Einer der am meisten diskutierten Spielzüge in der NFL ist der "Tush Push" oder auch "Brotherly Shove". Auch die Kansas City Chiefs konnten mit All-Pro-Defensive-Tackle Chris Jones die Philadelphia Eagles und ihren Quarterback Jalen Hurts im Monday Night Football Game nicht davon abhalten, das effektive Play zu unterbinden. Im vierten Quarter gingen die Eagles nach einem kurzen Lauf in die Endzone mit 21-17 zum ersten Mal in Führung und sollten diese bis zum Spielende verwalten.
Gegnerische Teams verzweifeln allmählich an dem erfolgreichen Spielzug, bei dem sich neben der Offensive Line weitere Blocker sehr kompakt aufstellen. Jalen Hurts positioniert sich unmittelbar hinter seinem Center, um den Snap direkt aufzunehmen. Ihn flankieren drei weitere Spieler, die ihn "brüderlich" in die Endzone "schubsen".
Jalen Hurts und der Brotherly Shove
Die intensive Ausarbeitung dieses Plays in der Offseason kombinieren die Eagles mit der besonderen Physis ihres Quarterbacks bei diesem "Tush Push". Denn Jalen Hurts ist praktisch in jeder freien Minute in den Trainingsräumen zu finden und hat so ziemlich die dicksten Oberschenkel aller Spielmacher in der NFL. Diese Kraftübertragung aus dem Unterkörper hilft ihm sehr bei der Vollendung dieses Spielzugs.
Doch es passiert noch viel mehr, weshalb nicht einmal die Kansas City Chiefs den Touchdown an der Goal-Line im letzten Spiel verhindern konnten, obwohl sie eigentlich perfekt dafür aufgestellt sind. Im Gegensatz zu anderen Teams haben die Chiefs den vielleicht besten reinen Defensive Tackle der NFL mit Chris Jones im Aufgebot. Ihre Linebacker sind kräftig gebaut und können ebenfalls sehr gut gegenhalten.
Deshalb zeigte sich Defensive Line-Coach Joe Cullen nach dem Spiel auch nahezu entmutigt auf der Pressekonferenz der Chiefs. Denn bereits im letzten Super Bowl konnte seine Defense das Play nicht stoppen:
"Wenn jemand neue Ideen hat, lassen Sie es mich wissen. Darüber haben wir nach diesem Spiel (Super Bowl LVII) wirklich gesprochen. Es geht darum, sie mit Hebelwirkung zu stoppen, die Leute in die Lage zu versetzen, den Quarterback zu bekommen, weil der zusätzliche Schub, der zweite Schub, wirklich das ist, was [den Erfolg] bringt. Wir werden versuchen, alles zu tun, um sie aus solchen Situationen herauszuhalten und sie in 3rd&Long-Situationen zu bringen."
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Denn darin sieht Cullen den besten Weg zur Verteidigung. Er will den Eagles erst gar nicht die Möglichkeit geben, mit einem kurzen Push ein neues First Down zu erzielen. Er will sie von Anfang an in schwierige Third Down Conversions zwingen. Denn sobald die Eagles mehr als zwei Yards zum neuen ersten Versuch zurücklegen müssen, werden sie auf den "Brotherly Shove" verzichten.
Hebelwirkung beim zweiten Push
Doch Cullen spricht auch die Hebelwirkung beim zweiten Push an. Unmittelbar nach dem Snap schießt die Offensive Line so tief wie möglich nach vorne. Die Defensive Line reagiert darauf mit einer schnellen Antwort und hält sofort dagegen. Wenn dann allerdings die erste Energie freigesetzt wurde, kommt die Reihe hinter Jalen Hurts zum Einsatz und schiebt den Quarterback über die Line of Scrimmage. Die Front des Gegners hat ihren Vorwärtsdrang in diesem Moment bereits gestoppt und kann nicht mehr gegenhalten.
Die Hebelwirkung erzeugt eine Kraftumwandlung, der ein Gegner nicht gewachsen ist. Doch steckt noch mehr dahinter, denn viele NFL-Teams haben bereits versucht, das Play zu kopieren und sind daran krachend gescheitert. Los Angeles Rams Coach Sean McVay hat es auch probiert und konstatierte nüchtern:
"Ich weiß nicht. Sagen Sie es mir. Wir haben es versucht und es sah nicht besonders gut aus. Wissen Sie, es sah überhaupt nicht nach Philadelphia aus. Wenn man sieht, wie viele Teams versuchen, es in der gesamten Liga zu reproduzieren, sieht es überhaupt nicht danach aus. Ich weiß nicht, ob irgendjemand eine Antwort [darauf] hat."
Chris Jones informierte sich bei Rugby-Spielern
Auf jeden Fall hat die nahe Sportart Rugby etwas mit dem Erfolg des Spielzugs zu tun. So weit sind die meisten Defenses bereits. Denn alle Coaches und Spieler zermartern sich das Hirn bezüglich des "Brotherly Shoves". Sie sehen einfach übermannt aus und kein Verteidiger wird gern physisch geschlagen.
Chris Jones informierte sich deshalb bei Rugby-Spielern, wie der "Tush Push" verteidigt werden könnte. Doch scheinbar hat er noch nicht die richtige Lösung gefunden, wenn die Eagles ihm und den Chiefs am Wochenende einen Touchdown im letzten Quarter damit einschenkten.
Head Coach Nick Sirianni wird den Spielzug deshalb so lange ansagen, bis er vereitelt wurde und sogar die Herangehensweise beim First und Second Down danach auslegen:
"Wissen Sie, bei jedem First Down geht es um First and 9, und wenn man zum Fourth and 1 kommt, hat man großes Vertrauen in dieses Play."
Denn in Philly vertrauen sie auf die physische Stärke ihres Quarterbacks und ihre perfekt aufeinander abgestimmte Offensive Line. Auch Center Jason Kelce ist furchtlos genug, um sich mitten im Getümmel von vielen schweren Männern begraben zu lassen.
Vielleicht besteht die Möglichkeit darin, den ersten Push mit der Front und den zweiten leichteren Schubser mit der Secondary aufzuhalten. Die Verteidigung würde dann praktisch in zwei Wellen agieren. Doch werden die Eagles dann wahrscheinlich einfach einen Toss auf einen ihrer Running Backs vollführen und der läuft dann einfach an dem großen Knäuel aus Linemen und allen anderen Spielern vorbei in die Endzone. Darauf muss dann auch wieder eine Antwort gefunden werden.
Philipp Forstner




































