Woche 10 der NFL ist nahezu im Kasten und in New England muss man sich langsam mit der Frage befassen, ob die Ära Belichick zu Ende ist - und wenn ja, wann genau. Deshaun Watson scheint endlich angekommen in Cleveland und die Houston Texans schicken sich an, das Überraschungsteam der Saison zu werden. Die Erkenntnisse der Woche.
NFL: War's das für Belichick in New England?
Eine Woche nach dem Spektakel an selber Stelle zwischen den Chiefs und Dolphins (21:14) in Frankfurt sahen die Zuschauer dieses Mal ein eine sportliche Bankrotterklärung von den Patriots und Colts. Immerhin: die Colts fanden immerhin einmal den Weg in die Endzone bei ihrem einzigen Red-Zone-Trip des gesamten Spiels. Die Patriots, die es auf ganz zwei Field Goals brachten, waren 0/4 in der Red Zone.
Was besonders auffiel, war die Tatsache, dass die Patriots scheinbar jegliches Vertrauen in Quarterback Mac Jones verloren haben. Jones warf am Ende 27 Pässe, während man insgesamt auf 36 Laufversuche kam. Ein klares Indiz dafür, was man nicht machen wollte. Zugutehalten muss man dem Team von Bill Belichick jedoch, dass das Run Game durchaus effektiv war. Im Schnitt lief man für 4,6 Yards Rhamondre Stevenson und Zeke Elliott waren sicher die produktivsten Spieler mit dem Ball in der Hand.
Stevenson hatte letztlich 23 Touches, Elliott kam auf 15. Zusammen sahen sie im Übrigen sieben Targets im Passspiel. Die einzigen Wide Receiver, die in diesem Spiel Targets sahen, waren JuJu Smith-Schuster und Kayshon Boutte - beide fingen sie jeweils einen Pass. Und das illustriert recht gut, wo sich das Passspiel der Patriots gerade befindet.
Jones' Pässe hatten eine durchschnittliche Passtiefe von 3,3 Yards. Und er warf zwei wirklich abstruse Interceptions. Entsprechend fand er sich im letzten Drive, in dem die Patriots durchaus die Chance hatten, das Spiel nochmal zu drehen, auf der Bank wieder. Belichick hatte genug gesehen und ließ mal wieder Bailey Zappe ran. Der jedoch besiegelte den 2-8-Start der Patriots mit einer noch abstruseren Intercepton über die Mitte.
Patriots: Wann zieht Robert Kraft die Reißleine?
Nach einer der Jones'schen Interceptions fingen die Kameras einen resignierten Owner Robert Kraft ein, der so langsam die Geduld zu verlieren scheint. Und mittlerweile pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass in New England etwas zu Ende geht. Fast schon poetisch erscheint da der Fakt, dass Belichick erst zum zweiten Mal überhaupt eine Saison mit 2-8 beginnt - erstmals passierte ihm dies im Jahr 2000 - seiner ersten Saison in Foxborough. Die Saison endete 4-12 - in diesem Jahr wäre sogar 4-13 drin.
Wie wir alle glauben zu wissen, geht Belichicks Vertrag ohnehin nur noch bis Ende 2024, entsprechend scheint es nicht mehr abwegig, dass es zu einer vorzeitigen Trennung kommt. Die Dynasty ist lange vorüber, sie endete realistisch betrachtet mit Super Bowl LIII und endgültig, als Tom Brady im Jahr 2020 von Bord ging. Die Frage jetzt scheint nur noch zu sein, wann genau Schluss ist. Der folgende Satz mag eventuell altern wie Frischmilch, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Kraft nach allem, was seit 2000 passiert ist, Belichick noch vor Saisonende entlassen würde. Genauso wenig denke ich, dass Belichick freiwillig hinwirft. Entsprechend wird es wenn, dann nach Woche 18 zum Schlussstrich kommen.
Alles andere macht jedoch auch wenig Sinn, denn was genau will man denn in dieser Saison noch erreichen? Mit 2-8 geht es eigentlich nur noch darum, einen möglichst hohen Draftpick zu ergattern. Dank des Sieges der Bears am Donnerstag wäre man derzeit an vierter Stelle an der Reihe. Ein guter Start für ein etwaiges neues Regime.
