Skispringer Martin Hamann hat im norwegischen Lillehammer sein Potenzial nicht komplett ausschöpfen können, berichtet der 26-Jährige im Nachgang in seiner Kolumne exklusiv für sport.de.
Die Reisen sind wohl die größten Zeitfresser und Strapazen im Leben eines Skispringers. Über die Jahre trainiert man dies genauso wie Kniebeugen und Hürdensprünge. Wenn in Deutschland dann noch der Winter einbricht, wird es besonders interessant: dann hat man das Handeln nicht mehr alleine in der Hand.
Die am Donnerstag nach Lillehammer entpuppt sich als eine solche Herausforderung. Gut drei Stunden sitzen wir im Flugzeug und nichts passiert, weil alle Abläufe aufgrund des Schneefalls durcheinander gekommen sind.
Geplant ist die Ankunft im Hotel um 20 Uhr, am Ende wird es 23:30 Uhr. Mit "Anzüge streicheln", Yoga und weihnachtlichen Räucherkerzen sowie der Vorfreude auf ein kulinarisches Highlight am Morgen in Lillehammer, sind die letzten Gedanken vor dem ins Bett gehen beschäftigt.
Endlich Quali-Tag und damit auch der 1. Dezember, das heißt, ich darf das erste Säckchen vom selbst gemachten Adventskalender meiner Freundin aufmachen: Espresso Marzipan. Zum Frühstück gibt es dann den bekannten selbst gehobelten "Gudbrandsdalost" - ein Karamell-Ziegenkäse, der in Norwegen jedes mal wieder ein Highlight auf Knäckebrot oder Waffeln mit Marmelade ist.
Dieses Wochenende kommt hinzu, dass die komplette Weltelite der Damen und Herren der skispringenden Zunft vertreten ist. Hier merkt man einfach, was für eine große Familie jedes Wochenende aufs Neue zusammenkommt und welch ein Privileg wir Spitzensportler genießen.
Daraus ergibt sich dann auch, dass ein riesiges Hotel von Sportlern und allem was dazu gehört ausgebucht ist und außergewöhnliche Dinge möglich sind: wie in einem Kinosaal die Wettkampfvorbereitung in Form von Fußballtennis und Imitationen zu absolvieren. Klar musste man mit etwas mehr Gefühl spielen, aber genau darum geht es: Herausforderungen anzunehmen und zu meistern!
Neben der Schanze gibt es nur Positives zu berichten. Auf der Schanze hingegen hat wohl der Wintereinbruch und die Verspätung dazu geführt, dass sich mein Timing, mein Fokus etwas verschiebt und die Ansprüche aufgrund der Vorleistungen zu schnell in die Höhe geschossen sind. Auf der Normalschanze bin ich sehr behäbig ins Training gestartet und hab dann einen soliden Sicherheitssprung in der Quali mit Platz 22 absolviert. Also alles soweit ok, wie auch im Einzel am Samstag: Platz 26, nichts Besonderes.
Ich weiß, es steckt mehr in mir und ich hab das drauf. Der Koffer ist gepackt, ich bereit für die "Große" in Lillehammer - endlich meine Stärke ausspielen. Training und Quali in Ordnung, mit Reserven, zwei Top-30-Platzierungen. Der Wettkampf aber leider klappt nicht, ich mit Rückenwind Richtung Landung - kein zweiter Durchgang.
So schön wie die Reisen sind, das Hinkommen und Wieder-Heimkommen, wie auch solche Ergebnisse, machen das Ganze zur Anstrengung - und legen einen leichten Nebel vor die toll schimmernden Polarlichter Skandinaviens. Dann fühlen sich die -14 Grad Celsius auch noch an wie -25: das eigene Gefühl spielt einem Streiche, weil die Gedanken mit gefrorenem Nebel überzogen sind.
Wie das Schicksal es wollte: Der Wintereinbruch in Deutschland hinterlässt seine Spuren und unser Heimflug am Montag um 11:25 Uhr ist annulliert. Wir fliegen dann schließlich um 17 Uhr und nach zweimaligem Einchecken von OSL nach MUC.
Zum Abschluss kann ich sagen, dass ich dankbar bin, diese Erlebnisse zu sammeln und das damit verbundene Leben zu führen. In der besinnlichen Weihnachtszeit werde ich auf meine Stärken vertrauen. Zuhause, in Klingenthal.
Wie einst beim Polarexpress von Tom Hanks - GLAUBE lässt das Glöckchen erklingen!
Norwegische Grüße
Martin Hamann



