Die Houston Texans und die Buffalo Bills haben sich auf einen Trade geeinigt. Star-Receiver Stefon Diggs verstärkt in der kommenden NFL-Spielzeit das Team um C.J. Stroud und Co.
Während sich die Buffalo Bills damit fürs Erste aus dem Favoritenkreis verabschieden, dabei aber die Zukunft im Blick haben, gehen die Houston Texans ganz offiziell "all in"!
sport.de blickt genauer auf den Blockbuster-Deal und was sich daraus ableiten lässt.
Ein bittersüßes Abschiedsgeschenk
Wir schreiben den 8. Januar 2023: Die Houston Texans spielen am letzten Spieltag der NFL-Saison gegen die Indianapolis Colts. Bisher konnten die Texaner in der Spielzeit lediglich zwei Siege und ein Remis einfahren.
58 Sekunden sind noch auf der Uhr, die Texans liegen mit sieben Punkten hinten und müssen bei ihrem vierten Down gleich Mal 20 Yards überbrücken. Die Fans der Texaner fieberten dem Ende entgegen, denn eine Niederlage hätte den First-Pick im Draft bedeutet.
Dann jedoch fand Quarterback Davis Mills mit einem Verzweiflungswurf in die Endzone seinen Tight End Akins, der überraschend freistehend den Touchdown sicherte.
Head Coach Lovie Smith - dessen Abgang schon vorher mehr oder weniger beschlossen war - entscheidet sich dafür, dass die Texans für die Two-Point-Conversion gehen. Rückblickend war es ein bittersüßes Abschiedsgeschenk für das Team.
Die Two-Point-Conversion gelang, die Texans siegten, verloren dadurch aber den First Overall Pick an die Chicago Bears.
NFL Draft 2023: Eine glückliche Fügung für die Texans
Die Freude über den Sieg hielt sich bei den Fans und (den meisten) Verantwortlichen verständlicherweise in Grenzen. Ob "Tanking" (also das absichtliche Verlieren für einen höheren Draftpick) in der NFL wirklich ein Thema ist oder eben nicht, darüber wird seit Jahren diskutiert. Aber das in diesem Falle jeder, der es mit den Texans hält eine Niederlage sehr gut hätte verkraften können, ist auch klar.
Doch es kam anders und irgendwie fügte sich am Ende dann doch alles zu Gunsten der Texaner.
Während die Carolina Panthers massenweise Draft-Kapital abgaben, um sich den First Pick der Bears zu sichern, kümmerten sich die Texans erst einmal um einen neuen Coach. Der frühere NFL-Linebacker DeMeco Ryans, zuvor Defensive Coordinator in San Francisco kam und gemeinsam ging das neue Gespann den Draft an.
Dort holte man mit dem zweiten Pick bekanntermaßen C.J. Stroud und bewies damit ein glückliches Händchen. Der Quarterback spielte eine unglaubliche Saison. Ob die Texans mit dem First Overall Pick vielleicht auch Bryce Young gewählt hätten? Man weiß es nicht und am Ende ist es auch müßig. Das Schicksal - oder eben das bittersüße Abschiedsgeschenk von Lovie Smith - führte die Texans und Stroud zusammen. "Match made in Heaven", heißt es doch so schön!
Houston Texans: Plötzlich "all in"
Und weil unter anderem C.J. Stroud die Texans überraschend in die Playoffs führte, änderte sich das Mindset im Süden der USA komplett. Innerhalb eines Jahres wurden die Texas vom hässlichen Entlein zum Schwan.
Das erkennen auch die Verantwortlichen in Houston und ergreifen die Chance beim Schopf. Weil Leistungsträger wie Stroud, Will Anderson, Tank Dell, Nico Collins und Derek Stingley allesamt noch auf dem Rookie-Vertrag spielen, gingen die Texans mit einem ordentlichen Cap-Polster in die Offseason. Und dort feuerten die Kaderplaner aus allen Rohren.
Unter anderem verlängerte man den Vertrag mit Tight End Dalton Schultz, und holte Running Back Joe Mixon, Pass Rusher Danielle Hunter und eben nun Wide Receiver Stefon Diggs. Mit dem Wechsel der Superstar wird noch klarer, was eh schon bekannt war. Die Houston Texans gehen "all in"!
