Die Free Agency in der NFL steht vor der Tür. Dann werden Spieler und Teams wieder an den Verhandlungstisch treten und sich auf neue, hochdotierte Verträge einigen. Doch wie funktionieren diese Verträge und vor allem: Was sind sie am Ende wirklich wert? sport.de erklärt, auf was man bei einem NFL-Vertrag achten muss, um ihn richtig zu verstehen.
Wenn die Free Agency startet, wird man in den Medien wieder von teils abenteuerlich hohen Summen bombardiert werden, wenn es darum geht, Free-Agent-Deals in der NFL zu verkünden. Summen, die mitunter nicht mal im Ansatz der Realität entsprechen. Gleiches gilt zum Teil auch für Vertragsverlängerungen. Der Grund für die meist unrealistischen ersten Zahlen, die kursieren, ist recht trivial: Agenten leaken Zahlen an die Reporter ihres Vertrauens und diese vermelden sie so schnell wie möglich hauptsächlich auf Social Media.
Diese Zahlen sind dann nicht grundsätzlich falsch, sie verfälschen jedoch den tatsächlichen Wert von NFL-Verträgen, weil sie in erster Instanz meist wichtige Details auslassen, die erst im Nachgang bekannt werden, wenn Verträge offiziell und damit auch Details bekannt werden.
NFL Free Agency: So funktionieren Verträge
Bei NFL-Verträgen gibt es immer mehrere Komponenten, die zum Gesamtkonstrukt gehören:
- Das Grundgehalt
- Der Signing Bonus
- Garantiertes Gehalt
- Etwaige Roster-Boni
- Incentives (Zum Beispiel leistungsbezogene Boni, Awards, etc.)
Wichtig ist hier zunächst mal der übliche Hinweis, dass Verträge in der NFL nahezu nie vollständig garantiert sind. Insofern sollte man nie zu viel auf die Gesamtsumme geben, die in erster Instanz publik wird. Solche Verträge enthalten meist einen gewissen Teil, der unter bestimmten Umständen garantiert ist sowie einen Teil, der sofort garantiert ist.
Ein anschauliches Beispiel für die Komplexität eines NFL-Vertrags der jüngeren Vergangenheit ist der Deal, den Quarterback Daniel Jones 2023 bei den New York Giants erhalten hat. Auf dem Papier standen da 160 Millionen Dollar über vier Jahre. Eine stolze Summe. In Wahrheit waren davon aber nur 82 Millionen Dollar bei Unterschrift garantiert.
Im Detail sah das so aus: Jones erhielt einen Signing Bonus in Höhe von 36 Millionen Dollar, zudem wurden ihm seine Jahresgehälter 2023 (9,5 Mio.) und 2024 (35,5 Mio.) sowie Workout-Boni für die beiden Jahre in Höhe von je 500.000 Dollar garantiert. Macht unterm Strich 82 Millionen Dollar in den ersten beiden Jahren.
Was folgte, ist der Schall-und-Rauch-Part eines herkömmlichen NFL-Deals. Denn vor seiner Entlassung im vergangenen Herbst waren ihm anschließend noch 23 Millionen Dollar seines 2025er Gehalts (30 Mio.) im Fall einer schweren Verletzung garantiert. Da er gesund blieb, wären dagegen erst am fünften Tag des Liga-Jahres 2025 (Mitte März) elf Millionen Dollar seines Jahresgehalts 2025 garantiert gewesen. Da er aber (weit) vor diesem Stichtag entlassen wurde, sieht er gar nichts vom Rest dieses Vertrags.
Denn ebenfalls nicht garantiert war sein Gehalt für 2026 (46 Millionen Dollar), er hätte jedoch einen Roster Bonus in Höhe von 500.000 Dollar erhalten, wenn er am fünften Tag des Liga-Jahres 2026 noch im Kader gestanden wäre. Von eigentlich 160 Millionen sah Jones also am Ende wirklich nur 82 Millionen Dollar für diesen Vierjahresvertrag, der eigentlich ein Zweijahres-Vertrag mit einer Quasi-Option für ein bis zwei weitere Jahre war.
