Suche Heute Live
Skispringen
Artikel teilen

Skispringen

Gefahr im Tal der Schanzen

Exklusiv: Das steckt hinter der Sturz-Serie in Planica

Der Italiener Giovanni Breadola kam beim Teamfliegen in Planica unsanft zu Fall
Der Italiener Giovanni Breadola kam beim Teamfliegen in Planica unsanft zu Fall
Foto: © IMAGO/GEPA pictures/ Matic Klansek
23. März 2024, 14:59

War am Freitag der Heimsieg von Peter Prevc auf seiner Abschiedstournee in Planica noch ein geradezu kitschiges Thema des Tages, so ist die Stimmung im Tal der Schanzen einen Tag später gedrückt. Im Team-Fliegen gab es gleich drei Stürze, die nicht folgenlos bleiben werden. Insgesamt sieben Vorfälle in nur drei Wettkampftagen werfen einen Schatten auf ein sonniges Wochenende. sport.de geht den Gründen nach.

Das Saisonfinale der Skispringer in Planica könnte so schön sein. Unter den imposanten Berggipfeln der Julischen Alpen treten die Adler zum letzten Mal am Ende des Winters zur Weitenjagd an - und das bei strahlendem Sonnenschein. Doch über die malerische Kulisse des Tals der Schanzen legte sich im Verlauf der bisherigen drei Wettkampftage immer mehr Schatten.

Den Höhepunkt erlebte die Party zunächst am Freitag um 16:55 Uhr, als Peter Prevc im drittletzten Wettkampf seiner erfolgreichen Laufbahn nochmal einen Heimsieg feierte. Keine 24 Stunden später wurde es im Team-Wettkampf gleich mehrfach schlagartig still.

Der gefragteste Mann in der Mixed-Zone war FIS-Renndirektor Sandro Pertile. Er musste erklären, wie in einem Durchgang mit nur 35 Teilnehmern gleich drei Athleten stürzten.

Nach dem US-Amerikaner Decker Dean, der bei seinem Sturz bei 179,5 Metern mit Prellungen davonkam, erwischte es mit Giovanni Bresadola einen Landsmann Pertiles. Das Knie des Italieners gab bei der Landung auf 226 Metern nach, wodurch er heftig mit dem Kopf aufschlug und mit Verdacht auf Kreuzbandriss und Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gebracht wurde.

Skispringen: Vorzeigeflieger Zajc kommt mit dem Schrecken davon

Das Gleiche war zwei Tage zuvor schon dem Finnen Eetu Nousiainen widerfahren, am Donnerstag der dritte Flieger, den es hinlegte. Mehr Glück hatten der Kasache Sergey Tkachenko, der bereits bei 80 Metern auf den Vorbau krachte, aber zumindest keine Verletzungen davontrug, und Deans Landsmann Casey Larson bei einer Unachtsamkeit bei der Ausfahrt.

Pertile war am Samstagmittag ob der Sturz-Serie sichtlich mitgenommen und kündigte an: "Wir werden uns die Vorfälle ganz genau anschauen und analysieren, um zu verstehen, was passiert ist. Die Saison geht noch 24 Stunden, die wollen wir jetzt noch ohne weitere Stürze hinter uns bringen." Es kam anders.

Nicht nur für Bresadola, sondern auch für den slowenischen Vorzeigeflieger Timi Zajc ist die wohl Saison einen Tag früher als geplant zu Ende. Zajc segelte sogar auf 242,5 Meter, landete aber ebenfalls unsanft im Schnee. Er hatte mehr Glück als sein italienischer Kollege, wie er beim slowenischen Sender "RTV" berichtete: "Ich bin okay, ich habe nur ein paar Schmerzen in der Hüfte und der Schulter. Es ist nicht allzu schlimm, aber es war wahrscheinlich mein letzter Sprung in dieser Saison."

Tournee-Legende Jacobsen: "Ohne Stahlkanten extrem schwierig"

Die Ereignisse in Planica beweisen einmal mehr: Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich alle Beteiligten im Skifliegen bewegen. Für die Athleten liegt sehr wenig zwischen einem Rekordflug und einem Krankenhausbesuch, für die Zuschauer entsprechend wenig zwischen Jubelarie und Schreckmoment. Die Organisatoren kämpfen derweil mit den äußeren Gegebenheiten - frühlingshaften Temperaturen und dem wenigen Kunstschnee.

