Die wichtigste Position im American Football ist gewiss die der Quarterbacks und da macht weder die NFL noch der Draft eine Ausnahme. Gierig nach den besten Talenten mit dem größten Entwicklungspotential überbieten sich alljährlich die Angebote für mögliche Uptrades.
Dabei ist die Position wahnsinnig schwierig zu evaluieren. Während wichtige Fähigkeiten, wie Ball Placement (Genauigkeit) und die Pocket-Präsenz noch ganz gut über ausreichend Videomaterial zu studieren sind, sieht es bei den so genannten “Intangibles”, die hier einmal frei mit “weichen Kriterien” übersetzt werden sollen, ganz anders aus.
NFL Draft: Die 10 besten Quarterbacks
Wie ist es um den Kopf des Talents bestimmt? Ist er der größeren Herausforderung mental gewachsen? Verfügt er über das nötige Selbstvertrauen oder ist dies sogar übersteigert? Und wie steht es um seine Arbeitseinstellung und seine Führungsqualitäten? Schließlich muss ein Franchise Quarterback und zukünftiger Team Captain stets in der Mannschaft als gutes Beispiel vorangehen.
Um hier so viele Informationen über den Spieler zu erhalten, laden NFL-Teams namhafte Prospects auch im Draftprozess einmal zum gemeinsamen Abendessen ein oder probieren in Bewerbungsgesprächen von Psychologen vorbereitete Fragetechniken aus.
Doch neben den mentalen Fähigkeiten gibt es weitere Attribute, die Quarterbacks entweder noch erlernen müssen oder bereits für die Profikarriere mitbringen. So geht es um das Lesen der Defensive vor und nach dem Snap und der schnellstmöglichen Antizipation von freien Receivern. Darüber, ob ein Spieler eine saubere Wurfbewegung vollführt und die nötigen Körpermaße mitbringt, gilt es genauso zu entscheiden, wie letztendlich über das Armtalent. Ein Starting Quarterback sollte alle Würfe mit Ballgefühl, Genauigkeit und Armkraft vollführen, will er eine große Karriere bestreiten.
1. Caleb Williams - USC
Caleb Williams ist in Washington/D.C. geboren und aufgewachsen. Nachdem er sich in der Hauptstadt als High-School-Quarterback einen Namen gemacht hatte, ließ er sich von Lincoln Riley zu den Oklahoma Sooners rekrutieren. Dort angekommen, verdrängte er sofort Spencer Rattler und zeigte eine bemerkenswerte Debüt-Saison. Als Riley anschließend an die USC wechselte, ging Williams mit und knüpfte mit der Heisman Trophy 2022 an seine besonderen Leistungen nahtlos an, obwohl sein Team insgesamt nur geringen Erfolg hatte. Er gilt als heißester Anwärter auf den First-Overall Pick.
Das besondere Armtalent von Caleb Williams ist ein Geschenk. So etwas kann nicht allein mit Training erreicht werden, sondern liegt in der Veranlagung. Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob er seine Würfe aus einer sauberen Pocket heraus oder in vollem Lauf anbringt. In praktisch jeder Situation platziert er den Ball so, dass ihn nur sein Receiver erreicht. Seine Fähigkeiten als Playmaker sind es, was NFL-Teams an ihm so verzückt. Denn bei den heutigen Profis ist ein Quarterback, der außerhalb der Struktur genauso Plays macht wie innerhalb, einfach sein Geld wert und nur schwer auf dem Markt zu finden.
Fraglich ist nur, ob er auf dem nächsten Level weiterhin den Ball so lange halten kann oder erlernen muss, wie er seine Spielzüge früher beendet. Aktuell verlässt er sich zu sehr auf seine pure Athletik, indem er Druck mit seiner Explosivität und Mobilität einfach spielerisch ausweicht. Weil er außerdem manchen Pass in sehr enge Coverage wirft, gilt es, seine Passmechaniken weiter zu definieren. Denn kleinste Fehler in der Wurfbewegung oder im Lesen der Defense werden in der NFL bestraft, während Williams am College teilweise sogar mit einem starken Play davonkam.