NFL Free Agency: Darum sind Verträge nicht garantiert
An diesem Punkt könnte man sich als geneigter Leser nun fragen, warum Verträge in der NFL so sind, wie sie sind. In erster Linie deshalb, weil es Teambesitzer so wollen. Sie wissen, dass Football ein extrem gefährlicher Sport ist und sich Spieler eben verletzen oder ihre Leistungen nach vielen Blessuren im Laufe der Zeit einfach abbauen können. Um sich davor zu schützen, sträuben sie sich nach Kräften dagegen, Verträge voll zu garantieren. Und sie haben auch einen ganz offiziellen Vorwand, dies nicht zu ändern: Die sogenannte "Funding Rule".
In grauer Vorzeit führte die NFL die Regel ein, dass jegliche zukünftige Garantien, die in NFL-Verträgen stehen, auch tatsächlich ab dem Tag der Unterschrift vorliegen müssen. Dazu wird das entsprechende Geld in ein Treuhandkonto eingezahlt und verbleibt dort, bis es zur Auszahlung kommt. Steht also in einem Vertrag, dass ein Spieler in zwei Jahren einen garantierten Roster Bonus in Höhe von 30 Millionen Dollar erhält, muss ein Team diese Summe heute schon hinterlegen. Gleiches gilt bei garantiertem Gehalt.
Da diese Regel immer noch besteht, geben Teambesitzer gerne Cash-Flow-Limitierungen an, um sich vor zu hohen zukünftigen Garantien zu schützen. Dass die Regel in der heutigen Zeit, in der die NFL und jedes ihrer Teams eine Cashcow ist, unsinnig ist, sollte klar sein. Doch sie ist eben eine gute Entschuldigung, von der sich die Owner nicht trennen wollen.
NFL Free Agency: Verträge und die Salary Cap
Ein weiterer Grund, warum Verträge so strukturiert sind, ist die Salary Cap und die Art und Weise, wie sie berechnet wird. Bei NFL-Verträgen unterscheidet sich besonders in frühen Jahren eines Vertrags meist das tatsächliche Gehalt und die Cap Number eines jeden Spielers gravierend. Das beste Beispiel hierfür ist Quarterback Lamar Jackson von den Baltimore Ravens.
Jackson unterschrieb 2023 einen Fünfjahresvertrag über 260 Millionen Dollar. Sein Cap Hit (die Summe, die gegen die Salary Cap für einen jeden Spieler zählt) für 2023 betrug dabei nur 22,15 Millionen Dollar. Tatsächlich verdiente Jackson jedoch 80 Millionen Dollar!
Wie das geht? Der Vertrag ist so aufgebaut, dass Jackson 2023 nur ein Grundgehalt in Höhe von 7,5 Millionen Dollar kassiert hat. Zudem erhielt er einen Signing Bonus in Höhe von 72,5 Millionen Dollar. Und jener Signing Bonus wird in der Cap-Berechnung nicht auf nur ein Jahr angerechnet, obgleich er komplett ausgezahlt wurde. Vielmehr wird ein Signing Bonus für die Cap-Berechnung auf maximal fünf Jahre zu gleichen Teilen verrechnet.
Somit ergibt sich aus dem Grundgehalt (7,5 Mio.) sowie einem Fünftel des Signing Bonus (14,65 Mio.) die Cap Number in Höhe von 22,15 Millionen Dollar.
In den folgenden Jahren seines Vertrags kommen dann noch teils garantierte Roster- und Option-Boni ins Spiel, die dann noch auf die jeweiligen Grundgehälter, die sukzessive ansteigen werden, draufgerechnet werden - teils sogar in der Form eines Signing Bonus, um die Summen erneut auf weitere Jahre aufteilen zu können. Für diesen Zweck enthält der Deal in den Jahren 2028 und 2029 zwei Void-Jahre, die sich automatisch nach Ende der Saison 2027 auflösen werden.