Das entging auch dem wachen Auge von Anders Jacobsen nicht. Der norwegische Vierschanzentourneesieger von 2006/07 ist inzwischen als Experte für den Streamingdienst "Viaplay" tätig und brachte die Problematik im Gespräch mit sport.de auf den Punkt: "Es ist hier schon länger recht warm gewesen, das macht die Schanzenpräparierung ungemein schwierig. Man kann auch nicht mit der Pistenraupe arbeiten, weil die Schneeauflage sonst nicht hält. Was dem Schnee auch wehtut, sind die Temperaturschwankungen. Tagsüber ist es warm, nachts gefriert es teilweise dann wieder. Und auf diesem welligen Aufsprung zu landen, ist mit Ski ohne Stahlkanten extrem schwierig."

Eine Lösung dieser Probleme liegt nicht auf der Hand, gab Pertile zu. Man lerne im laufenden Betrieb: "Das sind leider Erfahrungen, die wir machen müssen. Genauso müssen wir lernen, wie der Klimawandel den Wintersport immer mehr beeinflusst."

Die Menschen, die den Wettkampf steuern, haben deshalb ihre ganz eigenen Herausforderungen, so Jacobsen: "Heute hat die Jury aus meiner Sicht einen guten Job gemacht und den Anlauf recht kurz gehalten. Aber dann gibt es eben Ausnahmeflieger wie Timi Zajc, bei dem du nie weißt, was er selbst aus kurzem Anlauf macht. Selbst aus Gate 8 ist er über die Hill Size geflogen, das macht es für die Jury auch nicht einfach."

Paschke: Planica ist "ruppig"

Bereits am Tag zuvor erwischte es in ähnlicher Manier seinen Landsmann Anže Lanišek, der für den Team-Wettkampf nicht berücksichtigt wurde und dessen Teilnahme im letzten Einzel am Sonntag fraglich ist. "Wie Zajc ist auch Lanišek etwas einseitig gelandet und dann geht es eben dahin. Das ist für die Athleten traurig, aber es gehört dazu", analysierte Jacobsen.

Er selbst hatte 2010 in Planica mit 230,5 Metern den weitesten Flug seines Lebens absolviert, sich drei Jahre später aber an gleicher Ort und Stelle das Kreuzband gerissen. Der zehnmalige Weltcupsieger weiß also genau wovon er spricht, wenn er sagt: "Die Schanze ist gut genug präpariert, um einen Wettkampf durchzuführen. Und die Athleten wissen ganz genau, wie die Verhältnisse sind. Sobald du die Startnummer anhast und das grüne Licht bekommst, bist du für dich selbst verantwortlich."

So sah es auch DSV-Skispringer Pius Paschke, der mit seinen Teamkollegen Karl Geiger, Stephan Leyhe und Andreas Wellinger nicht über Rang sechs hinauskam. "Ich persönlich hatte keine Probleme, aber es ist schon ruppig. Und das ist speziell beim Skifliegen nicht ohne. Wenn man auch nur ein bisschen aus der Balance kommt bei der Landung, dann wird es umso schwieriger. Du musst zentral hinspringen und auf den Ski landen", erläuterte Paschke im Gespräch mit sport.de.

Dass das geht, bewies Daniel Huber im letzten Versuch des Tages: Mit 244 Metern erzielte er die Bestweite und bescherte seinem österreichischen Team den Sieg. Dass nicht noch mehr passierte, lag am aufkommenden Wind, wegen dem der Wettbewerb nach nur einem Durchgang abgebrochen wurde. Neben einem zweiten Durchgang verhinderte er zugleich zum Wohle aller, dass aus den bisher sieben Stürzen nicht noch mehr wurden.

Luis Holuch

Planica 2023/2024

1ÖsterreichÖsterreich803.80
2SlowenienSlowenien793.30
3NorwegenNorwegen770.60
4JapanJapan759.10
5PolenPolen735.50

Newsticker

Alle News anzeigen