Das Saison-Aus von Quarterback Deshaun Watson bringt die Cleveland Browns in der NFL in eine selbstverschuldete missliche Lage. Sie zahlen nun die Zeche für mindestens eine Fehlentscheidung der jüngeren Vergangenheit und Rookie Dorian Thompson-Robinson muss es ausbaden. Ob er dazu bereit ist, ist fraglich.
In der NFL kann alles sehr schnell gehen. Die Cleveland Browns können davon derzeit ein Lied singen. Da legte Deshaun Watson gerade erst ein fulminantes Comeback gegen die Baltimore Ravens hin und sah eigentlich erstmals in Diensten der Browns wie der einstige Playmaker aus, der er bei den Houston Texans bis 2020 war, und nun fällt er mit einer schweren Schulterverletzung den Rest der Saison aus.
Natürlich muss man sich langsam fragen, ob das wirklich so eine gute Idee der Browns war, einen exorbitant hohen Preis für Watson zu zahlen, der aufgrund der Anschuldigungen gegen ihn eigentlich untragbar und vor allem schwer vermittelbar war.
Und dennoch überboten die Browns letztlich die Konkurrenz mit einem vollgarantierten Rekord-Vertrag über fünf Jahre und 230 Millionen Dollar. Zusätzlich zu einem Trade-Paket, das drei Erstrundenpicks, einen Drittrundenpick und zwei Viertrundenpicks umfasste - davon stehen im Übrigen noch ein Erstrundenpick und ein Viertrundenpick 2024 aus.
Die Struktur des Vertrags schließt im Übrigen eine vorzeitige Trennung aus, denn im nächsten Jahr etwa stünden dann 200 Millionen Dollar an Dead Money an - der Gesamt-Cap wird aktuell auf rund 256 Millionen für 2024 geschätzt ...
Der Ertrag dafür war bislang eher überschaubar. Nachdem Watson die ersten elf Spiele seiner Debüt-Saison in Cleveland aufgrund einer Sperre für die gegen ihn erhobenen schweren Vorwürfe sexueller Übergriffe verpasst hatte, wirkte er nicht so, als wäre er schon angekommen. 2022 war damit schon ein verlorenes Jahr, weil die Browns erwartungsgemäß nicht allzu große Bäume ausrissen mit dem soliden Backup-QB Jacoby Brissett am Ruder. 2023 jedoch sollte wieder angegriffen werden.
Und man muss zumindest konstatieren, dass Watson nur einen Start verloren hat - er spielte selten wirklich gut, tat aber genug, um der eigenen imposanten Defense nicht im Weg zu stehen. Das Problem mit dieser Betrachtung: Watson verpasste auch schon drei Starts mit Verletzungen und wird nun den Rest der Saison fehlen. Unterm Strich zahlen ihm die Browns also für seine ersten zwei Jahre des Vertrags 92 Millionen Dollar für zwölf Spiele, von denen er immerhin acht gewann.
Browns: Jetzt muss Rookie Dorian Thompson-Robinson ran
Aufgrund dieser Situation wird nun abermals Rookie Dorian Thompson-Robinson, ein Fünftrundenpick von UCLA, ins kalte Wasser geworfen. Gegen die Pittsburgh Steelers wird es in Woche 11 (ab 18:15 Uhr live auf RTL+) sein zweiter Start sein, nachdem er bereits in Woche 4 gegen Baltimore spontan ran musste - Watson konnte trotz eigener positiver Prognose aufgrund einer Schulterverletzung doch nicht spielen - und komplett überfordert war. Er warf damals für 121 Yards und drei Interceptions.
Warum also sollte es nun gegen eine furchteinflößende Defense der Steelers besser laufen, zumal selbst Watson gegen jene Defense in Woche 2 schon den Kürzeren gezogen hatte? Die Browns verweisen nun darauf, dass DTR ja dieses Mal eine ganze Trainingswoche - sie beginnt in der NFL für ein Sonntagsspiel üblicherweise am Mittwoch - zur Verfügung hat und ja ohnehin gut trainiert.
Head Coach Kevin Stefanski merkte dazu an, dass der Rookie für den Sieg über Baltimore in der Vorwoche gar einen Game Ball bekam, weil er im Scout-Team im Training als Lamar-Jackson-Imitat einsprang und seine Defense perfekt vorbereitete.
Die spannende Frage nun ist jedoch, ob sich das auch auf ein echtes Spiel übertragen lässt. Den einzigen wirklich guten Auftritt von DTR sahen wir bislang in der Preseason. Gegen Washington trumpfte er vor allem mit seiner Athletik und seinem Speed auf, präsentierte sich zudem stark als Passer. Eine Woche zuvor war er zudem im Hall of Fame Game sehr ordentlich unterwegs. In beiden Partien ging es jedoch nur gegen Backups.
Im Ernstfall war er dann überfordert. Gegen die Ravens in Woche 4 hielt er den Ball zu lange und kassierte vier Sacks bei 19 Pressures. Seine Pässe waren ungenau (-9,8 CPOE) und er leistete sich zudem fünf "Turnover Worthy Plays", was gerade in einem Team wie den Browns ein No-Go ist.
Aufgrund der starken Defense reicht hier vielleicht sogar ein ordentlicher Game Manager. Also jemand, der Risiken minimiert und vor allem kaum Fehler macht. Den Ball häufig herzugeben, hilft da eher weniger, zumal die eigene Defense nur dann ein Faktor sein kann, wenn die Offense zumindest das absolut Nötigste an Kompetenz an den Tag legt.
Browns: DTR nur auf dem Boden eine Gefahr
Gegen die Steelers wird es darauf ankommen, dem gefährlichen Pass Rush aus dem Weg zu gehen. Und man kann davon ausgehen, dass der Gegner darauf erpicht sein wird, DTR nicht aus der Pocket ausbrechen zu lassen, weil er mit seinen Beinen schon jetzt große Gefahr ausstrahlt. Sein Arm oder vielmehr sein Kopf, sind da eher die Probleme.
Dennoch schenkt man DTR nun das Vertrauen, nachdem er in Folge seines schwachen Debüts erstmal wieder ins zweite oder dritte Glied gerückt war und Wandersmann P.J. Walker die zwei anderen verpassten Starts von Watson übernahm. Auch er war nicht sonderlich gut, gewann aber überraschend gegen die 49ers, weil Kicker Jake Moody ein spätes Field Goal vergab.
Realistisch betrachtet haben die Browns keinen legitimen Backup hinter Watson im Kader. Und das ist durchaus eine Verfehlung des Managements, denn während man im Vorjahr mit Brissett noch respektabel aufgestellt war, setzte man in diesem Jahr voll auf Watson und versuchte wohl auf diesem Wege zu sparen. Angesichts von rund 33 Millionen an Cap Space ist das spätestens jetzt eine sehr kuriose Entscheidung.
Besonders bitter zudem: Im Training Camp hatten die Browns noch einen gewissen Joshua Dobbs im Kader, den sie im August zu den Cardinals tradeten - jener schwebt nun als "Passtronaut" über Minnesota und ist dabei, die Saison der Vikings zu retten.
Und so droht auch das zweite Jahr des einzigartigen Vertrags mit Watson ein verlorenes zu werden, denn während man sich auch jetzt noch Hoffnungen auf die Playoffs machen darf angesichts des überschaubaren Rest-Spielplans, dürfte spätestens dann in Runde 1 Schluss sein. Wer jedoch solch enorme Ressourcen in einen Quarterback von außerhalb steckt, hat vermutlich höhere Ansprüche.
Marcus Blumberg



