Und auch ein echtes Benching von Mac Jones erscheint unrealistisch. Nicht, weil er es nicht verdient hätte. Vielmehr, weil es keine Alternativen gibt. Beweisstück A) hierfür ist der Zappe-Pick am Ende in Frankfurt. Und Will Grier wird auch nicht die Antwort sein. Zudem hat keiner der Quarterbacks noch irgendeinen verlässlichen Receiver an der Hand.
Das wiederum könnte dann im kommenden Frühjahr zu einer sehr interessanten Konstellation führen, denn was macht man als Team, dass einen potenziellen Top-5-Pick hat, aber weder brauchbare Wide Receiver noch einen Quarterback der Zukunft hat? Vor dieser Frage muss aber erstmal geklärt werden, wer dann das Zepter in der Hand hat.
NFL: Deshaun Watson setzt Ausrufezeichen für Browns
Seit dem ominösen Trade für Deshaun Watson vor der Saison 2022 suchte man vergebens nach einem wirklich guten Auftritt des Quarterbacks, der zuletzt im Jahr 2020 für die Texans in Topform agiert hatte. An diesem Sonntag nun kam er dieser Form zumindest schon mal wieder sehr nahe, wenn auch nicht vom Start weg.
Beim 33:31-Erfolg in Baltimore hatte Watson zunächst mal Pech, weil schon sehr früh ein abgefälschter Pass von ihm zum Pick-Six von Kyle Hamilton wurde. Generell gelang den Browns vor der Pause nicht allzu viel - sie schafften immerhin drei Field Goals. Nach der Halbzeit jedoch drehte Watson auf. Er brachte alle 14 Passversuche an und kam auf 134 Yards und einen Touchdown. Laut "Next Gen Stats" betrug seine Completion Percentage over Expected +18,2 Prozent
Abgesehen davon biss er auf die Zähne und lief für 37 Yards selbst. Er war damit auch der effizienteste Runner seines Teams mit 1,05 EPA/Play. Watson setzte ein Ausrufezeichen im direkten Duell mit MVP-Kandidat Lamar Jackson, der seinerseits das Spiel in der zweiten Hälfte mit einem Pick-Six seinerseits mit weggeworfen hatte.
Die Browns stehen nun bei 6-3 und sind klar auf Playoff-Kurs. Mit einem Watson in dieser Form könnten sie noch einigen Schaden anrichten. Zudem sollte das Thema Einstellung, das nach seiner Schulterverletzung kursierte, vom Tisch sein, zumal er gegen die Ravens mit einer Bein oder Fußverletzung spielte und auf die Zähne biss. Anschließend verließ er das Stadion in einem "Walking Boot", versicherte aber, dass er bis nächste Woche gegen die Steelers - beim nächsten Division-Duell - wieder mit von der Partie sein sollte.
NFL: Die Houston Texans muss man auf dem Zettel haben
Eine Frage, die im Laufe des Sonntagabends auf den sozialen Medien die Runde machte, war, ob C.J. Stroud nun Teil der MVP-Diskussion sei nach seiner starken Vorstellung gegen Joe Burrow und die bis dahin heißen Bengals. Stroud warf für 356 Yards (TD, INT) und lief noch für einen weiteren Touchdown zum Start des vierten Viertels. Weniger später brachte er sein Tam dann in Position für das Field Goal zum Sieg.
Und wenn man ehrlich ist, scheint das gar nicht mal so abwegig, wenn man sieht, wie sich Burrow und Lamar Jackson unter anderem mit ihren Interceptions in Woche 10 präsentiert haben. Patick Mahomes reißt derzeit auch keine Bäume aus und Stand jetzt hat Stroud auch schon drei mehr Teams mit positiver Bilanz geschlagen als Tua Tagovailoa von den Dolphins (0).
Doch das ist derzeit gar nicht der Punkt in Texas. Vielmehr darf man verwundert die Augen reiben, dass Houston nach Woche 10 mit positiver Bilanz (5-4) dasteht und unter Head Coach DeMeco Ryans jetzt schon mehr Spiele gewonnen hat als in den vergangenen zwei Saisons (je 4). und dieses Mal war sogar die Defense ein Faktor.
Die Texans schafften vier Sacks gegen Burrow und landeten neun QB-Hits. Zudem schafften sie zwei Interceptions und hielten das Run Game der Bengals 66 Yards insgesamt.