Seit zwei Jahren gilt Caleb Williams als Nummer Eins. Daran hat sich nichts geändert.
2. Drake Maye - North Carolina
Drake Maye warf in seiner College-Karriere 63 Touchdowns in 30 Spielen. Obendrein erzielte er auch 16 Rushing Touchdowns. Ausgestattet mit einer exzellenten Athletik und einem robusten Körper, den er mit spritzigen und schnellen Bewegungen für sein Pocket Movement und für manches Run Play nutzt, beweist er eine besondere Qualität, die bei ihm nicht unter den Tisch fallen sollte.
Seine Genauigkeit auf allen Ebenen des Feldes ist oberste Klasse und er wirft neben einem harten Schwung mit purer Armkraft auch mit viel Ballgefühl, wenn es passender ist. Im Gegensatz zu anderen Quarterbacks nimmt er auch den Checkdown, wenn sich in der gebotenen Zeit keine tiefere Anspielstation findet.
3. J.J. McCarthy - Michigan
Nachdem J.J. McCarthy 2022 den Job als Starter für Michigan übernommen hat, steigerte er seine Completion Rate von Jahr Eins zu Jahr Zwei um 7,7 Prozentpunkte auf überragende 72,3 Prozent. Die scharfe Rotation, die er mittlerweile in jeden seiner Bälle legt, führt dazu, dass er überall auf dem Feld jedes noch so kleine Passfenster anspielen kann.
Dazu ist er sehr athletisch und explosiv in seinen schnellen Bewegungen. Damit versucht er nicht ausschließlich die Pocket zu verlassen, sondern navigiert auch durch sie hindurch, um stets zum Abwurf bereit zu sein. Physisch hat er bereits nachgelegt und seine Entwicklungskurve im Spielverständnis zeigt steil bergauf. Ein Vergleich zum jungen Kirk Cousins bietet sich an.

4. Jayden Daniels - LSU
Jayden Daniels startete fünf Jahre auf höchstem College-Level, zunächst an der Arizona State und später an der LSU, wo er vor allem mit seiner Athletik immer wieder punktete. Dabei verarbeitet er das Spiel als Passer konstant und sicher, wie man es von einem so erfahrenen Spieler schließlich auch erwartet. Auf der einen Seite ist er ein phänomenaler Deep Thrower, indem er bei Pässen über 20 Yards seine vertikalen Receiver in vollem Lauf trifft.
Dann wiederum lässt er trotz sauberer Mechaniken auf kurzen und mittleren Bereichen zu viele Plays liegen, weil er ungenau wirft. Verwirren können ihn auch komplexere Defenses. Dann neigt er zu falschen Entscheidungen, wenn sich das Bild nach dem Snap noch einmal verändert.
5. Bo Nix - Oregon
Bo Nix verfügt über die Athletik, um Spielzüge zu verlängern oder für Yards am Boden zu sorgen. Auch wenn ihm das Quick-Passing-Scheme der Oregon Ducks geholfen hat, ist eine Completion Rate von 77,4 Prozent außergewöhnlich hoch. Nun ist er bereits 24 Jahre alt und konnte nie beweisen, dass er sich in einem komplexeren System entwickeln kann und die nötige Übersicht dafür mitbringt.
Momentan ist er ein guter und sicherer Ballverteiler. Doch NFL-Quarterbacks müssen eine Offense selbst dirigieren können. Wer jedoch das Maximum unter einem Rookie-Vertrag aus ihm herausholen will, setzt auf eben dieses Quick Passing Scheme und seine Genauigkeit und schaut, wie weit er damit kommen kann. Vergleichbar ist er mit Jalen Hurts, bei dem es ja ganz gut ausging.
6. Michael Penix Jr. - Washington
Michael Penix Jr. hat einen ordentlichen Arm und spielt mit dem nötigen Selbstbewusstsein, um auch tiefe Würfe zu probieren. Hier würde man ihn glatt als aggressiv bezeichnen. Washington verlangte von ihm, das ganze Feld zu lesen und das hat er erfüllt. Hinter einer sehr starken Offensive Line erhielt er aber auch die nötige Zeit dafür. Denn Druck war Penix Jr. nur selten ausgesetzt. Doch wenn der Pass Rush ihm einmal auf den Leib rückte, traf er keine guten Entscheidungen und wirkte überhastet, obwohl man meinen möchte, er würde zumindest über die nötige Athletik verfügen.
