Mehr als 250 Rookies kommen jedes Jahr in die NFL, manche mit Hype und hohen Erwartungen, andere eher unter dem Radar. Die Narrative rund um die neuen Talente können sich jedoch schon nach wenigen Wochen verändern. NFL-Experte Adrian Franke hält euch auf dem Laufenden: Für sport.de kürt er regelmäßig seinen Rookie des Monats und erklärt, welchen Youngster man besonders im Auge haben sollte.
Auf kaum einer Position haben Rookies in der NFL so selten direkt Erfolg, wie auf der Position des Tight Ends. Die mentale Hürde ist für Quarterbacks mit Sicherheit die größte, Offensive wie Defensive Tackles brauchen häufig ein bis zwei Jahre, um sich zu entwickeln. Tight Ends aber haben nicht selten in vielfacher Hinsicht erst einmal am Sprung in die NFL zu knabbern.
Denn bei Tight Ends muss man bedenken, dass sie gewissermaßen ein doppeltes Skillset erlernen müssen: Es ist etwas völlig anderes, als Tight End In-Line in der NFL zu blocken, verglichen mit den Gegenspielern, die die meisten Tight Ends in dieser Rolle im Schnitt im College bekommen. Tight Ends, die im College funktionale Blocker waren, brauchen häufig ein Jahr, um sich an die Physis, Power und Explosivität der Gegenspieler anzupassen, die sie plötzlich in der NFL vor sich haben. Manchmal braucht es dabei auch das zusätzliche Jahr in einem NFL-Kraftraum.
Gleichzeitig gibt es wenige Tight Ends, die eine tragende Rolle im Passing Game ihrer College-Offense hatten. Auch das inklusive Route-Running, Release-Verhalten und Catch-Point-Verhalten gegen NFL-Verteidiger will gelernt sein. Trey McBride hatte eine solche Rolle bei Colorado State, McBride hat gerade in seiner zweiten Saison in Arizona sein Breakout-Jahr. Kyle Pitts hatte das bei Florida, Pitts galt als ein historisches Talent auf der Position und war ein Top-5-Draft-Pick. Als Rookie gelang ihm prompt eine 1.000-Yard-Saison, daran konnte er allerdings weder in seiner von Verletzungen geplagten zweiten, noch in seiner dritten Saison anknüpfen.
NFL: LaPorta auf dem College der einzige Lichtblick
Sam LaPorta war in seinen letzten beiden College-Saisons in einer bisweilen desolaten Iowa-Offense der einzige Lichtblick. Jeweils über 650 Receiving Yards hatte er 2021 und 2022, mit der großen Frage: Inwieweit lässt sich das auf die NFL übertragen? Für einen Pick in Runde 1 reichte es nicht - die Lions wählten ihn an Position 34 in der zweiten Runde aus, als zweiten Tight End des Drafts.
Seitdem hat LaPorta die Liga erobert. Nur vier Tight Ends ligaweit haben bis dato mehr Targets als er erhalten, mit neun Touchdowns führt er alle Tight Ends dieses Jahr an. In puncto Yards pro gelaufener Route sind lediglich fünf andere Tight Ends vor ihm. Das wären also für einen Tight End generell gute Zahlen; für einen Rookie ist es bemerkenswert.
Das gilt umso mehr, da LaPorta knapp 46 Prozent seiner Pass-Snaps bei den Lions In-Line spielt. Mehr als Kelce, mehr als Andrews, mehr als Waller, Goedert, McBride oder auch Cole Kmet. Und er ist ein echter 3-Down-Spieler: Seine 441 Blocking-Snaps sind mit Abstand Platz 1 unter allen Tight Ends in dieser Saison. LaPorta verbringt prozentual mehr seiner Snaps mit Blocking (46 Prozent) als George Kittle (45,6 Prozent).
All das soll in erster Linie folgenden Punkt unterstreichen: Wenn in der Vergangenheit Tight Ends bereits als Rookies in der NFL Erfolg hatten, dann waren es häufig Receiving-Spezialisten. Pitts, Evan Engram, diese Art Tight End, deren Skillset sich aus dem College leichter auf die NFL übertragen lässt. Sie sind, gerade zum Start ihrer Karriere, häufig mehr "große Receiver" als echte Tight Ends.
