Suche Heute Live
Boxen
Artikel teilen

Boxen

Bizarre Farce in Saudi-Arabien

Fury, Tyson und der stärkste Schläger der Welt

Video: Tyson Fury bereit für die nächste große Box-Show
27. Oktober 2023, 20:02
sport.de
sport.de

Box-Weltmeister Tyson Fury trifft am Samstag in Saudi-Arabien in einem Multimillionen-Spektakel auf Francis Ngannou, den einstigen König der Käfigkämpfer. Die PK vor dem ungleichen Duell gerät zu einer bizarren Schau. Dabei warten eigentlich schon jetzt alle auf einen anderen, viel größeren Faustkampf.

Während die saudischen Sport-Scheichs in ihren langen Gewändern zufrieden auf die versammelte Presse- und Zuschauerschar blickten, präsentierten Tyson Fury (ganz) und Francis Ngannou (teils) ihre Oberkörper und quatschten sich voll. 

Einzig die Promoter-Legenden Frank Warren (71) und Bob Arum standen zwischen Furys schwabbelnden Speckschichten und dem Adonis aus Kamerun. Das kauzige Duo hielt einen vom Weltverband WBC eigens entworfenen Glitzergürtel in die Kameras.

Selbst der unverwüstliche Großpate (bzw. -vater) Arum, 92 Jahre alt und fast genau so lange im Geschäft, schaute ob des Schauspiels verdutzt drein. Und dann rannte auch noch Furys Vater "Big" John auf Mike Tyson zu – den Mann, nach dem er seinen Sohn einst benannte. Fury Senior forderte die Box-Ikone zum Duell auf. 

Tyson grinste und lehnte dankend ab. Reichlich bizarr alles.

Womöglich hat das als "Battle of the Baddest" (Schlacht der Bösesten) inszenierte Mega-Event mit dieser finalen "Pressekonferenz" schon seinen Höhe- respektive Tiefpunkt erreicht. Denn sportlich hat der Kampf zwischen dem ungeschlagenen WBC-Weltmeister Fury und dem früheren König der Käfigkämpfer keinerlei Wert. Ngannou steigt zum ersten Mal zu einem professionellen Boxkampf in den Ring.

Dass Tyson den 37-jährigen Ngannou trainiert und "psychologisch" unterstützt, ist Teil der Show. Dass "Iron Mike" dem Mixed-Martial-Arts-Experten in ein paar Wochen das Einmaleins des Faustkampfes beibringt –, nun ja, sagen wir mal: unwahrscheinlich.

In Riad interessiert das keinen. Das saudische Königreich hat einmal mehr seinen Sportsfonds angezapft, um ein gewaltiges Ereignis zu zelebrieren. Ngannou soll für den 10-Runden-Kampf nach Boxregeln zehn Millionen Dollar kassieren. Eine Börse, die er in all seinen Jahren als Teil der UFC-Serie der MMA-Fighter nicht ansatzweise bekommen hat.

Der Star der Saudi-Schau ist freilich Fury. Der 35-Jährige dürfte das Fünf- bis Sechsfache verdienen. Kein Wunder, dass Fury dieser Tage mit einem breiten Grinsen durch Riad stolziert.

"Manchmal schaue ich in den Spiegel und denke, dass ich ein absolutes Genie bin", sagte der "Gypsy King". Vor sechs Monaten habe er nicht einmal gewusst, ob er je wieder boxen würde. "Und jetzt sind wir hier - nicht nur der Kampf gegen Ngannou, ich habe einen weiteren großen Kampf vor mir und noch so viel, so viele große Dinge, die da noch kommen."

Was Fury meint: Die Zirkusnummer mit Ngannou ist nur die Ouvertüre für einen viel größeren Kampf, nicht mehr als der Startschuss zur "Riad Saison" der Wüsten-Monarchie. Kommt Fury ohne Blessuren aus dem Ring, könnte er schon am 23. Dezember auf seinen Rivalen Oleksandr Usyk treffen.

Der Ukrainer wird am Samstag in der ersten Reihe sitzen, um sich das absurde Spektakel aus nächster Nähe anzusehen und sein Duell mit Fury anzuheizen. Die Weltmeister haben ihre Verträge direkt mit dem saudischen "Entertainment"-Minister Turki Alalshikh ausgehandelt – es wird der Zahltag ihrer Leben.

Boxen: Saudi-Schau nur die Ouvertüre für Fury vs. Usyk

Fury gegen Usyk ist der Kampf, den die Boxwelt herbeisehnt. Der Sieger trägt als erster Schwergewichtler seit dem großen Lennox Lewis alle bedeutsamen WM-Gürtel, krönt sich zum "Undisputed Champion", dem einzig wahren Weltmeister – erwächst zum "großen Zeh Gottes", wie Pulitzer-Preisträger Norman Mailer den Schwergewichts-Champion einst nannte.

Weil dieser boxerische Leckerbissen endlich kommt, sehen Fans, Experten und nicht zuletzt der Verband WBC über die "Battle-of-the-Baddest"-Farce hinweg. "Ich muss mich erst um diese Riesenwurst (Ngannou; d.Red.) kümmern. Und wenn ich sie schön gegrillt habe, dann geht es mit der nächsten weiter", posaunte Fury pflichtbewusst und beteuerte, noch nicht an Usyk zu denken. Allein: Es fällt schwer zu glauben, dass der Brite mit seinem Trainer Sugar Hill Steward nicht längst daran arbeitet, sich auf den technisch brillanten Rechtsausleger einzustellen.

Promoter und Protagonisten werden indes nicht müde, Ngannou als große Gefahr darzustellen, als härtesten Schläger der Welt. Als Mann mit der stärksten je gemessenen Schlagkraft steht der 1,94-Meter-Kasten im Guiness-Buch der Rekorde. Im Käfig haute Ngannou seine Gegner allerdings mit dünnen 6-Unzen-Handschuhen um, im Preisboxen tragen die Schwergewichtler 10-Unzen-Modelle. Aber auch das muss in Saudi-Arabien ja keiner erwähnen.

"Ich weiß nicht, ob Fury nervös ist, aber er hätte allen Grund dazu", sagte Tyson und hob auf den Wumms seines Schützlings ab. Ngannou müsse nur einmal treffen, dann sei das Licht aus. Die Promoter Warren und Arum betonten unisono, auf keinen Fall dürfe sich Fury auf einen Schlagabtausch mit der afrikanischen Naturgewalt einlassen.

"Wenn ich verliere, werde ich mein Gesicht nie wieder in der Öffentlichkeit zeigen können", warnte sich Fury selbst vor der ultimativen "Demütigung". Wandle sich das Undenkbare in Realität, "wird man mich verspotten und die Leute werden mir das für immer ins Gesicht schleudern", sagte er. Aber natürlich auch: "Ich habe keine Zweifel, dass ich ihn ausknocken werde."

Tyson Fury ist am Samstagabend gegen Francis Ngannou 20:1-Favorit. Es muss am Guiness-Rekord liegen, dass die Herren der Quoten die Wahrscheinlichkeit einer 1000-und-einer-Nacht-Geschichte auf fünf Prozent taxieren.

Mike Tyson trat einst sogar gegen einen 42:1-Underdog an. 1989 in Tokio, weit weg von Saudi-Arabien. Der Mann, der Tyson sensationell k.o. schlug, war allerdings professioneller Boxer. Er hieß James "Buster" Douglas.

Martin Armbruster

Newsticker

Alle News anzeigen