Nach Bekanntwerden eines positiven Dopingbefundes beim Weltranglistenersten Jannik Sinner diskutiert die Tennis-Welt darüber, wie sich der Italiener zu verhalten hat. Der ehemalige DTB-Profi Philipp Kohlschreiber macht dem 23-Jährigen keinen Vorwurf.
Philipp Kohlschreiber schlägt sich im Doping-Wirbel auf die Seite von Superstar Jannik Sinner. "Ich will und kann Jannik Sinner nicht verurteilen und sagen, dass er lügt", sagte der inzwischen zurückgetretene Tennisspieler in einem Interview mit "Sky".
Sinner war im März zweimal positiv auf das verbotene Steroid Clostebol getestet worden, jedoch um eine längere Sperre herumgekommen. Dies kam erst am vergangenen Dienstag, mit rund fünf Monaten Verspätung, heraus, da die International Tennis Integrity Agency (ITIA) in einer Pressemitteilung bekannt gab, dass der Tennisprofi von einem unabhängigen Gericht freigesprochen wurde.
Er habe nachvollziehbar darlegen können, dass er unschuldig kontaminiert worden sei. Er müsse lediglich das Preisgeld und die in Indian Wells erspielten Weltranglistenpunkte abgeben, hieß es.
Sinners Erklärung für den Doping-Befund: Sein Physiotherapeut Giacomo Naldi sei verantwortlich. Dieser habe ihn massiert, nachdem er zuvor eine eigene Wunde mit einem Spray behandelte, in dem das verbotene Steroid enthalten war - eine Erklärung, die große Zweifel innerhalb der Tenniswelt hervorgerufen hat.
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Kohlschreiber hinterfragt: "Warum wurde der Fall so schnell behandelt?"
Kohlschreiber äußerte sich hierzu zurückhaltend. Er könne aus der Ferne nicht "beurteilen, ob die Menge ausschlaggebend für eine Wettkampfsteigerung ist. Über die Geschichte, wie das Mittel in seinen Körper gelangt ist, kann man schmunzeln oder sie komplett glauben".
Jeder müsse sich "seine eigenen Gedanken machen", ob er die "Geschichte mit dem Masseur" für glaubwürdig hält. Klar ist für Kohlschreiber: "Was die unabhängigen Instanzen jetzt zu dem Fall sagen, da habe ich volles Vertrauen. Ich glaube nicht daran, dass hier aus Sympathie oder Wichtigkeit der Person entschieden wurde, da glaube ich an die Unabhängigkeit und ehrliche Entscheidung der Experten."
Die Kritik anderer Spieler, im Fall Sinner werde mit zweierlei Maß gemessen, kann der 40-Jährige dennoch nachvollziehen.
"Was ich aus Spielerkreisen mitbekomme und was man auch kritisch hinterfragen müsste: Warum wurde der Fall so schnell behandelt? Bei ähnlichen Vergehen dauerte es monatelang, bis die Spieler überhaupt angehört wurden. Ich glaube, das stößt den meisten Spielern sauer auf: Dass es in dem Fall vielleicht eine Sonderbehandlung des zeitlichen Aspekts gab, die andere nicht bekommen haben", so der Augsburger, der 2012 im Wimbledon-Viertelfinale stand: "Wir kämpfen alle für einen sauberen Sport. Alle Spieler sollten die gleichen Abläufe und Fristen bekommen."
Rückzug von den US Open? "Wäre auch nicht richtig"
Letztendlich sei Jannik Sinner aber von einem unabhängigen Gericht freigesprochen worden, hob Phliipp Kohlschreiber hervor. Einen Rückzug von bald beginnenden US Open würde er nicht empfehlen.
"Ein freiwilliges Zurückziehen wäre auch nicht richtig. Im Endeffekt muss man sagen, dass er sich in die richtige Richtung bewegt. Er wurde erst mal freigesprochen und es gilt die Unschuldsvermutung. Er hat die Mitteilung bekommen, dass alles abgeklärt ist. Er macht jetzt nichts Verbotenes mehr", so der Augsburger.