Buffalo Bills: Das Pflaster schnell abreißen
Und die Buffalo Bills? Die sind nun mittlerweile ganz offiziell nicht mehr "all in". Viel mehr scheint hier der erste Umbruch seit etlichen Jahren eingeläutet worden zu sein. Mit Defensive-Stars wie Jordan Poyer oder auch Tre'Davious White wurden bereits Leistungsträger entlassen, Stefon Diggs reiht sich in diese Auflistung natürlich ebenfalls ein.
Von einem Rebuild zu sprechen wäre hier wohl vermessen, allerdings ist durch diese Abgänge klar, dass in Buffalo nicht nur kurz, sondern auch langfristig gedacht wurde. Ganz offenbar trennt man sich lieber früher als später von Spielern, die den Cap Space nachhaltig belasten würden.
So wird man deutlich schneller wieder handlungsfähig sein als beispielsweise die New Orleans Saints, die als abschreckendes Beispiel dafür gelten sollten, was passiert, wenn man die Cap-Probleme Jahr für Jahr vor sich her schiebt. Das Pflaster schnell abzureißen tut am Ende wohl weniger weh.
Und weil man mit Josh Allen einen der besten Quarterbacks der NFL in den eigenen Reihen hat, ist zum einen die Zukunft des Teams auch für die Zeit nach der Phase des Umbruchs, Übergangs oder wie man es auch bezeichnen will, gesichert.
Zum anderen sollte man die Bills für die Playoffs nicht abschreiben, auch wenn Allen nach aktuellem Stand lediglich Receiver wie Curtis Samuel, Khalil Shakir und Mack Hollins zur Verfügung hat. Mit einem Quarterback dieser Qualität sind die Playoffs nie ausgeschlossen. Auch wenn die Bills in der Liste der Favoriten sicherlich weiter hinten zu finden sind.
NFL: Kommt das Ego von Stefon Diggs bei den Texans klar?
Und Stefon Diggs? Der Wide Receiver träumt natürlich weiterhin vom Super Bowl. Mit den Minnesota Vikings sah es 2018 danach aus, als könnte er den Super Bowl erreichen und auch mit den Buffalo Bills hatte er stets gute Karten, scheiterte aber zu oft an Patrick Mahomes und den Kansas City Chiefs.
Wird es nun in Houston etwas? Möglich ist das allemal, doch dafür wird sich Stefon Diggs womöglich anpassen müssen. Und das gar nicht mal auf sportlicher, sondern vor allem auch auf persönlicher Ebene.
Wer in den letzten Jahren die NFL verfolgte, der kam nicht drumherum, immer wieder auch von Stefon Diggs zu hören. Mal waren es die sportlichen Leistungen, die hervorstachen, doch immer wieder standen auch Querelen im Mittelpunkt. Ob nun auf Social Media oder auch am Seitenrand, Diggs zeigte (zu) häufig seine Unzufriedenheit. Mehrfach prangerte er öffentlich an, nicht genug Bälle zu bekommen, sein Verhältnis zu Quarterback Josh Allen wurde nicht selten als "angespannt" bezeichnet. Und das, obwohl Diggs der klare Nummer-eins-Receiver war.
In Houston wird er sicherlich nicht so klar die Nummer eins in der Offense der Texans sein. Mit Tank Dell, Nico Collins und auch Dalton Schultz hat C.J. Stroud bereits drei richtig gute Abnehmer für seine Bälle. Das Stück vom Kuchen wird für Stefon Diggs rein statistisch mit großer Wahrscheinlichkeit also kleiner sein als in Buffalo. Ob das Ego des Wide Receivers damit klarkommt?
Das bleibt abzuwarten, doch man kann sich sicher sein, dass Diggs mit seiner wehleidigen Art nicht sonderlich gut ankommen würde, sollte er diese nicht ändern. Die Kultur, die die Texans und Head Coach DeMeco Ryans geschaffen haben, scheint von außen betrachtet sehr harmonisch zu sein. Man hatte den Eindruck, dass alle in Houston an einem Strang ziehen. Vielleicht war das auch der Underdog-Rolle geschuldet, doch vielleicht wird Diggs sein Ego zurückstellen müssen. Damit er endlich seinen Super Bowl bekommt.
Marcel Schmidt