Im Fußball geht es nicht immer gerecht zu – das wusste schon Rudi Assauer, als er sich 2001 über den fehlenden "Fußballgott" beschwerte. Doch das Viertelfinale dieser EM steht exemplarisch dafür, dass nicht unbedingt die bessere Mannschaft eine Runde weiterkommt – denn in allen vier Viertelfinalspielen setzten sich am Ende die statistisch eigentlich unterlegenen Teams durch.
Die ausgeschiedenen Teams aus Deutschland, Portugal, Schweiz und Türkei kamen in ihren Viertelfinalbegegnungen gemeinsam auf 69 Torschüsse, die siegreichen Mannschaften aus Spanien, Frankreich, England und den Niederlanden lediglich 57.
Bis auf die Engländer, die in dieser Kategorie im Vergleich zu Gegner Schweiz leicht vorne lagen (13 : 11), gaben die unterlegenen Teams jeweils mehr Torschüsse ab (Deutschland – Spanien 23 : 8, Portugal – Frankreich 20 : 15, Türkei – Niederlande 15 : 11).
Auch bei der Qualität der Chancen lagen die Unterlegenen vorne – und zwar in allen vier Fällen. Der Expected-Goals-Wert sprach für Deutschland im Duell mit Spanien (2,15 : 1,41), für Portugal im Duell mit Frankreich (1,84 : 1,14), für die Schweiz im Duell mit England (1,5 : 0,64) und für die Türkei im Duell mit den Niederlanden (1,32 : 1,09).
Auch bei der Anzahl der Großchancen lagen die jetzt ausgeschiedenen Teams in allen vier Partien vorne (Deutschland – Spanien 5 : 4, Portugal – Frankreich 4 : 2, Schweiz – England 1 : 0, Türkei – Niederlande 3 : 2).
So stehen mit Ausnahme der überzeugenden Spanier drei Teams im Halbfinale, die bislang noch nicht geglänzt haben. Die Engländer benötigten gerade einmal drei Großchancen in der K.o.-Phase, um zwei Runden zu überstehen.
Frankreich ist nach fünf Partien immer noch ohne eigenes Tor aus dem Spiel heraus (1 Elfmeter, 2 Eigentore). Die vier unterlegenen Nationalteams müssen sich dagegen ihre fehlende Effizienz vorwerfen lassen.
Deutschlands irre Torschuss-Statistik bei den letzten Turnieren
Für das deutsche Team zieht sich diese fehlende Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor schon seit dem Weltmeistertitel 2014 wie ein roter Faden durch die großen Turniere.
Seit dem WM-Titel von Rio de Janeiro gab es für die DFB-Elf nicht ein einziges Spiel (!) bei Welt- und Europameisterschaften, in dem sie weniger Torschüsse als ihre Gegner abgaben.
Und dennoch durfte Deutschland in den 21 WM- und EM-Partien seit dem gewonnen WM-Finale gegen Argentinien gerade einmal neun Siege feiern, bei fünf Unentschieden und sieben Niederlagen - und das, obwohl Deutschland mit 398 : 178 Torschüssen deutlich mehr als doppelt so viele Abschlüsse als seine Gegner aufwies.
Besonders kurios: Der letzte Gegner bei einem großen Turnier, der am Spielende gegen Deutschland mehr Torschüsse als die DFB-Elf aufwies, war 2014 Brasilien – beim legendären 1:7 (18 : 14).
Ralf Amshove