Egal, was jetzt noch passiert in dieser Saison, darf man schon mal mitnehmen, dass die Texans jetzt wieder eine ernstzunehmende Truppe sind. Die Playoffs sind Stand jetzt durchaus denkbar und das ist eine gehörige Veränderungen zu den vergangenen zwei bis drei Jahren. Gegen das favorisierte Cincy fiel es nicht mal ins Gewicht, dass Strouds Top-Target Nico Collins ausgefallen war. Dafür explodierte Rookie Noah Brown (172), während Rookie Tank Dell einen Touchdown erzielte.
Die Texans sind noch kein fertiges Team, doch gute Ansätze lassen sich nicht abstreiten. Sie spielen zudem in einer Division, die nach den jüngsten Problemen der Jaguars wieder einigermaßen machbar erscheint.
NFL: Hier kommen die Vikings!
Der wundersame Sieg der Vikings in Woche 9 war recht leicht mit einem Überraschungseffekt zu erklären. Der Gegner (Falcons) war ganz einfach nicht auf Quarterback Joshua Dobbs vorbereitet - wie auch? Die Vikings waren nicht mal auf Dobbs vorbereitet, da er gerade erst kurz zuvor aus dem Flieger stieg, der ihn aus Arizona nach Minneapolis gebracht hatte.
In Woche 10 jedoch war allen von vornherein klar, dass Dobbs der Starter der Vikings sein würde. Und dennoch zeigte er dieses Mal gegen die Saints einmal mehr eine starke Leistung. Dobbs war vor allem bemerkenswert effizient mit 14 EPA und 0,31 EPA/Play. Er er tat dies nicht etwa wie ein Tyson Bagent bei den Bears, der in seinem Startdebüt fast ausschließlich ultrakurze Pässe warf und sich auf seine Playmaker verlassen konnte. Dobbs arbeitete in einer Passtiefe, die für ihn mehr oder minder normal ist. Sie lag gegen die Saints bei 7,8 Yards, sein Saisonschnitt vor dem Spiel lag bei 8,3 - gegen Atlanta waren es 5,7, aber da kannte er noch nicht mal alle seine Mitspieler.
Dobbs machte Plays mit seinem Arm, aber gerade früh im Spiel auch mit seinen Beinen, als er mehreren möglichen Sacks mit seiner Mobilität entging. Er kassierte letztlich nur einen Sack und hatte laut "ESPN" ein Total QBR von 88,3 - 100 ist der Höchstwert. Es ist schwer zu erklären, aber der "Passtronaut" befindet sich gerade auf einem echten Höhenflug.
Und das gilt dann zwangsläufig auch für die Vikings, die nun nach der Niederlage der Jaguars gegen die 49ers mit fünf Siegen am Stück die längste Siegesserie der Liga innehaben. Die Vikings sind 6-4 und belegen damit derzeit einen Wild-Card-Rang - sie lagen darüber hinaus nur 1,5 Spiele hinter den Lions in der NFC North und bekommen bald Superstar-Receiver Justin Jefferson zurück. Mit darf hier auch nicht vergessen, dass sie mich damit Lügen strafen, denn ich hatte nach der Verletzung von Kirk Cousins noch nahegelegt, eine Art Firesale zur Trade Deadline abzuhalten, um von dieser Saison zu retten, was noch zu retten war.
Gut, dass sie es nicht gemacht haben und stattdessen Dobbs aus dem Hut zauberten, der nun Siege ebenfalls aus selbigem zaubert. Zaubert er nun auch noch den zweiten Division-Erfolg nacheinander aus dem Hut? Unmöglich erscheint das jetzt nicht mehr, wie ein Blick auf die kommenden Gegner verrät:
- Woche 11: @ Broncos
- Woche 12: Bears
- Woche 14: @ Raiders
- Woche 15: @ Bengals
- Woche 16: Lions
- Woche 17: Packers
- Woche 18: @ Lions
Heißt: Wenn sie jetzt dran bleiben, könnte es zum echten Showdown in den finalen drei Wochen der Saison mit den Lions um die Krone im Norden kommen. Das könnten nochmal hochklassige Wochen zum Saisonende werden. Die Vikings jedenfalls scheinen gerüstet für die Löwen-Jagd.
Marcus Blumberg



































