Mehr als 250 Rookies kommen jedes Jahr in die NFL, manche mit viel Hype und hohen Erwartungen, andere eher unter dem Radar und mit nicht mehr als einer Backup-Rolle zum Start. Die Narrative rund um die neuen Talente können sich jedoch schon nach wenigen Wochen verändern. NFL-Experte Adrian Franke hält euch auf dem Laufenden: Ein Mal pro Monat kürt er für sport.de seinen Rookie des Monats und erklärt, welchen Youngster man besonders im Auge haben sollte.
Alle paar Jahre gibt es einen Quarterback, der frisch aus dem Draft kommt, und dessen Entwicklung in der NFL mediale Analysten wie auch Teams selbst dazu bringt, die eigene grundsätzliche Quarterback-Evaluation zu überdenken.
Josh Allen ist ein Paradebeispiel dafür. Seit er in die NFL kam, sehen wir eine generell gestiegene Bereitschaft dahingehend, dass Teams auf physische Attribute auf der Quarterback-Position setzen, mit der Idee, diese in der NFL weiter zu formen. Selbst wenn der Quarterback - wie Allen - im College entweder nur überschaubar gespielt hat oder nicht auf dem höchsten Wettkampflevel unterwegs war.
Justin Herbert hat die möglichen Diskrepanzen zwischen der Art und Weise, wie ein Quarterback im College eingesetzt wurde und dem, was möglich sein kann, untermauert. Brock Purdys Erfolg könnte dazu führen, dass noch mehr Teams an Tag 3 einem Quarterback-Prospect eine Chance geben.
C.J. Stroud könnte aus der diesjährigen Quarterback-Klasse derjenige sein, dessen bis dato fulminante NFL-Saison nachhaltig einen Einfluss darauf hat, wie im Frühjahr über einzelne Quarterback-Prospects diskutiert werden wird.
Denn die Pre-Draft-Debatte bei Stroud lässt sich relativ einfach zusammenfassen: Stroud hatte bei Ohio State exzellente Zahlen aufgelegt, aber das eben auch in herausragenden Umständen mit NFL-Talent überall um sich herum.
Und dann hatte er dieses eine Spiel gegen Georgia. In den Playoffs, auf größtmöglicher Bühne, gegen nicht nur die beste Defense im College Football, sondern gegen eine generell historische Defense, gespickt mit künftigen NFL-Spielern. Ausgerechnet in diesem Spiel fackelte Stroud ein großartiges Feuerwerk ab, und das eben nicht nur innerhalb des Play-Designs, sondern vor allem auch außerhalb der Struktur. Er kreierte Big Plays, er trug die Offense und brannte ein Feuerwerk ab.
Wird C.J. Stroud ein Draft-Analyse-Präzedenzfall?
Ohio State verlor das Spiel trotzdem in einem großartigen Showdown mit 41:42, und von diesem Moment an bis zu dem Zeitpunkt, als die Texans ihn mit dem zweiten Pick im Draft ausgewählt hatten, stand folgende Frage im Raum: Welches ist der "echte" C.J. Stroud?
Ist es der Quarterback, der - in der natürlich deutlich größeren Sample Size - sehr konstant innerhalb einer funktionierenden Offense-Maschinerie funktioniert hat? Oder kann man dieses eine Spiel, das aber eben gegen eine historische College-Defense stattfand, so stark gewichten, dass man das seriös für seine NFL-Prognose anwenden kann?
Das, was Stroud bisher in der NFL gezeigt hat, wird bei so mancher zukünftigen Draft-Quarterback-Analyse als Präzedenzfall genutzt werden, um zu untermauern, dass ein bemerkenswerter Ausreißer auf der denkbar größten Bühne gegen den denkbar stärksten Gegner ein Trumpf ist, auf den man vertrauen kann. Denn Stroud ist bei den Texans keineswegs nur der Verwalter, der in einer Shanahan-Offense in einem funktionierenden System die richtigen Knöpfe drückt.
Das System ist gut, insbesondere die Offensive Line ist infolgedessen deutlich besser als gedacht. Tank Dell ist eine der größten Rookie-Überraschungen, während Nico Collins ebenfalls einen großen Schritt nach vorne gemacht hat.
Stroud macht eine gute Texans-Offense brandgefährlich
Die Umstände sind also besser als vor Saisonstart gedacht, doch würden wir das längst nicht in diesem Ausmaß wahrnehmen, wenn Stroud nicht eine der besten Rookie-Quarterback-Saisons der letzten fünf Jahre spielen würde.
Und das hängt maßgeblich damit zusammen, dass Stroud eben nicht nur innerhalb des Schemes funktioniert, sondern dass er auf spektakuläre Art und Weise Plays kreiert. Stroud spielt aggressiv als Passer, er sucht die Big Plays und er öffnet die ganze Offense. Kein Quarterback wirft den Ball im Schnitt tiefer als Stroud (9,6 Yards durchschnittliche Target-Tiefe), bei tiefen Pässen, also mindestens 20 Yards Downfield, haben nur Jalen Hurts (9), Brock Purdy und Dak Prescott (je 8) mehr Touchdowns aufgelegt als Stroud (7), dessen 19 Yards pro tiefem Pass der Bestwert unter allen Quarterbacks mit mindestens 40 Downfield-Pässen sind.
Strouds Verhalten in der Pocket ist exzellent, er verhindert Sacks mit subtilen Bewegungen, kann aber auch komplett aus der Pocket ausbrechen und Plays so kreieren - wie etwa der Rushing-Touchdown zuletzt gegen die Jaguars.
Puka Nacua war für diese Kategorie meine Wahl im September, Seahawks-Corner Devon Witherspoon im Oktober. Ich bin fast froh, dass ich mit Stroud bis jetzt gewartet habe. Denn nach einer bereits starken ersten Saisonhälfte waren die letzten vier Wochen nochmal ein anderes Level für den jungen Quarterback. Angefangen mit dem wahnsinnigen Comeback gegen Tampa Bay, welches Stroud dann auch wirklich auf das Radar eines jeden NFL-Fans gebracht haben sollte.
Stroud ist der erste Rookie-Quarterback aller Zeiten mit vier aufeinanderfolgenden Spielen mit je über 300 Passing Yards. Gegen die Bucs vor einigen Wochen hat er mit 470 Yards den Rookie-Passing-Yard-Rekord für ein Spiel gebrochen und es scheint nur Formsache zu sein, dass er bis Saisonende den Rookie-Season-Passing-Rekord von Andrew Luck (4.374 Yards) bricht.
Der 22-Jährige spielt eine Saison, die ich persönlich nicht für möglich gehalten hatte. Dass man aus seinem Auftritt damals gegen Georgia etwas für die NFL mitnehmen kann, das ist weniger verwunderlich als die Tatsache, dass solche Auftritte in der Art und Weise, wie er jenes Spiel damals in den College-Playoffs gespielt hat, auf dem nächsten Level fast sein Standard geworden sind. Eine bemerkenswerte Entwicklung und eine bemerkenswerte Rookie-Saison.
Von den Qualitäten von C.J. Stroud könnt Ihr Euch am kommenden Sonntag selbst überzeugen, denn NITRO zeigt den Auftritt der Houston Texans gegen die Denver Broncos ab 19 Uhr live im Free-TV!
Adrian Franke