht vor der Tür, und damit auch für einige Protagonisten in der NFL ein ganz entscheidendes Jahr. Ist Daniel Jones nach der Saison noch ein Starting-Quarterback? Ist Mike McCarthy noch ein Head Coach? Verpflichtet jemand Russell Wilson als Starter?
In seiner monatlichen Kolumne schreibt RTL-Experte Adrian Franke exklusiv über die NFL bei sport.de.
Diese NFL-Akteure stehen besonders unter Druck
Daniel Jones - Quarterback, New York Giants
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Giants bereits in dieser Offseason intensiv auf Quarterback-Suche waren. Und vermutlich wären die Quarterback-Diskussionen bereits in vollem Gange, wäre es den Giants gelungen, im Draft für Drake Maye hoch zu traden.
Stattdessen ist es die vermutlich letzte Chance für Jones, um sich als Starter in New York zu beweisen. Dafür bekommt er immerhin in Person von Malik Nabers den vielleicht besten Receiver seiner Giants-Zeit. Gleichzeitig aber ist der Druck so groß wie noch nie.
Für Head Coach Brian Daboll ist es das dritte Jahr in New York, und so sehr man im ersten Jahr über den eigenen Verhältnissen gespielt hat, so sehr war die vergangene Saison dann eine Enttäuschung. Daboll sollte nicht ernsthaft wackeln, aber wenn die Ergebnisse nicht stimmen, ist klar, dass sich etwas verändern muss - und dann ist Jones der logische Kandidat dafür.
Die Giants könnten sich mit einem Dead-Cap-Hit von 22,2 Millionen Dollar nach der Saison von Jones trennen. Wir wissen längst, dass solche Summen Teams nicht davon abhalten, auf Quarterback einen Neustart anzupeilen. Sofern Jones dieses Jahr nicht alle Erwartungen übertrifft, muss man davon ausgehen, dass die Giants nächstes Jahr dann aggressiver im Draft sein werden, um ihren nächsten Quarterback zu finden.
Mike McCarthy - Head Coach, Dallas Cowboys
Es ist eine Storyline, die uns noch über weite Teile der Saison begleiten wird, und die sehr konkret spät in der Regular Season werden könnte, wenn die Ergebnisse nicht stimmen: Mike McCarthy coacht in Dallas um seinen nächsten Vertrag.
Dallas hat in jedem der letzten drei Jahre zwölf Spiele gewonnen, es sind die Postseason-Siege, die tiefen Playoff-Runs, die fehlen - und die Teambesitzer Jerry Jones ganz offensichtlich sehen will. Es scheint klar, dass McCarthy keinen neuen Vertrag bekommen wird, wenn die Erfolge in den Playoffs ausbleiben; mit einem auf dem Papier schlechteren Team als letztes Jahr.
McCarthy war in Dallas bisher besser, als ich es erwartet hatte. Aber der Druck und die Anforderung, um sich in dieser einen Saison einen neuen Vertrag zu verdienen, werden unheimlich groß sein. Und das wird im Laufe der Saison eher zu- als abnehmen.
Russell Wilson - Quarterback, Pittsburgh Steelers
85 Millionen Dollar. Diese Summe waren die Broncos bereit, in Form von Dead Cap zu schlucken, um sich schnellstmöglich von Russell Wilson zu trennen.
Man kann hier darüber diskutieren, inwieweit Sean Payton vielleicht mehr in ihn hätte investieren können, inwieweit womöglich auch Themen abseits des Platzes eine Rolle gespielt haben. Aber die Realität ist, dass Wilson in Paytons Scheme zwar immer noch halbwegs gute Zahlen auflegte, dabei allerdings mehr wie Teil des Problems als Teil der Lösung wirkte.
Sein schlechtes Pocket-Verhalten, seine nach wie vor inkonstanten Reads über die Mitte des Feldes, in Kombination mit dem abbauenden physischen Talent? Das ist eine gefährliche Mischung, die eine Offense lahmlegen kann. Wilson war schon immer ein sehr spezifischer Scheme-Fit, der jetzt aber auch noch mehr auf seine Offensive Line angewiesen ist.
