Viel Lob vom Bayern-Patron: Für Uli Hoeneß ist Julian Nagelsmann genau der richtige Bundestrainer, um vor der Heim-EM "wieder Hochstimmung" um die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu erzeugen. Auch der DFB-Kader für die Länderspielreise in den USA schmeckt Hoeneß.
Beim FC Bayern sei man sich einig gewesen, "dass er jetzt für diese Situation genau der Richtige ist", sagte Hoeneß im exklusiven Interview mit RTL/ntv und sport.de. Der 36-Jährige habe nach seinem Aus bei den Münchnern "viel Kraft getankt", sei "jung, frisch und er hat viel Elan. Und jetzt braucht die Nationalmannschaft Optimismus, sie braucht Hochstimmung, Aufbruchstimmung und dafür ist er der genau Richtige", so der 71-Jährige.
Angesichts der schlechten Stimmung, die sich nach der "verkorksten WM" in Katar rund um die Nationalmannschaft und Nagelsmann-Vorgänger Hansi Flick gebildet habe, "ist es vielleicht ganz gut, wenn jetzt ein neuer Mann kommt, der unbelastet an die Dinge heran gehen kann."
Nagelsmanns erste Personalentscheidungen sind schon einmal nach Hoeneß' Gusto. "Ich glaube er hat eine gute Mischung aus erfahrenen Spielern wie Mats (Hummels, d. Red.) und vielen anderen, aber er hat auch einige Junge dazu genommen. Der Mix ist gut", befand Hoeneß und riet dem Bundestrainer "jetzt nicht zu viel zu experimentieren". Es sei "ja nicht einmal ein Jahr" bis zur EM im eigenen Land, gab der Bayern-Ehrenpräsident zu bedenken. "Das Wichtigste wird sein, dass er diese Mannschaft, wie er sie sich vorstellt, in den nächsten drei, vier Spielen zusammenspielen lässt, damit jeder weiß, wo er hinlaufen muss. Dass es eine Einheit ist."
Die Nationalelf stecke in einem gewissen "Dilemma", habe "auf der einen oder anderen Position vielleicht ein Problem", so der Weltmeister von 1974. "Aber das kann man alles kompensieren, wenn die Mannschaft als Einheit auftritt, wenn sie eingespielt ist, bin ich überzeugt, dass es eine gute Europameisterschaft werden kann."
Dass die Bayern-Spieler in der Nationalmannschaft Stimmung gegen ihren Ex-Klub-Trainer machen könnten, glaubt Hoeneß nicht. "Wenn ich so einige Kommentare Revue passieren lassen, die waren ja alle relativ positiv zu Julian und einige haben es auch nicht verstanden, dass der FC Bayern Julian beurlaubt hat, so viel ich das weiß. Ich bin überzeugt, dass es keine Ressentiments gegen Julian innerhalb des Bayern-Kaders gab."
Hoeneß: Nagelsmann und DFB gehen ins Risiko
Hoeneß lobte den DFB und Nagelsmann dafür, erst einmal nur einen Vertrag bis zur EM geschlossen zu haben. "Man muss in diesem Geschäft auch Risiken eingehen. Julian geht mit diesem kurzen Vertrag ein Risiko ein. Und wenn das gut geht, gibt es ja auch wieder riesige Chancen für beide Seiten. Auch das Risiko, dass Julian dann ein Angebot von Real Madrid bekommt, wenn er gute Arbeit leistet. Aber jetzt sollten sich beide Seiten auf dieses riesige Event fokussieren - eine Heim-EM gibt es ja nicht alle Jahre. Man sollte nicht darüber nachdenken, was ab 1. Juli oder 1. August ist."
Ein Nagelsmann-Effekt und eine wiedererstarkte Nationalelf alleine könnten die derzeitige DFB-Krise allerdings nicht lösen, mahnte Hoeneß. "Da fehlt ein bisschen mehr. Ich glaube, dass beim DFB darüber nachgedacht werden muss, dass wir das alles für die Zuschauer machen. Der Fan ist der Mittelpunkt des Interesses und da sind in der Vergangenheit viele, viele Fehler gemacht worden."
Freundschaftsspiele müssten nicht "immer abends um 21 Uhr" stattfinden, sagte die Bayern-Ikone. "Ich will die Jugend, die Jugendlichen hinter mich bringen. Dann ich auch ein Länderspiel mal um 18 Uhr machen oder an einem Samstagnachmittag. Oder ich muss nicht Eintrittspreise von 100 und 150 Euro nehmen. Ich kann auch Jugendliche für zehn Euro in das Stadion lassen. Natürlich hat sich der DFB durch eigenes Verschulden in eine finanzielle Schieflage gebracht. Aber dafür können die Kids, die ins Stadion wollen, wohl nichts."
Die EM im eigenen Land biete eine "große Chance, da viele Fehler zu korrigieren. Und wenn alle zusammenhalten, dann geht das auch", sagte Hoeneß - und holte weiter aus.
Das Abschotten der Nationalmannschaft bei Trainingslagern sei "totaler Blödsinn", polterte er, die Nationalspieler könnten auch "zwei Mal die Woche vor einem vollen Stadion trainieren". Das Argument, Standards im Geheimen zu üben, sei ebenfalls "ziemlicher Blödsinn", wetterte Hoeneß. "So schlecht, wie die teilweise in der Vergangenheit waren, hat es übrigens auch nicht viel gebracht."










