Langsam aber sicher geht die Formel-1-Saison auf das Ende zu, womit auch der Entscheidungsdruck bei Mick Schumacher immer größer wird. Wie geht es für den Deutschen in 2024 weiter? Bleibt er Mercedes in der F1 als Simulatorfahrer und Ersatzpilot erhalten? Wechselt er in die WEC? Und wenn ja, für wie viele Rennen? Und inwieweit wird sich der 24-Jährige bei einem möglichen WEC-Abenteuer umstellen müssen? Auf einige dieser Fragen gibt es bereits erste Antworten.
Während es in der Formel 1 in den vergangenen Wochen eher ruhig geworden ist um Mick Schumacher, meldete sich der aktuelle Mercedes Ersatzpilot zuletzt nach einer Testfahrt in einem Boliden der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC), die als mögliche neue Motorsport-Heimat für das Jahr 2024 gehandelt wird, zu Wort.
"Das Auto ist relativ groß, relativ schwer, ganz geschlossenes Cockpit, was natürlich ein bisschen klaustrophobisch war am Anfang, aber man hat sich relativ schnell dran gewöhnt", sagte Schumacher bei "Sky" über den A424_Beta, ein 680 PS starkes Hypercar von Alpine, das im kommenden Jahr bei den legendären 24 Stunden von Le Mans zum Einsatz kommen soll.
Dass Schumacher sich auf ungewohntem Terrain ausprobierte, um seine Zukunftsoptionen auszuloten, hat der Deutsche auch seinem früheren Formel-1-Kollegen und guten Freund Esteban Ocon - in der Formel 1 für Alpine aktiv - zu verdanken.
"Über Ocon ist der Kontakt zustande gekommen", verriet F1-Insider Felix Görner gegenüber sport.de. Der Franzose sei auch mit Blick auf die anderen Motorsportprogramme "voll involviert, kennt alle Leute" und habe Schumacher "gut zugeredet, zum Team und zu der Marke", so Görner weiter. Nur deshalb habe sich Schumacher überhaupt in einem Hypercar ausprobiert.
Mick Schumacher mitten im Denkprozess
Was Schumacher, der bislang vor allem Einsitzer ohne Dach fuhr, im WEC-Boliden von Alpine erlebte, umschrieb Görner derweil mit dem Begriff "Kulturschock". Denn in der Langstrecken-WM ist die Herangehensweise eine ganz andere. Nicht nur, "weil man sich das Auto teilt", wie Schumacher selbst hervorhob, sondern weil es darum geht, Auto und Reifen zu schonen, um den Boliden über die lange Distanz überhaupt ins Ziel zu bringen.
Und: Den aus der F1 bekannten Fokus auf den reinen Speed gibt es hier nicht.
"Das heißt: Mick Schumacher muss sich jetzt vom Sprinter zum Marathonläufer entwickeln", fasste Görner zusammen und deckte auf: "Darüber grübelt er im Moment auch mit Unterstützung seiner Managerin Sabine Kehm nach."
Klar ist: In der Formel 1 sind alle Türen zu, ein Cockpit für 2024 ist nicht in Aussicht. Derzeit muss sich der Deutsche also damit abfinden, lediglich erneut Ersatzfahrer bei Mercedes zu sein. "Ein dünner Strohhalm" mit Blick auf die langfristigen F1-Träume Schumachers, so Görner.
"Es heißt, ein Rennfahrer wird nicht besser im Simulator. Das merkt auch Mick Schumacher jetzt. Es ist Zeit für Plan B. Und Plan B ist die WEC", sagte der F1-Experte.
Geht Schumacher nur in Le Mans an den Start?
Wie intensiv sich Schumacher 2024 der Langstrecken-Weltmeisterschaft widmen wird, dürfte jedoch derzeit Teil der Gedankenspiele des 24-Jährigen sein. Eine mögliche Kompromisslösung wäre, dass er "nur" die 24 Stunden von Le Mans für Alpine bestreitet. Aber auch eine ganze Saison in der WEC ist denkbar, dann allerdings wäre er auf weitreichende Mithilfe von Mercedes-Teamchef Toto Wolff angewiesen, der ihm bei Terminkollisionen freigeben und wohl einen weiteren Testfahrer engagieren müsste.
"Das wäre dann ein großer Schritt und gleichzeitig auch fast schon ein kompletter Abschied von der Formel 1", erklärte Görner. Gleichzeitig verwies der F1-Experte auf das Positivbeispiel Nico Hülkenberg, der als aktiver Formel-1-Pilot im Jahr 2015 (damals Force India) für Porsche in einem LMP1-Fahrzeug in Le Mans mitfuhr und gewann.
"Fahrerisch traut Schumacher sich das zu und Alpine vertraut ihm ebenfalls", verriet Görner. Aber: Schumacher müsse sich sozusagen "neu verlieben, in dieses Auto und diese Sportart, die wirklich komplett anders ist, als das, was er bislang gemacht hat."

Genau aus diesem Grund wird Schumacher wohl auch keine schnelle Entscheidung treffen. Alpine hat dem Deutschen ohnehin noch bis Februar kommenden Jahres Zeit gegeben. Ob Schumacher also die besagte Umstellung vom "Sprinter zum Marathonläufer" vollzieht? Offen!
Gut möglich, dass erst noch mindestens eine weitere Testfahrt im WEC-Boliden von Alpine folgt, um ganz sicher zu sein.
Helfen bei der Entscheidung könnte ihm sein Freund und Ex-Formel-1-Pilot Sebastian Vettel, der gerade ebenfalls eine mögliche Teilnahme am legendären Le-Mans-Rennen prüft.
Dass die WEC mit ihrem "großen Prestige" grundsätzlich einen großen Reiz auf Schumacher ausübt, daran hat Görner keinen Zweifel. "Die Konkurrenzdichte ist dort so unheimlich groß, bis auf Mercedes sind alle großen Autobauer am Start: Ferrari, Toyota, Aston Martin, Porsche", zählte Görner nur einige auf und setzte hinzu: "Die Hersteller- und Leistungsdichte ist vergleichbar mit einer Formel-1-Weltmeisterschaft."
Doch zieht die WEC den Deutschen zu sehr aus dem Dunstkreis der Königsklasse des Motorsports? Oder gibt es genau dort die Chance, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, um den F1-Traum am Leben zu erhalten?
Für Görner steht fest: "Die Karriere von Mick Schumacher ist an einem Scheideweg. Er muss sich entscheiden, ob er sich wirklich einer ganz neuen Sache verschreiben will. Und diese Entscheidung wird noch dauern."
Chris Rohdenburg/Felix Görner


