Am Montag beginnt der NFL Combine. Echte Action auf dem Feld des Lucas Oil Stadiums in Indianapolis findet sich im Ablauf zwar erst drei Tage später. Doch für die NFL-Teams, ihre General Manager und deren Scouting Departements passieren hinter den Kulissen bereits ab dem 26. Februar viele wichtige Dinge. In ihrer Funktion prüfen sie in den kommenden Tagen die wichtigsten Spieler zum Draft auf Herz und Nieren.
Insgesamt 321 Prospects hat die NFL zu ihrem offiziellen Combine eingeladen. Die meisten Spieler kommen natürlich vom amtierenden National Champion im College Football, den Michigan Wolverines. Neben den athletischen Tests werden die einzelnen Athleten auf dem Feld eine positionsbezogene Trainingseinheit abhalten. Abseits der Kameras absolvieren sie einen medizinischen Check und führen mit allen interessierten Teams Interviews.
NFL Combine: Athletische Tests
Das Hauptaugenmerk liegt in jedem Jahr auf dem 40-Yard Dash. Vor allem bei den Running Backs und Wide Receivern, sowie den Cornerbacks und Safeties warten die Fans auf den nächsten rekordverdächtigen Sprint über 40 Yards. Aktuell wird dieser von John Ross gehalten, der 2017 in 4,22 Sekunden die Seitenlinie des Spielfeldes herunterlief.
Während die Speedster gewiss die größte Aufmerksamkeit erhalten, geht es für die meisten Spieler darum, ihre bisherigen Werte zu bestätigen oder zu verbessern. Alle NFL-Teams haben Zugriff auf GPS-Daten und wissen daher ungefähr in welchem Bereich ein Talent laufen sollte. Wer also im Vorfeld gut trainiert hat, kann das über eine Steigerung bestätigen. Wer weniger Fleiß zeigte, wird sich dafür später etwas anhören müssen.
Interessant ist noch der so genannte 10-Yard-Split. Denn für einen Linemen auf beiden Seiten des Balls ist es unerheblich, ob er die 40 Yards in unter oder über 5 Sekunden läuft. Im Spiel kommt es auf die ersten Schritte an und die werden mit den gestoppten ersten zehn Yards beim 40 Yard Dash ermittelt.
Außerhalb der 40er-Zeit gibt es den Standweitsprung (Broad Jump) und den Hochsprung (Vertical Jump). Diese werden im TV während der Übertragung aber genauso selten gezeigt, wie der Pendellauf (Shuttle Drill) und der Three-Cone-Drill. Obwohl über diese Werte anschließend das athletische Profil erstellt wird.
Tight End Theo Johnson von der Penn State wird nicht annähernd an eine 4,22 herankommen. Doch könnte er sich als Athlet noch einmal von der Konkurrenz auf seiner Position absetzen. Ähnliches gilt für die noch etwas rohen Offensive Tackle Amarius Mims und Tyler Guyton. Je besser sie testen, desto höher kann ihr Entwicklungshorizont bemessen werden. Allein die Perspektive auf ein Ausnahmetalent hat schon viele Spieler im Draft weit nach vorn gespült.
NFL Combine: Der genaue Ablauf
Hier einmal der genau Ablauf zum NFL Combine vom 26. Februar bis zum 3. März:
- Donnerstag: Defensive Line, Linebacker ab 21 Uhr
- Freitag: Defensive Backs, Tight Ends ab 21 Uhr
- Samstag: Quarterbacks, Wide Receiver, Running Backs ab 19 Uhr
- Sonntag: Offensive Line ab 19 Uhr
NFL Combine: Position-Drills
Rund um die Tests absolvieren die Spieler eine positionsbezogene Trainingseinheit. Hierbei soll ein Stück weit geprüft werden, wie aufmerksam die Spieler sind und ob sie eine Übung, wie angesagt, umsetzen können und bereit sind, im Zweifel noch einmal nachzufragen. Wer hier in bildlicher Sprache die Hände in seinen Hosentaschen hält, wird sich später kritischen Fragen unterziehen müssen.
Gleichzeitig erhalten Spieler bei diesen Drills die Möglichkeit, sich auf andere Rollen in der NFL zu bewerben. So spielte Darius Robinson für Missouri überwiegend an einer Drei-Mann-Front und bis jetzt ist nicht klar, ob er in Zukunft eher außen oder innen in der Defensive Line aufgestellt werden sollte. Für Spieler wie ihn sind die Position-Drills daher eine letzte Gelegenheit, das eigene Profil zu schärfen.
NFL Combine: Medizinischer Check
Vor allen anderen Tests werden die Spieler gemessen, gewogen und einer medizinischen Untersuchung unterzogen. Hier geht es zu wie bei der Musterung zur Bundeswehr. Alle Daten werden akribisch festgehalten und die NFL-Teams müssen einige Wochen auf die Ergebnisse warten, die selbstverständlich nicht der Öffentlichkeit zugestellt werden.
Manches kommt im Vorfeld zum NFL Draft ans Licht. Doch können sich Außenstehende ziemlich sicher sein, dass wenn bei der Auswahl Ende April ein Spieler weitaus später gedraftet wird als die meisten es erwartet hatten, die Ursache dafür sehr häufig in einem medizinischen Befund liegt, der den Entscheidungsträgern der Franchises nicht gefallen hat.
Heisman-Finalist Michael Penix Jr. erlitt in seiner College-Karriere zwei Kreuzbandrisse und verletzte sich schwer an der Schulter seines Wurfarms. Ärzte werden sich beim medizinischen Check genau anschauen, wie belastbar oder anfällig der Körper des Quarterbacks von der University of Washington ist. Die Ergebnisse werden einen großen Einfluss auf seine Draft-Bewertung insgesamt nehmen.
NFL Combine: Interviews
Das Wichtigste am ganzen Combine findet ebenfalls hinter verschlossenen Türen statt. In den Interviews, die praktisch einem intensiven Bewerbungsgespräch gleichen, werden kognitive Fähigkeiten und das Spielverständnis genauso auf den Prüfstand gestellt, wie das Sozialverhalten und die mentale Belastbarkeit. Außerdem wird gewiss nachgebohrt, sollte ein Spieler bei den Position-Drills oder athletischen Tests keinen sonderlich guten Eindruck hinterlassen haben.
Den General Managern ist klar, dass sie einen Menschen in diesen jeweils 15 Minuten nur bedingt kennenlernen. Doch probieren sie, mit bestimmten Fragetechniken die Spieler aus der Reserve zu locken. Das geht mittlerweile so weit, dass die Talente im Vorfeld von Psychologen auf die Gespräche vorbereitet werden.
Deshalb dürften die besten Quarterbacks auch allesamt gut vorbereitet in ihre “Therapie-Sitzung” gehen. Trotzdem unterziehen Offensiv-Coaches ihre Spielintelligenz einem Test. Caleb Williams, Drake Maye und Jayden Daniels werden Spielzüge vorgestellt und defensive Aufstellungen, bei denen sie bestmögliche Passrouten und Anpassungen ermitteln sollen.
Deshalb ist auch nicht zu erwarten, dass einer der frühen Draftpicks bereits in Stein gemeißelt wurde. Im Gegenteil werden die wichtigsten Entscheider der jeweiligen Teams erst nach dem Combine mit ihren Scouts ein Ranking (Big Board) erstellen und sich auf einen oder mehrere Wunschspieler festlegen. Gerade aus diesem Grund ist der NFL Combine eine der wichtigsten Hürden auf dem Weg zum NFL Draft.
Philipp Forstner