Der Jubel in Detroit kannte keine Grenzen. Zum ersten Mal seit 32 Jahren konnten sich die Fans in Motor City über einen Playoff-Sieg freuen. Damit beendet eines der ältesten NFL-Teams eine selten dagewesene Tristesse.
Sport.de blickt auf den langen und schmerzhaften Leidensweg der Detroit Lions, der von einer Serie an Playoff-Enttäuschungen, bis hin zum unrühmlichen Absturz zu einer sieglosen Saison und einer mehrfachen Wiederauferstehung alles zu bieten hatte.
NFL: Pleiten-Serie nach verlorenem NFC Championship Game
Der Ursprung der Jahrzehnte langen Leidenszeit findet sich im NFC Championship 1991. Die Detroit Lions hatten die Regular Season mit einer Bilanz von 12-4 erfolgreich abgeschlossen und in der Divisional Round der Playoffs die Dallas Cowboys mit 38:6 aus dem Stadion geschossen.
Die Euphorie war groß, zumal die Lions in der Super-Bowl-Ära schon damals eine lange Leidenszeit ohne einzigen Playoff-Sieg zu verbuchen hatten.
Doch diese Euphorie wurde schmerzhaft gebremst von den Washington, das das NFC Championship Game mit 41:10 für sich entschied und den Lions eine nachhaltige Niederlage zufügten.
In der Folgesaison beispielsweise schien man noch an der bitteren Pleite zu knabbern und schloss die Spielzeit mit 5-11 ab.
Schnell berappelte man sich jedoch wieder. Angeführt von Running Back Barry Sanders folgten fünf Playoff-Teilnahmen in den nächsten sieben Saisons.
Das Problem: Es gelang kein einziges Mal ein Sieg, über die Wild Card Round kamen die Lions nicht einziges Mal hinaus.
1993 standen die Packers im Weg (24:28), 1994 war ebenfalls Green Bay der Endgegner in der Wild Card Round (12:16). Es folgten Pleiten gegen die Eagles (1995, 37:58), die Bucs (10:20, 1997) und Washington (13:27, 1999).
Detroit Lions: Der Rekord-Absturz im neuen Jahrtausend
So bitter diese Vielzahl an Playoff-Niederlagen war. Die Lions-Fans dürften sich nach dieser Zeit zurückgesehnt haben. Mit dem neuen Jahrtausend begann nämlich der Absturz in die Bedeutungslosigkeit der NFL, in der man später sogar zur Lachnummer wurde.
In der Saison 2000 wies man mit 9-7 immerhin noch eine positive Bilanz auf, danach folgte jedoch der Absturz. In den nächsten drei Saisons gewann man in Summe lediglich zehn der 48 Spiele.
Und während man inmitten des neuen Jahrzehntes zunächst immerhin wieder im Mittelfeld der Liga zu finden war, erlebte man 2008 den absoluten Tiefpunkt.
Das Team von Head Coach Rod Marinelli verlor jedes einzelne der 16 Spiele. Damit waren die Lions natürlich das Gespött der Liga. Noch nie hatte ein Non-Expansion-Team alle Spiele in einer Saison verloren. Noch nie hatte ein Team 16 Spiele in einer Saison als Verlierer bestritten.
Insgesamt blieb die angesprochene 2000er-Saison die einzige Saison mit einer positiven Bilanz in diesem Jahrzehnt.
NFL: Die Ära des Matthew Stafford
Als Reaktion auf die sieglose Saison nutzten die Detroit Lions ihren First Overall Pick dafür, einen gewissen Matthew Stafford zu draften. Der Quarterback sollte sich zwar nicht als kompletter Heilsbringer, aber dennoch als Glücksgriff herausstellen.
