Da werden Erinnerungen an den Farce-Grand-Prix in Indianapolis 2005 wach: Die FIA hat am Samstagmorgen vor dem Sprint-Shootout und dem F1-Sprint in Katar bekannt gegeben, dass Pirelli nach dem Freitag auf dem Losail International Circuit Sicherheitsprobleme mit den Formel-1-Reifen für das Rennwochenende festgestellt hat und deswegen Maßnahmen ergreift.
Bei der routinemäßigen Analyse der Reifen nach dem ersten Freitagstraining habe sich gezeigt, dass sich bei längeren Laufzeiten die obere Gummischicht von der Karkasse der Seitenwände der Reifen zu lösen beginnt. Das sorgte zwar bisher für keine Reifenschäden, könnte dazu aber im Extremfall führen, wenn die Länge der Stints in den Rennen zwangsläufig ausgedehnt wird.
Als Ursache für dieses Phänomen werden die neuen Randsteine auf der Strecke in der Nähe von Doha vermutet. Die Randsteine wurden mit fünf Zentimeter hohen "Minipyramiden" bestückt, um die Fahrer davon abzuhalten, so stark wie in der Vergangenheit über die Randsteine zu fahren und das Thema Tracklimits zu entschärfen.
Vor Beginn der Sessions am Samstag ergreift die FIA daher radikale Maßnahmen. Der Beginn des Sprint-Shootout wird von 15:00 Uhr auf 15:20 Uhr deutscher Zeit verschoben, damit um 15:00 Uhr noch eine zehnminütige Session eingeschoben werden kann. Diese soll den Fahrern dazu dienen, sich an durchgeführte Änderungen der Tracklimits bei Kurve 12/13 zu gewöhnen.
Nach dem F1-Sprint über 19 Runden soll dann eine weitere Untersuchung der Reifen durchgeführt werden. Sollten Pirelli und die FIA dabei feststellen, dass das Problem weiterhin besteht und ein Sicherheitsrisiko nicht ausgeschlossen werden kann, könnten für den Grand Prix über 57 Runden am Sonntag weitere Maßnahmen beschlossen werden.
Was die FIA im schlimmsten Fall plant
Die FIA-Vorgabe würde dann drei Pflichtboxenstopps vorsehen, um eine maximale Einsatzdauer der Reifen von 20 Runden nicht zu überschreiten. Sollte ein Fahrer im Rennen einen bereits im Qualifying gebrauchten Reifen verwenden, würde man eine Verlängerung auf maximal 22 Runden zugestehen, um In- und Out-Laps zu berücksichtigen.
In einer Presseaussendung der FIA heißt es ferner: "Pirelli und die FIA werden umfangreiche Untersuchungen und Simulationen durchführen, um die Gründe für dieses Problem mit absoluter Sicherheit zu ermitteln und an Lösungen zu arbeiten, um es in Zukunft zu vermeiden."
Bereits vor dem Rennwochenende hatte Yuki Tsunoda Bedenken wegen der aggressiveren Randsteine geäußert: "Auf den Randstein zu fahren, ist nicht das Problem. Aber wenn du seitlich drüberfährst, wirst du ins Rutschen kommen. Das wird ganz schön ruppig, und besonders bei so schnellen Kurven und so niedriger Bodenhöhe wird das schwierig."
Selbst einmal über die Randsteine zu fahren, "wird einiges kosten", hatte der AlphaTauri-Pilot gewarnt. Andere Fahrer, etwa Lewis Hamilton, hatten die aggressiveren Randsteine hingegen begrüßt, weil sie ein natürliches Tracklimit darstellen. Trotzdem kam es im Qualifying am Freitag wieder zu zahlreichen Tracklimits-Verstößen.
Nicht genug Zeit für neue Reifen
So kurzfristig neue Reifen zu entwickeln und nach Katar einzufliegen, ist unmöglich. Außerdem hat Pirelli für das Rennwochenende ohnehin schon die drei härtesten und robustesten Gummimischungen aus dem Formel-1-Sortiment 2023 aufgeboten. Das zwingt die FIA zu Notfallmaßnahmen, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.
In Indianapolis 2005 wurden während der Trainings sicherheitsrelevante Probleme mit der Integrität der Michelin-Reifen festgestellt. Zum Rennen am Sonntag bogen dann alle Michelin-bereiften Autos nach der Formationsrunde an die Box ab, sodass letztendlich nur sechs Bridgestone-bereifte Autos in der Startaufstellung standen. Das Rennen fand unter lautstarken Protesten der Zuschauer statt.

