Die Las Vegas Raiders haben sich ziemlich überraschend nach nur acht Wochen der NFL-Saison 2023 von Head Coach Josh McDaniels und General Manager Dave Ziegler getrennt. Warum das so kam und wieso gerade jetzt, ist schwer zu sagen, auch wenn es irgendwo verständlich ist.
Eine Einordnung von sport.de-Redakteur Marcus Blumberg.
Wer einen roten Faden sucht, findet ihn im Fall Josh McDaniels relativ leicht. Wie schon auf seiner ersten Head-Coach-Position bei den Denver Broncos in den Jahren 2009 und 2010 gingen die wichtigsten Maßnahmen auch bei den Las Vegas Raiders ultimativ schief. Wie damals sorgte er auch dieses Mal für Aufsehen damit, dass er sich von einem etablierten Quarterback, der sicher nicht das Hauptproblem war, trennte und einen neuen reinholte, der die Erwartungen auch nicht erfüllte.
Im Gegensatz zu damals muss man nun fairerweise erwähnen, dass der Wechsel deutlich weniger abstrus wirkte. Damals musste Rocket-Arm Jay Cutler gehen und wurde durch den Inbegriff des Durchschnitts Kyle Orton ersetzt, ehe dann auch noch aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund Tim Tebow in Runde 1 des Drafts geholt wurde. Dieses Mal musste Franchise-QB Derek Carr gehen - zugegeben nach seiner schwächsten Saison seit Jahren unter McDaniels - und wurde durch einen alten Bekannten in Jimmy Garoppolo ersetzt. Der Floor war also dieses Mal deutlich höher, immerhin wies Jimmy G bereits gewisse Kompetenz mit einer Super-Bowl-Teilnahme nach.
Zudem dürfte sich McDaniels mit weiteren Maßnahmen wie dem Trade von Darren Waller kurz nach dessen Hochzeit mit Las-Vegas-Aces-Spielerin Kelsey Plum an die andere Küste keine Freunde im Team gemacht haben. Oder damit, dass er den bislang so wichtigen und beliebten Slot-Receiver Hunter "3rd and" Renfrow zum Statisten degradierte. Und seine Affinität zu unpassenden Field Goals half dem Erfolg des Teams auch nicht.
Las Vegas Raiders: Die Offense funktioniert nicht
Letztlich jedoch scheiterte McDaniels vor allem einmal mehr an der Tatsache, dass seine Offense nicht funktionierte. Offense ist sein Background, also hätte man zumindest erwarten können, dass dieser Part des Spiels zum Erfolg führt. Stattdessen findet man das Team mit -24,1 Prozent DVOA (Quelle: "FTNFantasy) auf Rang 29 der Liga. Rang 27 belegt man mit -0,115 EPA/Play, was so viel heißt wie: Diese Offense ist alles andere als effizient. "PFF" hat die Raiders immerhin auf Rang 22 mit einem Offense Grade von 67,5, aber die Kollegen schauen bekanntlich nicht unbedingt auf greifbare Ergebnisse.
Und wir reden hier von einer Truppe, die enorme Ressourcen in diese Unit gesteckt hat seit McDaniels und sein GM Dave Ziegler aus New England Anfang 2022 angekommen waren. Der teure Trade samt teurem Vertrag für Davante Adams ist hier zuvorderst zu nennen. Jakobi Meyers wurde im Frühjahr dazu geholt, Josh Jacobs letztlich kurzfristig gehalten. Zudem gelang es, den einstigen Trümmerhaufen Offensive Line trotz großer Umbauten halbwegs stabil zu gestalten - "ESPN" hat sie bei einer Pass Block Win Rate von 61 Prozent (Rang 8).
Und dennoch gelang es den Raiders in diesem Jahr in acht Spielen nur ein Mal, mehr als 19 Punkte in einem Spiel zu erzielen. Wenig überraschend kamen die drei Siege der Saison gegen Teams mit negativen Bilanzen (Broncos, Packers, Patriots). Und selbst das waren enge Kisten mit nie mehr als vier Punkten Unterschied.
Und dennoch mutet der Zeitpunkt dieser Trennung merkwürdig an. Was genau hat Owner Mark Davis genau jetzt dazu bewogen, Klarschiff zu machen? Nach Woche 8. Nur wenige Stunden nach der Trade Deadline? In einer Position, in der man sogar noch vage auf Playoffs hoffen kann (1,5 Spiele hinter Platz 7 der AFC). McDaniels und Ziegler sollen sogar noch aktiv an möglichen Trades gearbeitet haben, ehe sie Davis vor die Tür setzte. Das ist so, als wenn man einen General Manager noch schnell den Draft machen lässt, ehe man ihn vor die Tor setzt - die Jets haben das vor ein paar Jahren gemacht und damit für reichlich Chaos für das Folge-Regime gesorgt.
NFL: McDaniels-Entlassung gerade jetzt nicht zielführend
Ja, McDaniels und Ziegler sind mit ihrem Kurs offenkundig gescheitert. Aber wenn man so einen Schritt macht, ist es wenig zielführend, ihn jetzt zu machen. Ein klarer Schnitt am Saisonende wäre deutlich eleganter gewesen, denn nun sorgt man für Extra-Chaos und eine Situation, in der über die übrigen neun Wochen der Saison herzlich wenig passieren kann, was die Situation verbessern würde.
Die Raiders werden nun darauf hoffen, dass wie 2021 ein Ruck durchs Team geht nach der Trennung vom damaligen Head Coach Jon Gruden nach dessen skandalösen E-Mails. Damals gelang es Rich Bisaccia, sein Team noch in die Playoffs zu führen. Damals jedoch war das Team auch insgesamt besser aufgestellt. In diesem Jahr fehlt trotz großer Investitionen die Substanz - man war trotz allem immer noch im Umbau, der 2022 durch aggressive Moves eingeleitet wurde. Doch schon damals war klar, dass diese Truppe eher top-heavy konstruiert war und erst nach längerer Zeit wirklich auf stabilen Beinen stehen würde.
Wirklich weiter ist man in diesem Unterfangen jedoch auch heute noch nicht. Insofern ist es wahrscheinlich, dass auch der diesjährige Interimscoach Antonio Pierce nur die Übergangslösung ist. Wer auch immer dann übernimmt, wird erneut die Frage beantworten müssen, in welche Richtung die Raiders denn gehen sollen. Dann vielleicht mit dem nächsten neuen Quarterback, denn Garoppolos Vertrag ist äußerst kündbar nach dieser Saison.
Und McDaniels? Der dürfte früher oder später wieder in New England anheuern, schließlich war das auch damals ultimativ der Move nach seiner Entlassung. Immerhin holte er eine sehr ordentliche Rookie-Saison aus Mac Jones heraus. Dieses Niveau hat der QB bis heute nicht wieder erreicht.
Für den Moment aber lässt das Chaos in Vegas nur Verlierer zurück. Irgendwie passend für die Stadt der Sünde.
Marcus Blumberg




