Zwar hatte Stafford zu Beginn seiner Karriere mit Verletzungen zu kämpfen, doch spätestens mit der Saison 2011 ging der Stern des Spielmachers auf. Er führte die Lions erstmals seit 1999 wieder in die Playoffs. Dort war allerdings gegen die New Orleans Saints (28:45) Schluss. Stafford wurde nach seiner Verletzungs-Rückkehr jedoch zum "Comeback Player of the Year" gewählt.
Auch wenn der mannschaftliche Erfolg im folgenden Jahr ausblieb, trug Stafford seinen Teil dazu bei, die Lions in die Geschichtsbücher der NFL einzutragen. Er verhalf Wide Receiver Calvin "Megatron" Johnson zu seiner historischen 1.964-Receiving-Yards-Saison. Ein Rekord, der bis heute Bestand hat.
Stafford blieb insgesamt zwölf Jahre bei den Lions und brachte das Team noch zwei weitere Male in die Playoffs. Doch der Postseason-Fluch in Motor City hatte weiter Bestand.
2014 scheiterte man knapp an den Dallas Cowboys (20:24), zwei Jahre später war vorzeitig gegen die Seattle Seahawks (6:26) Schluss.
Detroit Lions: Die endgültige Auferstehung
2021 trennte man sich von Matthew Stafford, der mit einem Jahr Restvertrag zu den Los Angeles Rams wechselte. Für den jahrelangen Quarterback erhielt Detroit neben hohen Draft-Picks auch Quarterback Jared Goff, den die L.A. Rams unbedingt loswerden wollten.
Neben einem neuen Quarterback gab es auch einen neuen Head Coach in Detroit: Dan Campbell.
Der neue Übungsleiter übernahm einen Scherbenhaufen von Team und brachte es in einem langen und steinigen Weg wieder auf Kurs. Doch zunächst hatten die Lions wieder einige Rückschläge zu verkraften. So blieben die Lions zu Beginn der Campbell-Amtszeit elf Spiele sieglos. Erst in Woche 13 bejubelten Goff und Campbell ihren ersten gemeinsamen Sieg.
Doch auch in der Folge ging es nicht ausschließlich bergauf. Zwar konnte man in der angesprochenen Spielzeit zwei weitere Siege einfahren, doch 2022 startete man erneut mit sieben Niederlagen aus den ersten acht Spielen.
Alles schien in die falsche Richtung zu laufen.
Doch Dan Campbell hatte seine Mannschaft schon vor der Saison in einer emotionalen Rede gebeten, ihm und seinem Plan zu vertrauen. Und offenbar erreichte er seine Spieler mit dieser Forderung.
Denn urplötzlich schien es "Klick" zu machen. Die Lions gewannen plötzlich und schlossen die Saison schlussendlich mit der ersten positiven Bilanz seit 2017 ab.
Der Anfang war gemacht! Und die Lions gingen ihren Weg weiter. Sie holten im Draft mit Sam LaPorta und Jahmyr Gibbs gleich zwei Super-Rookies. Die beiden belebten die Offensive, in der sich Amon-Ra St. Brown in seinem dritten NFL-Jahr endgültig zu einem Top-Receiver der NFL aufgeschwungen hatte, noch weiter.
Was folgte war die erste Playoff-Teilnahme seit 2016. Die Hoffnungen waren groß, irgendetwas war anders.
Doch natürlich gab es gleichermaßen Zweifel. Würde dieses Team nun endlich die Durststrecke beenden? Sollte die 32 Jahre dauernde Leidenszeit enden? Die Antwort war ja!
Auf den Rängen sah man beim 24:23-Erfolg viele Fans mit Tränen in den Augen, man blickte in viele glückliche Gesichter. Hätte beispielsweise der 89-jährige Fan Benjamin Capp, immerhin Dauerkartenbesitzer seit 66 (!) Jahren, gedacht, dass er nochmal einen Playoff-Sieg seiner Lions sieht?
Vermutlich nicht. Doch die Lions sind nach ihrem langen Leidensweg wieder auferstanden und noch lange nicht am Ende.
Marcel Schmidt