Die Steelers haben in ihre Offensive Line investiert, aber es wird vermutlich dauern, bis man die Effekte davon bemerkt. Und wie gut Wilson wirklich in Arthur Smiths Offense passt, bleibt auch abzuwarten.
Justin Fields hat ähnliche Probleme als Passer, aber seine Athletik ist eine Waffe, gerade in dieser Offense. Sollte Wilson seinen Startplatz an Fields verlieren und die Saison auf der Bank beenden, kann es sein, das Teams ihn schon in der kommenden Offseason nicht mehr als Starter betrachten werden.
Robert Saleh und Joe Douglas - Head Coach und GM, New York Jets
Im Sommer 2019 übernahm Joe Douglas die Jets als GM, und er hat in der Zeit mit Nachdruck einen Umbruch vorangetrieben. Er hat Sauce Gardner gedraftet, genau wie Jermaine Johnson, Alijah Vera-Tucker, Garrett Wilson und Breece Hall. Er hat Jamal Adams für ein Monster-Paket nach Seattle geschickt und D.J. Reed und Quincy Williams waren Free-Agency-Volltreffer.
Viele positive Dinge also, gleichzeitig aber wird ein GM, wenn man ausreichend raus zoomt, an drei Dingen gemessen: Seiner Head-Coach-Verpflichtung, seinen Quarterback-Entscheidungen und seinem Playoff-Erfolg.
Robert Saleh hat sich bisher als guter Head Coach erwiesen - wenn man in erster Linie auf die Defense schaut. Mit Zach Wilson hatte Douglas einen großen Quarterback-Fehlgriff und die letzte Playoff-Teilnahme der Jets ist 13 Jahre her. Douglas bekam die Chance auf eine zweite Quarterback-Entscheidung, und damit wählte er Aaron Rodgers.
Zwei Dinge müssen dieses Jahr passieren: Rodgers muss zeigen, dass er noch halbwegs an sein Level vor der Verletzung anknüpfen kann. Und in der Folge müssen die Jets endlich ihre Postseason-Durststrecke beenden.
Gelingt das in diesem All-In-Jahr nicht, womöglich mit anschließendem Rücktritt von Rodgers, ist schwer vorstellbar, dass Douglas und Saleh auch den nächsten Neustart noch im Amt durchführen dürfen.
Bryce Young - Quarterback, Carolina Panthers
Youngs Rookie-Saison war in jeder Hinsicht enttäuschend. Das wird nicht einfacher werden, wenn dieses Jahr unweigerlich die Quervergleiche zu Caleb Williams starten, den Chicago mit dem Pick der Panthers draften konnte; aber zumindest Young für sich betrachtet hat eine echte Chance auf einen großen Sprung im zweiten Jahr.
Die für ihn so wichtige Interior Offensive Line wurde verbessert, die Receiver-Gruppe wurde deutlich verstärkt, und mit Dave Canales übernimmt ein Head Coach, der letztes Jahr in Tampa Bay die Karriere von Baker Mayfield nochmal in die Spur gebracht hat.
All das ist positiv - aber es kommt auch mit entsprechendem Druck. Wenn Young diese Fortschritte nicht zeigt, gibt es eine reelle Chance, dass die Panthers die Saison abermals mit einem sehr hohen Pick beenden. Den werden sie dann selbst innehaben, während GM und Head Coach Young nicht gedraftet haben.
Ich erwarte nicht, dass die Panthers Young nach der Saison absägen. Aber ohne die entsprechenden Fortschritte wird das zumindest ein sehr konkretes und viel diskutiertes Thema werden.
Antonio Pierce - Head Coach, Las Vegas Raiders
Dass der Interimscoach zum Head Coach befördert wird, ist in der NFL schon sehr selten. Noch seltener ist, dass das dann auch tatsächlich funktioniert. Pierce gab den Raiders eine neue Emotionalität und ein neues Feuer nach der Entlassung von Josh McDaniels, das steht außer Frage. Aber überträgt sich das auch auf sportlichen Erfolg in der neuen Saison?