NFL Free Agency: Verträge im Wandel
Ein weiterer wichtiger Aspekt eines jeden Vertrags, speziell wenn es um hochbezahlte Quarterbacks geht, ist die Tatsache, dass solche Deals in der Regel nicht dafür designt sind, dass sie bis zum Ende laufen. Spätestens ab Jahr drei oder vier wären Cap Hits aufgrund steigender Grundgehälter so hoch, dass man sie zwangsläufig anpassen muss. Bei Jackson etwa steigt die Cap Number 2026 auf 75,65 Millionen Dollar an (Grundgehalt: 51,25 Mio.), sodass man spätestens dann aktiv werden muss.
Der klassische Weg in einem solchen Fall ist es dann, den Vertrag umzustrukturieren. Dafür wird in der Regel ein Großteil des Jahresgehalts für die anstehende Saison in einen erneuten Signing Bonus verwandelt. In Jacksons Fall könnten das rund 50 Millionen Dollar sein, die er dann sofort - oder zu einem vereinbarten späteren Zeitpunkt - bekäme, wodurch die Cap Number für 2026 enorm sinken würde, weil man diese Summe dann erneut auf die folgenden Jahre verteilen würde. Zudem könnte man noch ein weiteres Void-Jahr an den Deal packen, um dann erneut volle fünf Jahre zu haben.

NFL Free Agency: Was passiert bei Entlassungen?
NFL-Verträge sind also nicht nur nicht garantiert und bestehen aus zahlreichen Elementen, sie sind auch permanent im Fluss. Wenn man sie darüber hinaus vorzeitig kündigt, hat das oft zur Folge, dass man als Team eine Art Vertragsstrafe in Form von sogenanntem Dead Money kassiert. Dead Money ist in diesem Fall ein negativer Cap Hit, der bleibt, wenn ein Vertrag (vorzeitig) endet. Das Dead Money setzt sich aus der Summe der noch verbliebenen Cap-Anteile vom Signing Bonus sowie noch ausstehender Garantien zusammen.
Hierfür schauen wir auf den voll garantierten Vertrag von Quarterback Deshaun Watson bei den Cleveland Browns. Er unterschrieb zur Saison 2022 für fünf Jahre und 230 Millionen Dollar. In erster Instanz hatte dieser Deal einen Signing Bonus in Höhe von 44,965 Millionen Dollar, der sein Gehalt im ersten Jahr auf 1,035 Millionen drückte, um möglichst viel des echten Geldes vor seiner Elf-Spiele-Sperre ohne Bezahlung zu schützen - NFL-Verträge werden pro Spielwoche ausgezahlt und wenn jemand suspendiert wird, fällt in der Regel ein Scheck pro Spiel weg, was bei einem Gehalt von 46 Millionen Dollar heftig gewesen wäre.
Ansonsten war der Deal recht trivial gefasst und enthielt weitere Jahresgehälter von exakt 46 Millionen Dollar in den Jahren zwei bis fünf. Um den Cap Hit 2023 erneut zu senken, wurde hier ein Restructure gemacht, sodass er dieses Mal einen Signing Bonus von 44,92 Millionen erhielt (Grundgehalt dann: 1,08 Mio.). Das führte jedoch dazu, dass seine Cap Hits für die kommenden drei Jahre zusammen mit dem ursprünglichen Signing Bonus auf dann jeweils fast 64 Millionen Dollar angestiegen sind.
Ein erneuter Restructure war die Folge. Das Resultat daraus ist, dass Watsons Cap Hit für 2025 und 2026 nun bei je 72,935 Millionen Dollar liegt. Würden die Browns Watson nun aber entlassen wollen, wäre dies fast unmöglich, denn dadurch, dass sein kompletter Vertrag garantiert ist und die nach hinten geschobenen Cap-Belastungen durch die mehreren Signing-Boni auch noch reinschlagen würden, müsste das Team im Fall einer Entlassung Dead Money in Höhe von 172,7 Millionen Dollar schlucken.
Ein Ausweg wäre da schon eher ein Trade, denn bei einem solchen müssten die Browns als abgebendes Team nur die aufgeschobenen Summen des Signing Bonus als Dead Money aufnehmen. Das wären Stand jetzt knapp 80,7 Millionen Dollar für 2025. Das neue Team würde derweil den Vertrag und die damit ausstehenden garantierten Gehälter übernehmen. Das wird niemand tun, aber so funktionieren NFL-Verträge.