Erst im August 2023 hatte Lisa Eder nach einer schweren Knieverletzung wieder mit dem Skispringen angefangen. Nun gehörte sie zum elitären Kreis jener 17 Athletinnen, die am ersten Weltcup-Skifliegen teilnehmen durften. Mit sport.de unternimmt die Österreicherin eine gedankliche Reise durch diese turbulente Zeit.
Eigentlich hätte schon die Saison 2022/2023 die der Lisa Eder werden sollen. Mit acht Top-Ten-Plätzen und ihrem ersten Podestplatz beim Heim-Weltcup in Hinzenbach war die Österreicherin so richtig ins Rampenlicht gesprungen.
Doch dann kam am 23. Juni 2022, also bereits zu Beginn der Vorbereitung auf die WM-Saison, die Hiobsbotschaft: Kreuzbandriss und Meniskusschaden im rechten Knie. Das sichere Saisonaus. Statt Pokal hieß es zunächst Spital für die talentierte Skispringerin, die für den SK Saalfelden springt.
Rückkehr über 60-Meter- und Normalschanzen
In der Zwischenzeit tat sich so einiges: Teamkollegin Eva Pinkelnig hatte überzeugend den Gesamtweltcup gewonnen und gemeinsam mit 14 anderen Mitstreiterinnen das erste offizielle Skifliegen absolviert.
Nach erfolgreicher Reha kehrte Eder im August 2023 auf die Schanze zurück. An ein Skifliegen war für die heute 22-Jährige zu diesem Zeitpunkt nicht zu denken, sagte sie im Gespräch mit sport.de: "Das war bei meinem Comeback so weit weg, da hätte ich einfach gesagt, dass ich keine Ahnung habe, ob ich dann dabei bin."
Über 60-Meter-Schanzen tastete sich an Normalschanzen heran, die die Hälfte des Weltcup-Kalenders ausmachen. Dort fühlt sich die gelernte Tischlerin mit ihren langen Beinen und großer Absprungkraft ohnehin wohl: Fünf ihrer sieben Top-Ten-Plätze in diesem Winter erzielte sie auf eben solchen Schanzen.
"Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass ich es schaffe"
Doch auch die Großschanzen, auf denen sie sich etwas schwerer tut, waren für die Qualifikation zum Skifliegen ein Kriterium. Stand man vor dem Wettkampf in Vikersund nicht unter den besten 15 im Gesamtweltcup, wäre eine Top-15-Platzierung in der Raw-Air-Wertung ein weiterer Weg gewesen, um in Vikersund mit dabei zu sein.
Eder pendelte stets zwischen Platz 12 und 18 in beiden Wertungen, entsprechend unsicher war sie sich auch: "Ehrlich gesagt, habe ich es auch letzte Woche noch nicht gewusst, weil ich mich die gesamte Raw-Air über schwergetan habe. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass ich es schaffe."
Die Qualifikation über den Gesamtweltcup verpasste sie um schmale 17 Punkte, doch auf den letzten Drücker hievte sie sich im letzten Wettkampf in Trondheim vor dem Skifliegen auf Rang 15 der Raw-Air-Wertung. Zweifel beseitigte diese Gewissheit jedoch nicht.
Skifliegen war "richtig cool"
Team- und Vereinskollegin Sara Marita Kramer, die im Weltcup sogar vor Eder lag und somit ebenfalls qualifiziert war, zog am Tag vor dem Skifliegen in Absprache mit dem Trainerteam zurück. "Auch ich habe mich gefragt, ob Skifliegen wirklich was für mich ist", gab sie zu. "Aber als ich dann am Freitag oben saß, habe ich das schnell abgeschüttelt und gewusst, dass es lässig wird."
Und sie sollte Recht behalten: "Es war richtig cool! Das ist wirklich etwas, was ich gerne jeden Tag machen würde", strahlte sie im Gespräch mit sport.de nach dem Wettkampf in Vikersund, den sie als Zwölfte beendete.
Ihr persönliches Highlight war aber nicht das Wertungsspringen als solches, sondern der Probedurchgang zuvor. In diesem stellte sie nämlich ihren neuen persönlichen Rekord von 198 Metern auf. Dabei hatte sie es gar nicht auf große Weiten per se abgesehen, wie sie eröffnete: "Ich habe mich gar nicht darauf fokussiert, wie weit es tatsächlich geht. Für mich war wichtig, dass ich die Punkte umsetze, die wichtig sind, damit mein Sprung funktioniert."
Nächstes Ziel: die 200 Meter!
Doch Lisa Eder wäre nicht eine der besten Skispringerinnen der Welt, wenn sie nicht auch die magische Marke von 200 Metern im Visier hätte, was sie auch unumwunden zugab: "Im Wettkampf bin ich nervös geworden, weil ich unbedingt nochmal genau so einen Sprung machen wollte. Und dann wäre es sich ja mit den 200 vielleicht ausgegangen."
Und auch ohne diesen Bonus-Erfolg sagt Lisa Eder selbstbewusst: "Dass ich jetzt nach all‘ dem auch noch 198 Meter fliege, fühlt sich richtig gut an. Da bin ich richtig stolz drauf."
Luis Holuch