Wer in Zukunft viel Play Action spielen will und sich nicht von seinen vielen Vor-Verletzungen abschrecken lässt, könnte es mit dem Heisman-Finalisten versuchen.
7. Jordan Travis - Florida State
Jordan Travis ist ein talentierter und mobiler Quarterback. Kreativ ist er in der Lage, Plays zu verlängern, wenn diese ihm nicht das Gewünschte bieten. Außerdem spielt er stets von einer sauberen Plattform und bringt auf kurzen und mittleren Ebenen alle Pässe an, die möglich sind.
Doch es gibt auch viele Fragezeichen. Da wäre zuerst seine schwere Knieverletzung, die noch ausheilen muss. Dann bespielt er meistens nur eine Hälfte der Abwehr und wird nicht mit komplexeren Reads betraut und obwohl seine Mechaniken bereits sauber ablaufen, ist er bei tiefen Pässen nicht gut genug. Weniger als jeden dritten Pass bringt er bei Versuchen über 20 Yards an. Da muss sich erstmal ein NFL-Team finden, dass eine Idee hat, wie sie ihn zukünftig einsetzen möchten.
8. Spencer Rattler - South Carolina
Nach seinem Wechsel von Oklahoma an die University of South Carolina musste sich Spencer Rattler erst an neuer Wirkungsstätte in einer neuen Offense zurechtfinden. In seinem zweiten Jahr ist ihm das endgültig gelungen, was sich auch statistisch niederschlägt. Er vervollständigte mehr Pässe und warf viel weniger Interceptions.
Der spritzige Quarterback macht sich zügig nach dem Snap auf, seine Füße richtig zu stellen und sich auf den Abwurf einzurichten. Das gelingt ihm auch, wenn er kreativ seine Spielzüge verlängert. Rattler ist einfach gut ausgebildet und sehr reif in seinen Mechaniken. Er wirft außerdem sehr genau und lässt sich von herannahendem Druck nicht aus der Ruhe bringen.
9. Joe Milton - Tennessee
Joe Milton kann jeden Bereich des Feldes angreifen und meistens sieht das bei ihm auch noch spielerisch leicht aus. Allerdings erledigt er den Job meistens mit purer Armkraft und lässt Ballgefühl oder Genauigkeit dort vermissen, wo es angebracht wäre. Zusätzlich kann er dafür mit seinen Beinen improvisieren, Spielzüge verlängern oder als Runner eingesetzt werden.
Insgesamt ist sein Ball Placement aber ausbaufähig, was nicht zuletzt über die Ausarbeitung seiner Passmechaniken sogar gelingen könnte. Vor allem seinem tiefen Ball ist einfach nicht zu trauen. Die Geschichte hat gezeigt, dass es mit einem Quarterback mit solch athletischen Fähigkeiten und seinem Körperbau in der NFL probiert wird.
10. Devin Leary - Kentucky
Nach einer schweren Verletzung am Brustmuskel wechselte Devin Leary nach einer bis dahin erfolgreichen Karriere vom NC State Wolfpack zu den Kentucky Wildcats. Dort knüpfte der erfahrene College-Quarterback an seine Leistungen in einem neuen Schema an, bis er erneut verletzungsbedingt ausfallen sollte. Er kassiert in der Pocket eindeutig zu viele unnötige Hits.
Ihn zeichnen eine sichere Spielverarbeitung und eine saubere und schnelle Wurfbewegung aus. Damit ist er prädestiniert für ein System mit viel RPO und Quick Passing Game. Für die Rolle als Top-Starter fehlt es ihm aber an besonderen Eigenschaften, weshalb er wahrscheinlich nie über die Aufgaben eines langfristigen NFL-Backups hinauskommen wird.
Philipp Forstner




































