Die Free Agency und der NFL Draft 2024 sind Geschichte. Mit Blick auf die Dallas Cowboys muss man sich immer noch fragen, was die vollmundige Ansage, für die kommende Saison "All-in" zu sein, eigentlich bedeuten soll. Die bisherigen Schritte deuten nicht auf diese Ausrichtung hin.
Teameigner und General Manager Jerry Jones hat es nun mehrfach gesagt, auch sein Sohn und COO Stephen Jones merkte es bereits an, dass man "All-in" sei bei den Cowboys. Natürlich wurde das von den beiden nun schon des Öfteren relativiert, doch kurz nach dem Draft äußerte "Jerrah" diese Worte abermals.
Doch was soll das überhaupt heißen? Man saß die Free Agency fast gänzlich aus und der einzige größere Move war es, Linebacker Eric Kendricks den 49ers, denen er schon zugesagt hatte zum Beginn des Verhandlungsfensters im März, doch noch auszuspannen. Schließlich kennt er den neuen Defensive Coordinator Mike Zimmer und dessen Scheme aus gemeinsamen Tagen in Minnesota sehr gut. So wichtig!
Doch abgesehen davon passierte herzlich wenig - nicht genug Cap Space, um Bäume auszureißen. Doch warum dem so ist, wird gerne klein geredet in Texas, wo doch sonst alles größer ist. Der einzige Grund, warum man mit minimalem Cap Space in die Offseason gegangen ist, ist der Unwille, Quarterback Dak Prescott einen neuen Vertrag zu geben, der dessen beträchtlichen Cap Hit in Höhe von mehr als 55 Millionen Dollar deutlich senken würde. Doch Jones will da lieber warten und erstmal Ergebnisse sehen.
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NFL: Geduld der Dallas Cowboys wird zum Risiko
Gleiches gilt offenbar auch für Wide Receiver CeeDee Lamb, der in sein fünftes und letztes Vertragsjahr geht und mit neuem Vertrag wohl auch weniger als die aktuellen 17,99 Millionen Dollar gegen die Salary Cap zählen würde. Man steht sich hier also absichtlich selbst im Weg. Und sicher hat Stephen Jones gerade Lambs Situation als schwierig erachtet, weil er erstmal Verlängerungen von anderen Wide Receivern auf dem Markt sehen wolle.
Doch auch diese Herangehensweise macht keinen Sinn, da es von hier an nur noch aufwärts gehen wird mit Verträgen für diese Positionsgruppe. Amon-Ra St. Brown unterschrieb jüngst eine Vertragsverlängerung, die ihm durchschnittlich 30,002 Millionen Dollar jährlich einbringt. Das ist minimal mehr als Tyreek Hill in Miami bekommt und knapp 2 Mio. Dollar weniger als A.J. Brown durch seine jüngste Verlängerung bei den Eagles erhält. Und je nachdem, wer nun zuerst kommt, wird mindestens genauso viel, wenn nicht sogar mehr bekommen - Lamb inklusive.
Der Vorwand der Cowboys, geduldig sein zu wollen, klingt schon deshalb abwegig. Hinzu kommt, dass Jerry Jones nicht müde wird zu betonen, dass Playoff-Erfolge das sind, wonach dieses Team lechzt. Mit der Weigerung, das Team zu verbessern und stattdessen lieber einige Leistungsträger ziehen zu lassen, arbeitet man nun nicht wirklich darauf hin, diesem Ziel näherzukommen.
Im Gegenteil. Man kann sogar mit der Entscheidung anfangen, Mike McCarthy als Head Coach in sein letztes Vertragsjahr gehen zu lassen. Auch wenn das keiner sagt, dürfte der Hauptgrund dafür - trotz einem peinlichen Playoff-Aus nach dem anderen - sein, dass man ihm so keine Abfindung und unterm Strich nicht zwei Head Coaches gleichzeitig bezahlen muss. Ähnlich ging es damals mit seinem Vorgänger Jason Garrett zu Ende, der nicht mal den konstanten Regular-Season-Erfolg wie McCarthy vorzuweisen hatte.
Baustellen bei den Dallas Cowboys bleiben offen
Schaut man nun auf den aktuellen Kader, wird deutlich, dass die vor der Free Agency offensichtlichen Baustellen weiterhin Bestand haben. Gerade das Receiving Corps besteht im Grunde aus Lamb und Brandin Cooks. Daneben ist vieles unklar. Das Backfield? Rückkehrer Zeke Elliott wird zwar - besonders durch seine neue Nummer 15 - einige Trikots verkaufen, man sollte aber nicht davon ausgehen, dass er immer noch die Bell-Cow-Rolle effizient übernehmen kann. Seine letzte wirklich gute Saison in der NFL liegt mindestens fünf bis sechs Jahre zurück. Dahinter ist auf der Depth Chart sehr viel Luft.
Die Offensive Line fand immerhin in Erstrundenpick Tyler Guyton einen möglichen neuen Left Tackle, obgleich dieser noch recht grün hinter den Ohren ist. Und eventuell wird Drittrundenpick Cooper Beebe der neue Center. Defensiv wiederum ist die Personaldecke nach zahlreichen Abgängen ziemlich dünn. Viel darf in Sachen Verletzungen also nicht passieren.
Nimmt man all das zusammen, muss man sich in Texas wohl oder übel auf ein Übergangsjahr einstellen, das so eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Die zusätzliche Gefahr, die dieses Szenario bürgt, ist dann noch die sehr reale Möglichkeit, dass man anschließend auch seinen Quarterback Dak Prescott verliert, den man nicht per Franchise Tag halten und der sich zudem ausdrücklich vorstellen kann, anderswo zu spielen. Dann würde aus einem Übergangsjahr ein schleichender Absturz ins Niemandsland der NFL folgen.
Und dies dürfte selbst Jerry Jones nur schwer vermitteln können, obgleich er zweifelsohne auch darin "All-in" sein würde.
Marcus Blumberg