Kein Tight hat mehr Touchdowns in der NFL seit Woche 13
LaPorta erfüllt diese Facette auch, während er gleichzeitig In-Line spielt und als Blocker Bestandteil der Lions-Rushing-Offense ist. Diese Kombination macht ihn so besonders und das war auch im Schlussspurt dieser Regular Season zu beobachten. Seit Woche 13 hat kein Tight End mehr Touchdowns auf dem Konto als LaPorta (4), der in dem Zeitraum zudem auf Platz 4 in Receiving Yards liegt und die zweitmeisten Contested Catches (4, bei fünf Contested Targets) sicherte.
Es ist eine eindrucksvolle Rookie-Saison, und umso mehr fällt das auf, weil LaPorta so hervorragend in die Offense und zu Quarterback Jared Goff passt. Wenige Offenses in der NFL priorisieren so extrem In-Breaking-Routes im Bereich von etwa acht bis 15 Yards Downfield, wie das Ben Johnson und die Lions machen.
All das ist eng mit dem Play-Action-Passspiel und dem vielseitigen Run Game kombiniert, und in Jared Goff haben die Lions einen Quarterback, dessen absolute Spezialität Raketen über die Mitte des Feldes bei In-Breakern sind.
Hier glänzt LaPorta. Im Bereich zwischen der Line of Scrimmage und 19 Yards Tiefe zwischen den Field Numbers, also der mittlere Bereich des Feldes, hat LaPorta dieses Jahr 64 Targets gesehen, 49 Bälle für 486 Yards und vier Touchdowns gefangen. Das sind jeweils mehr als die Hälfte seiner Targets, Catches und Yards insgesamt in dieser Saison. Hier punktet er als Receiver.
Vergleiche mit Star der New York Giants
Und diese Art Tight End kann ein Mittelpunkt einer gesamten Offense, nicht nur der Passing Offense, sein. Ein Tight End, der als Run-Blocker zumindest funktional ist, der In-Line spielen, als Receiver aber Matchups schlagen, Contested Catches gewinnen und die Mitte des Feldes attackieren kann. LaPorta zeigt das schon die ganze Saison über und hat es in der Schlussphase dieser Regular Season nochmals untermauert.
Im Gespräch mit der "Detroit News" wählte Lions-Coach Dan Campbell jüngst einen großen Vergleich: Den zweifachen Super-Bowl-Champion Jeremy Shockey, der mit den Giants und den Saints einen Super Bowl gewann, und der als Rookie nach New York kam, als Campbell selbst dort noch als Tight End aktiv war. Shockey spielte 2002 eine spektakuläre Rookie-Saison (74 Catches, 894 Yards, 2 TD), welche ihm den Award für den Rookie des Jahres einbrachte, genau wie eine Pro-Bowl-Nominierung und einen Platz als First-Team-All-Pro.
LaPorta sei "ruhiger, mehr zurückgezogen, aber wenn es an der Zeit ist, aufs Feld zu gehen, gibt er Vollgas. Sie haben dieses Feuer, das ist sehr ähnlich. Ich würde sagen, dass Sam sich dahingehend nach außen hin mehr zurückhält, Jeremy hat seine Emotionen deutlich nach außen getragen. Aber wenn man diesen beiden einen Gegenspieler vor die Nase setzt, egal, ob im Training am Ende des Jahres oder in einem kritischen Spiel, werden sie alles geben und sich weigern, zu verlieren. LaPorta hat das. Und ich sage euch, das ist eine seltene Qualität, selbst in dieser Liga."
LaPorta hat bereits diverse Franchise-Tight-End-Rekorde gebrochen. Touchdowns, Yards - nicht für Rookie-Tight-Ends, sondern für Tight Ends in der Lions-Historie generell schreibt LaPorta gerade die Geschichtsbücher neu. Sein Impact geht dabei über die reinen Boxscore-Stats hinaus; LaPorta kann noch auf Jahre hin ein elementarer Bestandteil der Offense in Detroit sein.
Adrian Franke