Die Frage stellt sich zusätzlich angesichts des eher überschaubaren Quarterback-Duells zwischen Gardner Minshew und Aidan O’Connell. Minshew wird zuerst starten, ich gehe davon aus, dass wir beide sehen werden. Aber dann steht bei einem beförderten Interimscoach auch immer die Frage im Raum: Wie groß ist die Geduld, sollte sich der Zauber der Vorsaison nicht auf seine Arbeit als "echter" Head Coach übertragen?
Deshaun Watson - Quarterback, Cleveland Browns
Es dürfte niemanden im Front Office der Cleveland Browns geben, der bis dato mit dem Deshaun-Watson-Trade zufrieden ist. Cleveland hatte damals viel berechtigte Kritik erhalten, auch dafür, dass man Watson einen in der Form noch nie dagewesenen, komplett garantierten Quarterback-Vertrag gegeben hatte. Der Ertrag war bislang überschaubar.
Watson kommt nach zwei Jahren auf 408 Dropbacks für die Browns, nachdem er im ersten Jahr erst seine Sperre absitzen musste, und dann in der vergangenen Saison verletzungsbedingt lediglich sechs Spiele absolvierte. In beiden Jahren spielten also andere Quarterbacks signifikante Snaps für Cleveland, und man kann argumentieren, dass die Offense sowohl mit Jacoby Brissett als auch mit Joe Flacco besser funktioniert hat. Bei Brissett sogar deutlich.
Cleveland hat die Offense schrittweise mehr auf Watson ausgerichtet. Mit Amari Cooper, Jerry Jeudy und Elijah Moore hat man jetzt ein Receiver-Trio, das vermutlich noch mehr 3-Receiver-Sets und auch noch mehr Spread-Elemente ermöglichen wird. Das Passing Game wird noch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Im dritten Jahr muss Watson jetzt liefern.
Die Browns kommen nach dieser Saison noch nicht aus Watsons Vertrag raus. Zumindest würden die 136,9 Millionen Dollar Dead Cap den Russell-Wilson-Dead-Cap wie Kleingeld wirken lassen. Aber eine weitere enttäuschende Saison, und Cleveland müsste zumindest im Draft nach ernsthaften Alternativen schauen. Auch wenn das Watson potenziell zum teuersten Backup der NFL machen könnte.
Nick Sirianni - Head Coach, Philadelphia Eagles
Wir werden vermutlich nie erfahren, wie nah Nick Sirianni nach dem Playoff-Aus in Tampa Bay wirklich vor seiner Entlassung stand. GM Howie Roseman erklärte bei der Saison-Abschluss-PK, die erst neun Tage nach der Niederlage gegen die Bucs erfolgte, dass Siriannis Job nicht gefährdet war.
So viel Kontext sollte erwähnt werden, die Faktenlage erscheint aber von außen betrachtet auch klar: Nachdem Sirianni seine beiden Coordinators an Head-Coaching-Posten verloren hatte, versuchte er, die Nachfolger intern zu besetzen. Das ging krachend schief, und jetzt haben die Eagles mit Vic Fangio und Kellen Moore auf beiden Seiten des Balls etablierte Play-Caller geholt.
Sirianni rückt damit wieder ganz klar in die CEO-Rolle, mit einem Team, das immer noch jede Menge individuelles Talent hat. Entsprechend hoch ist aber auch die Erwartungshaltung, und selbst wenn eine Sirianni-Entlassung intern nach der vergangenen Saison noch kein Thema war: Eine weitere enttäuschende Saison, in der womöglich auch wieder das Managen des Teams für sich betrachtet Fragen aufwirft, würde mit Sicherheit dazu führen, dass sich Roseman intensiv mit dem Head-Coach-Job auseinandersetzt.




































