Mehr als 250 Rookies kommen jedes Jahr in die NFL, manche mit viel Hype und hohen Erwartungen, andere eher unter dem Radar und mit nicht mehr als einer Backup-Rolle zum Start. Die Narrative rund um die neuen Talente können sich jedoch schon nach wenigen Wochen verändern. RTL-Experte Adrian Franke hält euch auf dem Laufenden: Ein Mal pro Monat kürt er für sport.de seinen Rookie des Monats und erklärt, welchen Youngster man besonders im Auge haben sollte.
Wenn man bis dato nichts von Devon Witherspoon gehört, die Seahawks-Defense vielleicht in dieser Saison noch nie gesehen, den Draft nur rudimentär verfolgt hatte, dann gab es einen Moment, in dem man um Seattles Rookie-Corner nicht mehr herumkam.
Die Szene war ein kurzes Second Down am Ende des dritten Viertels im Spiel gegen die Arizona Cardinals in Woche 7. Arizonas Receiver Rondale Moore lief eine kurze Out-Route über den First-Down-Marker, doch als Quarterback Josh Dobbs den Ball warf, hatte Witherspoon das Play bereits identifiziert. Er löste sich vom äußeren Receiver, den er eigentlich gecovert hatte, explodierte nach vorne und verpasste Moore einen krachenden Hit.
Der Receiver flog im wahrsten Sinne des Wortes zwei Yards nach hinten und drehte sich in der Luft einmal komplett auf die Seite. Es war ein legaler, aber heftiger Hit, wie man ihn in der heutigen NFL, mit deutlich strikteren Regeln, zunehmend selten sieht.
Es war auch ein Musterbeispiel für die Art Spieler, die Witherspoon ist - und die er auch schon im College war. Antizipation, Explosivität, das Lesen und Erkennen von Plays aus Zone Coverage, all das gab ihm auch schon im College eine riesige Reichweite. Das in Kombination mit seiner Physis machte ihn bereits bei Illinois zu einem sehr harten Tackler, der für Highlight-Hits sorgte. Sein Hit gegen Indiana, bei dem er einen Gegenspieler beinahe in einen Salto beförderte, war ein virales Highlight.
Witherspoon: Harte Hits, aber auch gute Coverage
Nachdem der 22-Jährige den Auftakt verletzt verpasst hatte, kam er im zweiten Spiel gleich als Starter rein. Und Teams testeten ihn auch teilweise intensiv: Die Panthers warfen 13 (!) Bälle in seine Richtung, Witherspoon ließ daraus ganze 31 Receiving-Yards zu. Die Browns in der vergangenen Woche warfen sechs Bälle in Witherspoons Coverage, davon kam einer an.
33 Tackles, drei Quarterback-Hits, darunter zwei Sacks, acht abgewehrte Pässe, fünf Pass-Breakups und ein Pick Six stehen nach seinen ersten sechs NFL-Spielen auf Witherspoons Konto. Witherspoon steht nach sechs Spielen bei fünf Quarterback-Pressures, unter allen Cornerbacks hat einzig Trent McDuffie mehr (6). Und McDuffie hat zwei Spiele mehr und mehr als doppelt so viele Pass-Rush-Snaps wie Witherspoon bislang.
Seine Physis und seine Aggressivität übertragen sich Eins-zu-Eins auf die NFL, bei seinen Hits und auch als Blitzer. Aber er ist auch ein exzellenter Cover-Corner, was schließlich immer noch die primäre Aufgabe eines Cornerbacks ist. Witherspoon hat bisher nur 149 Receiving-Yards zugelassen, 15 Catches bei 35 Targets. Gegen die Giants sorgte er für sichtbare Frustration bei Giants-Coach Brian Daboll an der Seitenlinie, als er in enger Coverage Daniel Jones‘ Pass kurz vor der eigenen Endzone abfing und zum Touchdown zurücktrug.
Witherspoon macht das zudem in einer Rolle, die allgemein nicht allzu viele Cornerbacks ligaweit beherrschen, von Rookies ganz zu schweigen: Er spielt legitim innen und außen, also im Slot, genau wie als Outside Corner. 157 Snaps im Slot, sowie 230 Outside hat er nach den ersten acht Spieltagen absolviert, etwas, das Head Coach Pete Carroll auch schon ganz deutlich hervorhob: "Nicht viele Spieler können das auf eine effektive Art und Weise machen, und beherrschen das so. Ich habe heute im Walkthrough bemerkt, wie ihm einige subtile Details auffallen. Es überrascht einen dann doch, wie viel er wahrnimmt. Er kann noch so viel besser werden."
Ein Hall-of-Fame-Vergleich für Devon Witherspoon
Nach dem Spiel gegen New York zog Carroll zudem einen ganz großen Vergleich: "Troy Polamalu war großartig darin, Dinge zu sehen, zu analysieren - und er ist schon auf halbem Weg dorthin. Devon hat dieses Gespür, und sie beide haben dieses Vertrauen in ihr Gespür."
Polamalu war einer der größten Safeties dieses Jahrtausends, und Carroll kennt ihn gut: Polamalu spielte seine letzten beiden College-Saisons bei USC unter Pete Carroll, der die prestigeträchtige Schule im Dezember 2000 als neuer Head Coach übernommen hatte. Und es stimmt, einige von Witherspoons Hits erinnern auf frappierende Art und Weise an den späteren Steelers-Safety, der regelmäßig Plays auffallend früh antizipierte und dementsprechend den Turbo zünden und harte Hits austeilen konnte.
Mit solch großen Vergleichen insbesondere für einen Rookie sollte man vorsichtig sein, Witherspoon aber rechtfertigt sie bis dato. Zur Saison-Mitte ist Witherspoon nicht nur einer der besten Rookies dieser Saison, er ist einer der besten Cornerbacks in der bisherigen Spielzeit und produziert einen legitimen Case, um Philadelphias Jalen Carter die Auszeichnung zum Defensive Rookie des Jahres streitig zu machen.
Gemeinsam mit Riq Woolen kann er Seattle langfristig ein spektakuläres Cornerback-Duo liefern. Und im zweiten Saisonviertel war er der unbestreitbar eindrucksvollste Rookie.
Adrian Franke




































